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Ein Kumpel der Industrie

Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 19. Januar 2019

Michael Vassiliadis, Chef der IG BCE

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Aus Berlin und Cottbus  von Malte Kreutzfeldt

Er ist derzeit der wichtigste deutsche Gewerkschafter: In der Kohlekommission streitet Michael Vassiliadis, Chef der IG BCE, mit großem Einsatz für hohe Entschädigungen – und möglichst geringe Klimavorgaben.

ls am Dienstagabend im Kanzleramt bis in die Nacht über den Kohleausstieg verhandelt wird, ist Michael Vassiliadis nicht persönlich vor Ort – weder bei den gut 20 Pro-Braunkohle-Demonstranten, die draußen in der Kälte stehen und versuchen, neben den weitaus zahlreicheren UmweltaktivistInnen wahrgenommen zu werden, noch beim Abendessen, zu dem Angela Merkel die Ministerpräsidenten der Kohleländer, die Vorsitzenden der Kohlekommission und das halbe Bundeskabinett eingeladen hat. Doch seine Argumente sind trotzdem allgegenwärtig. Denn Michael Vassiliadis ist derzeit der einflussreichste Akteur in den Verhandlungen über die Zukunft der Kohleregionen. „Ich habe nur eine Stimme in der Kommission“, verkündete er vor einer Weile selbstbewusst, „aber viele Freunde.“

Seit zehn Jahren ist der Sohn eines griechischen Gastarbeiters und einer deutschen Mutter Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), der mit rund 350.000 Mitgliedern drittgrößten deutschen Gewerkschaft. Von denen arbeitet zwar nur ein Bruchteil in der Kohlebranche – Kraftwerke und Tagebaue beschäftigen insgesamt nur noch knapp 20.000 Menschen. Doch für die zeigt Vassiliadis derzeit vollen Einsatz.

Der 54-Jährige läuft nicht nur im Nieselregen in der ersten Reihe, als seine Gewerkschaft im Oktober im Rheinland unter dem Motto „Wir sind laut für unsere Jobs“ über 20.000 Menschen gegen eine „einseitige Klimapolitik“ und einen schnellen Kohleausstieg mobilisiert. Vor allem verfügt Vassiliadis, der privat mit der ehemaligen SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi liiert ist, auch beruflich über exzellente Kontakte in die Politik.

Wenn er, wie im vergangenen September, zu einer Konferenz zur Zukunft der Braunkohleregion Lausitz nach Cottbus einlädt, laufen dort mit dem SPD-Mann Dietmar Woidke aus Brandenburg und seinem CDU-Kollegen Michael Kretschmer aus Sachsen gleich zwei Ministerpräsidenten auf. Und anders als bei vielen anderen Veranstaltungen, bei denen Spitzenpolitiker nach ihrer Rede sofort wieder verschwinden, bleiben sie mehrere Stunden und drängen sich auch in der Kaffeepause um den Gewerkschaftschef. So eng ist sein Draht in die Politik, dass es sich Vassiliadis sogar erlauben kann, die beiden Ministerpräsidenten einfach stehen zu lassen, als sein Handy klingelt.

Die betroffenen Bundesländer wollen im Gegenzug für den Kohleausstieg so viel Geld wie möglich herausschlagen; ihre Forderung beläuft sich auf bis zu 60 Milliarden Euro. Und sie wissen, dass sie dabei auf Vassiliadis als wichtigen Verbündeten zählen können. Die 1,5 Milliarden Euro, die die Bundesregierung bisher für den Strukturwandel zugesagt hat, seien „ein Tropfen in der ausgedörrten Wüste“, meint der.

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Bei der Jahrespressekonferenz seiner Gewerkschaft legte er am Montag nach. Erforderlich seien „Investitionen von gewaltigem Ausmaß“, erklärte Vassiliadis, wie üblich im Anzug mit Gewerkschaftslogo am Revers. „Die Regierung muss Verantwortung dafür übernehmen, wenn sie einen rentablen Industriezweig politisch abschalten will.“ Dieser Druck zeitigt offenbar Wirkung: Nach dem Spitzentreffen im Kanzleramt am nächsten Tag äußerten sich die Länderchefs aus dem Osten zufrieden. Die Kanzlerin und ihr Finanzminister hätten eine „langfristige Finanzzusage“ gegeben, berichtete Kretschmer im Anschluss. Genutzt werden könnte dieses Geld für den Ausbau von Schienen, Straßen und Mobilfunknetzen ebenso wie für die Ansiedlung neuer Bundesbehörden und Unternehmen.

Auch die Konzerne, deren MitarbeiterInnen Vassiliadis vertritt, können sich stets auf den Chef der IG BCE verlassen. Obwohl mehrere Rechtsgutachten zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die Kohlekraftwerke überwiegend ohne eine finanzielle Entschädigung der Betreiber stillgelegt werden können, hat Vassiliadis sich dafür eingesetzt, dass trotzdem Geld fließt. „Sonst endet der Kohleausstieg vor einem Schiedsgericht in New York“, warnte der Gewerkschaftschef von Anfang an. Im Raum steht nun eine Summe von etwa einer halben Milliarde Euro pro Braunkohleblock. Damit haben sich auch die KohlegegnerInnen in der Kommission schon abgefunden. Ohne Entschädigung gebe es keine Mehrheit, lautet ihre resignierte Einschätzung.

Quelle        :        TAZ          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen         :

Oben         —           Foto: CC-BY-SA Stephan Röhl Die Bilder enstanden bei der Veranstaltung: „Ü30! Die Grünen vor neuen Herausforderungen“ 30 Jahre Grüne. Die einst kleine Ökopartei ist zu einer festen Größe in der politischen Landschaft geworden. Ökologie, nachhaltiges Wirtschaften, Umweltschutz, erneuerbare Energien und Gleichstellung sind im gesellschaftlichen Mainstream angekommen. Sie werden deshalb auch von anderen Parteien aufgegriffen. Selbst sind die Grünen im Stimmungshoch, nicht nur in der Hauptstadt. Wie können sie dieses inhaltlich und programmatisch ausfüllen? Die Heinrich-Böll-Stiftung bringt führende Grüne mit herausragenden Gästen aus Kultur, Wissenschaft, Unternehmen und Gewerkschaften zusammen, um der Partei einen Spiegel vorzuhalten und gemeinsam darüber zu reden, welches die großen grünen Themen der nächsten zehn Jahre sind.

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Unten      —         Kurz vor dem Beginn der Hannover Messe 2016, die unter anderem von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama eröffnet wurden, organisierte ein Trägerkreis zum Samstag, den 23. April 2016 auf dem hannoverschen Opernplatz eine Demonstration unter dem Motto „TTIP und CETA stoppen.

Foto: Bernd Schwabe in HannoverEigenes Werk

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