Ehrholdt empört sich
Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 1. April 2011
Symbolfigur der politischen Unzufriedenheit
Nachdem die Banken als Milliardenbetrüger aufgeflogen sind, hat jetzt auch die Bundesagentur für Arbeit einen erhöhten Missbrauch durch Hartz IV Empfänger bekannt gegeben. So seien im Jahre 2010 – C Straf- und Bußgeldverfahren wegen Leistungsmissbrauchs eingeleitet worden. Das sind 61636 Fälle oder 37,4 Prozent mehr als 2009. In rund 35.000 Fällen bestätigte sich der Verdacht der Behörde auf Leistungsmissbrauch nicht. Die Summe des Verwarnungs- und Bußgeld stieg um knapp 30 Prozent auf 4,8 Millionen Euro, im Schnitt lagen die Strafzahlungen bei 105,99 Euro, 1,20 Euro weniger als 2009. Die Zahl der BA-Beschäftigten, die sich nur mit Ordnungswidrigkeiten beschäftigt, erhöhte sich in diesem Zeitraum von 620 auf 700.
Leistungsmissbrauch liegt vor, wenn ein Hartz-IV-Empfänger arbeitet und den Verdienst, der auf den Regelsatz angerechnet würde, nicht angibt. Das selbe gilt für Sparguthaben, Witwen- oder Waisenrenten, die der Behörde nicht gemeldet wurden.
Die BA ist also in der Lage im Schnitt 105,99 Euro pro Veruntreuung direkt vom Leistungsbezieher im Folgemonat einzubehalten. Wie sieht dieses denn nun im Verhältnis zu dem Bankenbetrug aus? Hält der Staat dort auch Zahlungen ein? Wohlgemerkt wir reden hier nicht von 4,8 Millionen Euro. Bei den Banken geht es um mehr als 480 Milliarden Euro, welche vom Staat, also dem Steuerzahler, berappt werden müssen.
Hier wird der Mundraub des „Kleinen Mannes“ mit der vorsätzlichen Betrugskriminalität Strafrechtlich noch nicht einmal gleichgesetzt. Motto: Den „Kleinen“ fasst und bestraft man, den „Großen“ lässt man laufen, subventioniert ihn und belohnt die Macher mit Gehältern von vielen Millionen. Das ist dann die gesellschaftliche Gerechtigkeit unserer Arbeits- und Sozial- Ministerin, der Mehrfach Millionärin mit ihren sieben Kindern.
Ein Buch über Hartz IV schrieb dieser Tage auch Andreas Ehrholdt. Er hat 2004 die Hartz-IV-Demos in Magdeburg ins Leben gerufen und wurde zur Symbolfigur der politischen Unzufriedenheit.
Herr Ehrholdt empört sich
Andreas Ehrholdt ist in der DDR Transportarbeiter bei der Deutschen Reichsbahn, im Sommer 1989 gelangt er über die westdeutsche Botschaft in Budapest in die Bundesrepublik, zwei Monate nach dem Mauerfall treibt ihn die Sehnsucht zurück in sein Heimatdorf Woltersdorf bei Magdeburg. Enttäuschungen gehören zu seinem Leben wie der Dom zu Magdeburg. Für die einen ist er ein Wichtigtuer und Versager. Für die anderen ist er ein Spinner. Wer er wirklich ist, weiß er manchmal selbst nicht so genau. Eine typische Nachwende-Arbeitskarriere beginnt. Er ist arbeitslos, bricht eine Umschulung zum Versicherungskaufmann ab, geht zu einem Sicherheitsunternehmen, ist wieder arbeitslos, reißt bei einer ABM-Stelle überirdische Heiztrassen ab, ein Unfall macht schwere körperliche Arbeit unmöglich, er schult um zum Bürokaufmann, findet keine Arbeit, versucht, sich als Finanzberater und Journalist selbständig zu machen – bis Hartz IV wie ein Damoklesschwert über ihm schwebt. Da hat er die Schnauze voll.
Ehrholdt sagt der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe den Kampf an und klebt 200 Plakate in der Magdeburger Innenstadt – „Schluss mit Hartz IV – heute ihr, morgen wir“. Dann erfüllt sich ein Traum: 600 Menschen kommen zu seiner ersten Demonstration. Eine Woche später sind es 6.000, wiederum sieben Tage später folgen ihm 12.000. Jeden Montag demonstrieren bundesweit bis zu 100.000 Menschen und skandieren „Nieder mit Hartz IV“ und „Wir sind das Volk“. Aus dem arbeitslosen Ehrholdt wird „der Held von Magdeburg“, eine „Symbolfigur der politischen Unzufriedenheit“.
Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle : Bundespräsident Köhler begrüßt Bremer Montagsdemonstranten