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RENTENANGST

Ein Lob für Unfähigkeit

Erstellt von Redaktion am Freitag 11. November 2022

Scheitern? Muss nicht sein

Hat nicht eine jede Person das Recht ein 50 jähriges Versagen der Politiker-innen schön zu schreiben ?

Ein Debattenbeitrag von Malte Kreutzfeldt

Die derzeitige Stimmung: Die Energiewende ist zu langsam, um die Klimakatastrophe noch aufzuhalten. Dabei gibt es Anlass für Optimismus.

Dass Klima-Aktivist*innen eher pessimistisch sind, wenn es darum geht, ob die Klimakrise noch gestoppt werden kann, liegt auf der Hand. Ihre Rolle ist es, die Politik mit Kritik vor sich herzutreiben. Und so mehren sich rund um die Klimakonferenz, die derzeit im ägyptischen Scharm al-Scheich stattfindet, die düsteren Szenarien. Doch der Pessimismus ist nicht auf die Klima- und Umweltbewegung beschränkt. Auch aus der Wissenschaft kommen laute Warnungen. So erklärte der Expertenrat für Klimafragen letzte Woche in einem Gutachten für die Bundesregierung: „Die bisherigen Emissions-Reduktionsraten reichen bei weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen – weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren.“ Und taz-Kollegin Ulrike Herrmann vertritt – in ihrem neuen Buch „Das Ende des Kapitalismus“ – die These, dass es ausgeschlossen sei, jemals genug Ökostrom zu erzeugen, um die Treibhaus­gas­emissionen auf null zu senken und gleichzeitig die Wirtschaftsleistung weiter zu steigern. Weil der Kapitalismus ohne Wachstum nicht funktioniere, lasse sich die Klimakrise darum nicht lösen, ohne ihn abzuschaffen.

Eine zentrale Grundlage für diesen Pessimismus ist die Aussage, dass Wind und Sonne – jene erneuerbaren Energien, die im Gegensatz zu Biomasse oder Wasserkraft praktisch unbegrenzt ausgebaut werden können und die darum in Zukunft den Großteil des Ökostroms liefern müssen – im Jahr 2020 gerade mal 7,7 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs geliefert haben. Da scheint der Weg zu 100 Prozent Erneuerbaren bis zum Jahr 2045 tatsächlich kaum zu schaffen.

Doch diese Zahl führt in die Irre. Denn für den Fortschritt der Energiewende ist der Endenergieverbrauch der falsche Maßstab. Er lässt den Bedarf größer erscheinen, als er in der Zukunft tatsächlich sein wird. Denn durch den Umstieg von fossilen Kraftstoffen auf Ökostrom sinkt der Endenergiebedarf im Verkehr und beim Heizen: Ein Liter Diesel hat einen Energiegehalt von etwa 10 Kilowattstunden. Damit kommt ein Wagen der Golf-Klasse etwa 17 Kilometer weit. Ein vergleichbar großes E-Auto fährt mit 10 Kilowattstunden Strom über 50 Kilometer. Durch den Umstieg auf Elektroautos, die mit Ökostrom angetrieben werden, sinkt der Bedarf an Endenergie um 70 Prozent.

Ähnlich sieht es beim Heizen aus: Bei Gas- und Ölheizungen geht ein Teil der Energie verloren; aus einer Kilowattstunde Energie im Brennstoff entsteht also immer weniger als eine Kilowattstunde Wärme in der Wohnung. Bei einer Wärmepumpe ist es umgekehrt: Sie entzieht der Umgebung Wärme und erzeugt dadurch aus einer Kilowattstunde Strom 3 bis 5 Kilowattstunden Wärme. Beim Umstieg von einer fossilen Heizung auf eine Wärmpumpe, die mit Ökostrom angetrieben wird, sinkt der Endenergiebedarf also auf ein Drittel bis ein Fünftel – ohne dass es in den Wohnungen kälter wird. Dazu kommt noch, dass jedes Jahr weitere 2 Prozent der Häuser gedämmt werden sollen, wodurch der Heizenergiebedarf sich meist mindestens halbiert. Auch wenn gleichzeitig der Wohnraum pro Person weiter steigen sollte, wird der Energiebedarf zum Heizen also stark sinken und die Umstellung auf Ökostrom damit viel einfacher als viele Rechnungen von Energiewende-Skeptiker*innen nahelegen – auch wenn man den gewaltigen Bedarf berücksichtigt, der etwa mit der Umstellung der Stahl- oder Chemiebranche auf klimaneutrale Produktion einhergeht.

Trotzdem kann man aber natürlich zu Recht die Frage stellen, ob die Energiewende schnell genug gelingen kann. Schließlich haben ja viele Medien gerade berichtet, dass der Expertenrat warnt, Deutschland werde seine selbst gesteckten Klimaziele für 2030 verfehlen. Was in der Berichterstattung ein wenig unterging, war aber die Bedingung, an die diese Aussage geknüpft war: Wenn die Emissionen weiterhin im gleichen Tempo sinken wie in den Jahren 2000 bis 2021. Doch dass die frühere Klimapolitik nicht ausreichend war, um Deutschland zumindest auf den 2-Grad-Pfad zu bringen, ist lange bekannt. Und genau aus diesem Grund hat die Ampelregierung ja nun vor, in den nächsten Jahren das Ausbautempo bei den Erneuerbaren zu vervierfachen, die Sanierungsrate bei Wohnhäusern zu verdoppeln, den Kohleausstieg vorzuziehen und ein schnelleres Ende des Verbrennungsmotors zu ermöglichen.

Quelle          :       TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —     Berliner Promenade beim Saarhochwasser im Januar/Februar 2021 in Saarbrücken

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