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Drei Jahre Corona :

Erstellt von Redaktion am Samstag 13. Mai 2023

Die Illusion der Normalität

Vor einem Monat ist sie gefallen, eine der letzten verbliebenen bundesweit geltende Coronaschutzmaßnahme: Seit dem 2. Februar sind die Masken nun auch in Bussen und Bahnen des Fernverkehrs nicht mehr vorgeschrieben. Schon zuvor hatte unter anderem Bayern die Maskenpflicht im alltäglichen Verkehrsgedränge ausgerechnet zur Hochzeit auch anderer Erkältungskrankheiten aufgehoben – und war damit einmal mehr zum Vorreiter und Drängler einer unsteten Coronapolitik geworden: Während Markus Söder zu Beginn der Pandemie als Kapitän des „Teams Vorsicht“ umfassende Eindämmungsregelungen forcierte, geriert er sich seit geraumer Zeit als die Speerspitze des „Teams Freiheit“, das das Ende der Pandemie und eine Rückkehr zur alten, vorpandemischen „Normalität“ fordert.

Damit aber trägt der bayrische Ministerpräsident zu einer fatalen Schlagseite in der hiesigen Debatte über die Pandemiebekämpfung bei: Immer lauter werden jene Stimmen, die die politischen Maßnahmen zur Coronaeindämmung als völlig überzogen oder gänzlich unnötig darstellen. Derweil sich immer mehr politische Entscheidungsträger Asche aufs Haupt streuen, kommt in der medialen Diskussion eines entschieden zu kurz, nämlich eine wirkliche Bestandsaufnahme, wo wir heute stehen – und womit wir weiter rechnen müssen – nach der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, die nur deshalb in den vergangenen zwölf Monaten in den Hintergrund getreten ist, weil wir es seit einem Jahr mit dem Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine mit einer noch größeren, die Grundfesten der europäischen Nachkriegsordnung infrage stellenden Herausforderung zu tun haben.

Dabei kann zum dritten Jahrestag des ersten „Lockdowns“ hierzulande, der im Vergleich mit anderen Ländern nur ein halber war, noch immer nicht davon die Rede sein, dass das Virus seinen Schrecken vollständig verloren hätte: Auch jetzt sterben allein in Deutschland täglich um die 100 Menschen an dessen Folgen und in den Krankenhäusern wächst erneut die Zahl der Infizierten – auch wenn viele wegen anderer Indikationen dort landen. Doch weil sie dann – aus gutem Grund – noch immer isoliert werden, erhöht die Infektion den Aufwand für Krankenpfleger und Ärztinnen erheblich. An deren unzureichender Personaldecke hat nämlich auch das anfängliche Klatschen vom Balkon – zum Dank für ihren selbstlosen, viel zu lange schlecht geschützten Einsatz – bis heute nichts geändert.[1]

Long Covid in den Blick nehmen

Hinzu kommt aber ein mindestens ebenso wichtiger Punkt: Noch immer wissen wir viel zu wenig über die Folgeschäden, die das Virus im Körper anrichten kann. Dabei gibt schon das, was bislang bekannt ist, ausreichend Grund zur Sorge. Inzwischen ist weniger die akute Krankenlast das Problem, sondern vielmehr das, was noch auf uns zukommt – und zwar in Form von Langzeitschäden auf die Betroffenen, aber auch auf die Gesellschaft insgesamt: Bislang haben die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften zum Stichtag 31. Januar 2023 mehr als 310 000 Covid-Erkrankungen als Berufskrankheit anerkannt – und allein 2021 erkannten sie insgesamt dreimal so viele Berufskrankheiten an wie noch im Vorjahr. Die Zunahme geht fast ausschließlich auf Infektionskrankheiten, also insbesondere Coronainfektionen, zurück.[2] Nun ist mit einer Anerkennung als Berufskrankheit zwar nicht gesagt, dass alle Betroffenen dauerhaft beeinträchtigt sind – und schon gar nicht, dass sie im Falle dessen auf einen Rentenanspruch und ausreichende Unterstützung zählen können. Doch allein der enorme Anstieg an Anträgen und Bewilligungen zeigt, wie viele Krankenschicksale sich dahinter verbergen und vor welcher Herausforderung unsere Sozialsysteme in Bälde stehen könnten, sollte auch nur ein Teil derjenigen fortwährend nur eingeschränkt oder gar nicht arbeiten können, die ihre Infektion als Berufskrankheit anerkennen lassen konnten.

Denn unter anhaltenden Beschwerden nach einer Covid-Infektion leiden nach bisherigen Schätzungen mindestens bis zu sechs Prozent der Infizierten, bei Hospitalisierten sogar bis zu über 40 Prozent.[3] Dabei kommt es zu verschiedenen Formen der Beeinträchtigung. Zum einen zu chronischer Erschöpfung, dem sogenannten Fatigue-Syndrom. Dabei leiden die Betroffenen bereits nach geringer körperlicher Anstrengung wie Zähneputzen oder selbst nach einem Telefonat mit Freunden unter schwerer körperlicher Schwäche. Von einer Teilnahme am „normalen“ Leben sind sie völlig ausgeschlossen, Arbeit oder Schule lassen sich nicht bewältigen.[4] Diese Folge einer Coronainfektion brachte – immerhin – die bislang viel zu wenig beachtete Erkrankung ME/CFS[5] etwas mehr ins öffentliche Bewusstsein. Von dieser waren schon vor Corona hierzulande bis zu 250 000 Menschen, darunter 40 000 Kinder und Jugendliche, betroffen. Und doch mangelt es aufgrund unzureichender Forschung und Aufklärung an hilfreichen Behandlungsempfehlungen, Medikamenten und nicht zuletzt an Wissen auch beim medizinischen Fachpersonal. Viel zu oft werden die Erkrankten mit ihren Beschwerden noch immer nicht ernst genommen, ihre Einschränkungen als psychosomatisch abgetan oder sie in Reha-Maßnahmen zu körperlicher Ertüchtigung aufgefordert, obwohl in ihrem Fall das sogenannte Pacing[6] ein weit erfolgversprechenderer Ansatz ist: der schonende Umgang mit den eigenen Energieressourcen und die Schulung im Erkennen der eigenen Grenzen.

Neben der Fatigue treten unter den Long-Covid-Patienten oft Einschränkungen der Lunge wie Kurzatmigkeit und anhaltender Husten auf. Andere leiden unter neurologischen Beeinträchtigungen wie Kopf- und Muskelschmerzen, Geruchs- und Geschmacksverlust oder unter Beschwerden wie Konzentrationsstörungen und gedrückter Stimmung. Zudem zeigen immer mehr Untersuchungen, dass das Coronavirus Gefäße im Körper weit über die Lunge hinaus angreift, weshalb etwa Herzbeschwerden und Herzinfarkte selbst lange nach einer Coronainfektion auftreten können.

Quelle       :        Blätter-online          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

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