Ein Digitalisierungsdrama
Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 10. September 2020
Hauptsache, es funktioniert für mich
Eine Kolumne von Sascha Lobo
Deutschland ist ein Digital Failed State, jedenfalls gemessen an seinen Möglichkeiten. Wir leiden unter einem Funktionierfetisch: Solange alles läuft wie gewohnt, gilt jede Veränderung als potenzielle Bedrohung.
Immerhin kann man Deutschland keine mangelnde Gründlichkeit vorwerfen. Im Gegenteil schafft es dieses Land, mit größter Sorgfalt fast jede Dimension der Digitalisierung zu versauen. Immer noch, immer wieder. Auf diese Weise schimpfe ich seit mindestens zehn Jahren, leider zu Recht, aber eigentlich kann ich es selbst nicht mehr hören. Drei Schlagzeilen allein aus den letzten drei Tagen:
„Nirgendwo lief der Umstieg auf Digitalunterricht so schlecht wie in Deutschland“
Eine Studie hat führende Industrieländer verglichen, Deutschland liegt ganz hinten. Nur zehn Prozent der Eltern empfanden den Wechsel vom Präsenzunterricht zur digital vernetzten Variante als reibungslos gelungen. Fünfzig Prozent der Eltern meinten, die Schulen seien „gar nicht“ vorbereitet gewesen.
„Das Ergebnis ist alarmierend“
Das sagt der Präsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft zur Vorstellung des „KI-Monitors“. Es handelt sich um ein Gutachten zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland.
„Deutschland fällt in der digitalen Wettbewerbsfähigkeit zwischen 2017 und 2019 um 52 Ränge zurück.“
Das European Center for Digital Competitiveness untersucht in zehn verschiedenen Kategorien, wie digital wettbewerbsfähig die Länder der Welt so sind. Deutschland verliert dabei (kumuliert) in drei Jahren 52 Rangplätze.
Im Herbst 2020 gilt: Deutschland ist ein Digital Failed State – wenn man das Land an den eigenen Möglichkeiten misst. Das digitale Staatsversagen lässt sich nicht nur an den Einschätzungen der drei sehr verschiedenen Studienurheber ablesen. Sondern auch am Evergreen-Thema digitale Infrastruktur. Durch Corona verzögert liegen inzwischen die jüngsten Zahlen zur Glasfaserverkablung bis in die Haushalte (FTTH) vor, der mit Abstand wichtigsten und zukunftsfähigsten Dateninfrastruktur, Stand 2019.
Bei der technisch möglichen Abdeckung kommt Norwegen auf 90 Prozent, Spanien auf 85 Prozent, Frankreich auf 57 Prozent, der Durchschnitt der EU-28 beträgt 39 Prozent. Deutschland liegt bei zehn Prozent.
Die Freude am Funktionieren.
Wenn man die ohnehin stets besser versorgten Städte weglässt, dramatisiert sich das Bild. Nur sechs Prozent der ländlichen Haushalte wären technisch überhaupt in der Lage, einen Glasfaseranschluss legen zu lassen. In Spanien sind es 42 Prozent, dabei leben dort im Schnitt nur 93 Menschen je Quadratkilometer. In Deutschland sind es 233.
Das Trauerspiel wiederholt sich bei den Zahlen der tatsächlichen FTTH-Abonnenten: Schweden 56, Spanien 54, Norwegen 39, Frankreich 25 Prozent der Haushalte. Deutschland hat sich auf drei Prozent hochgekämpft.
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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