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Ein Leben ohne Kriege

Erstellt von Redaktion am Samstag 6. November 2021

„In jedem Krieg findet man deutsche Rüstungsgüter“

File:Tornados Luftwaffe Nellis Aug2007.jpeg

Alexander Lurz im Interview mit Tobias Schulze

SPD, Grüne und FDP verhandeln derzeit auch über die Zukunft der deutschen Verteidigungspolitik. Es braucht ein Gesetz für Waffenexporte, sagt Alexander Lurz, Friedensexperte von Greenpeace.

taz am wochenende: Herr Lurz, was glauben Sie, wird die Ampel die Welt friedlicher machen?

Alexander Lurz: Gute Frage. Wenn man sich die Wahlprogramme der Parteien anschaut, ist viel Positives drin. Alles in allem lässt sich das aber nicht als „friedlich“ zusammenfassen. Und ich muss auch sagen, dass die FDP in manchen Bereichen nicht einfach ist.

Der FDP stehen SPD und Grüne in der Außenpolitik zumindest näher als der CDU/CSU.

Trotzdem ist die FDP noch sehr nahe an der Union. Beide Parteien unterstützen beispielsweise das 2-Prozent-Ziel der Nato, also die Vorgabe, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben. Das lehnen Grüne und SPD zumindest auf dem Papier ab.

Bleiben wir direkt beim Geld: Auf welchen Kompromiss könnte es Ihrer Meinung nach bei den Militärausgaben rauslaufen?

Erst mal stellt sich die Frage, warum man auf Wunsch eines „hirntoten“ Bündnisses, um den französischen Präsidenten zu zitieren, weitere rund 20 Mil­liarden investieren soll. Deutschland hat heute ohnehin bereits den weltweit siebt­größten Militärhaushalt. Ich vermute, dass wir einen Formel­kompromiss im Koali­tionsvertrag haben werden. Man wird sich nicht dafür entscheiden, das Zwei-Prozent-Ziel vom Tisch zu nehmen, sondern eher etwas Weiches formulieren wie: Man bewegt sich über die Jahre auf eine Ausstattung der Bundeswehr im Sinne des Nato-Ziels zu.

Aus der FDP gibt es den Vorschlag eines 3-Prozent-Ziels – als Gesamtpaket für Militär, Entwicklung und ­Diplomatie. Wäre das ein guter Kompromiss?

Ich vermute, dass die FDP unter dem Deckmantel von 3 Prozent die Verteidigungsausgaben dann doch deutlich erhöhen will. Das wäre abzulehnen.

Auch, wenn gleichzeitig die anderen beiden Bereiche mehr bekommen?

Dafür müsste man erst mal die Finanzierungsfrage stellen. Darauf hat die FDP bislang überhaupt keine Antwort. Sie ist ja nicht bereit dazu, an anderer Stelle mehr Einnahmen zu erzeugen.

Auf welches Thema blicken Sie neben den Ausgaben besonders gespannt?

Bei den Rüstungsexporten braucht es eine Lösung. Wir haben seit Jahren eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, wir haben eine lange Reihe von Skandalen erlebt, und es werden immer wieder neue aufgedeckt. In jedem Krieg, auf den wir schauen, findet man deutsche Rüstungsgüter. Diese Koali­tion hat die Chance, das Problem zu lösen. Der erste Schritt wäre, ein Rüstungs­exportgesetz zu verabschieden. Es würde aber nicht reichen, nur das in Gesetzesform zu gießen, was wir jetzt schon haben. Es muss mit einer Verschärfung einhergehen, und das würde bedeuten, unter anderem die Waffen­exporte in Drittländer komplett ein­zustellen, also in Länder außerhalb von EU, Nato und Nato-gleichgestellten Staaten.

Was wäre der grundsätzliche Vorteil eines einheitlichen Gesetzes gegenüber der jetzigen Situation?

Wir haben jetzt ein Re­gelungs­wirrwarr. Wir haben das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Außenwirtschaftsgesetz und die politischen Grundsätze der Bundesregierung. Da beginnt es schon: Die Grundsätze sind eben nur Grundsätze. Das Ganze ist nicht ver­pflichtend und nicht einklagbar. Die ­Bundesregierung ist faktisch frei, dagegen zu verstoßen. Das wäre bei einem Gesetz anders.

In den letzten Jahren hat Deutschland erstmals sogenannte Endverbleibskontrollen getestet: Man schaut vor Ort nach, ob Empfängerländer ihre in Deutschland gekauften Waffen behalten oder rechtswidrig weitergegeben haben. Nach der Pilotphase könnten die Kontrollen jetzt verstetigt werden. Wie sollten die Regeln aussehen?

Bis jetzt haben wir die Kon­trollen nur für Kleinwaffen und deren Export in Drittländer. Das reicht vorne und hinten nicht. Es muss für alle Rüstungsgüter gelten und für alle Staaten. Wir hatten in den letzten Jahren immer wieder Fälle, in denen auch durch Nato-Länder deutsche Rüstungsgüter in andere Hände geraten sind.

Aber ist das realistisch? Würde die Türkei wirklich mitmachen, wenn die Bundesregierung sagt: Wir wollen mal eure U-Boote sehen?

Sollte nicht jeder Politiker welcher für Kriegseinsätze oder Waffenlieferungen stimmt, eine Uniform anziehen und losmarschieren? Wetten dass? Dann gäbe es keine Kriege mehr ? Verbrecher dürfen keine Freiwilligen Mörder finden !

Die USA haben eine Endverbleibskontrolle, die nicht unterscheidet zwischen Nato-Ländern und anderen. US-Behörden kontrollieren in Deutschland, ob an Deutschland gelieferte Rüstungsgüter noch hier sind. Es geht also. Die Frage ist nur, ob die neue Ampelkoalition es machen möchte.

Ein anderes Problem: An immer mehr Rüstungsprojekten sind Hersteller aus mehreren EU-Staaten beteiligt. EU-weite Regeln wären also sinnvoll – aber Staaten wie Frankreich sind gegen strengere Vorgaben. Auf was sollte man eher verzichten: auf Einheitlichkeit oder auf harte Regeln?

Es gab gerade einen Vorschlag von grüner Seite, das auf der europäischen Ebene neu zu regeln. Das ist erst mal nicht falsch, aber es ist ein Vorstoß zur Unzeit. Wir haben jetzt Koalitionsverhandlungen in Berlin. Wir haben jetzt in Deutschland die Möglichkeit, ein striktes Gesetz zu verabschieden, das eine Vorbildfunktion für Europa hat. Umgekehrt darauf zu setzen, dass irgendwann auf europäischer Ebene etwas geregelt wird, was dann deutsche Rüstungsexporte einschränkt, mag ein gelungener Formelkompromiss für die VerhandlerInnen der Ampel sein, eine Patrone weniger wird deshalb aber nicht exportiert.

Aber was ist gewonnen, wenn Deutschland strenge Regeln bekommt und Diktaturen in der Folge einfach auf französische Hersteller ausweichen?

Man sollte seine eigenen moralischen Maßstäbe auch anlegen und nicht sagen: Wenn jemand anderes keine Moral hat, dann brauchen wir auch keine.

Der SPD-Vorstand hat vor zwei Wochen beschlossen, sich für die Bewaffnung von Drohnen zu öffnen. Ist das Thema damit durch oder sind Kampfdrohnen für die Bundeswehr noch zu stoppen?

Quelle        :      TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —    German Luftwaffe (Air Force) crew chiefs work on Panavia Tornado IDS aircraft during the „Red Flag 07-3“ exercise at Nellis Air Force Base, Nevada (USA), on 21 August 2007. The Tornado fighters belonged to the Jagdbombergeschwader 31 (JaboG 31) „Boelcke“ (31st Fighter-Bomber Wing) from Noervenich AB, Northrhine-Westphalia, Germany (blue emblem on the tail fin), and the German Air Force Flying Training Center (GAF/FTC) at Holloman AFB, New Mexico (yellow emblem).

Author U.S. Air Force photo by Staff Sgt. Josh Nason      /      Source    :  U.S. Defenseimagery.mil photo VIRIN: 070821-F-2518N-003       /       Date     :      21 August 2007

This work is in the public domain in the United States because it is a work prepared by an officer or employee of the United States Government as part of that person’s official duties under the terms of Title 17, Chapter 1, Section 105 of the US Code.

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Unten          —  Autor   Lupus in Saxonia / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

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