DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Dokumente des Versagens

Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 13. Juni 2021

Untersuchungsausschuss zu Anis Amri

Möglicher-Terroranschlag-Berlin (24) (31636540281).jpg

Von Konrad Litschko

Gut drei Jahre lang arbeitete ein Ausschuss im Bundestag das islamistische Attentat von Anis Amri in Berlin auf. Was bleibt, sind zentrale offene Fragen.

Am Freitagvormittag sitzen Martina Renner, Irene Mihalic und Benjamin Strasser mal nicht im Bundestag, sondern in der Bundespressekonferenz gleich gegenüber. Gut drei Jahre lang hatten sie zuvor immer wieder im Saal 2.600 des Parlaments über den Fall Anis Amri getagt, zu dessen Terroranschlag 2016 in Berlin. Auf 129 Sitzungen brachte es der Untersuchungsausschuss. Nun ziehen die drei OppositionspolitikerInnen der Linken, Grünen und FDP Bilanz. Eine bittere Bilanz.

Linken-Obfrau Renner konstatiert, wie die Sicherheitsbehörden Hinweise zu dem Islamisten nicht verfolgten oder nicht weitergaben. Die Behörden hätten „überhaupt keine Idee gehabt, wie dschihadistische Netzwerke agieren“. Für die Grüne Mihalic ist völlig unverständlich, dass auch im Nachgang nicht konsequent ermittelt wurde. Bis heute blieben zu dem Anschlag daher „viele Fragen offen“. Dem schließt sich FDP-Obmann Strasser an: „Wir glauben nicht, dass diese Bundesregierung alle Steine umgedreht hat, die es umzudrehen galt. Das Aufklärungsversprechen wurde nicht eingelöst.“

Es ist ein ernüchterndes Fazit der dreijährigen Aufklärungsarbeit zu dem bisher schwersten islamistischen Anschlag in Deutschland. Am 19. Dezember 2016 war Anis Amri mit einem Lkw in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz gefahren, hatte dabei elf Menschen getötet und dutzende schwer verletzt. Zuvor hatte der Tunesier den Lkw-Fahrer erschossen. Nach der Tat flüchtete Amri und wurde vier Tage später in Italien, in einem Vorort von Mailand, von Polizisten nach einem Schusswechsel getötet.

Seit März 2018 hatte sich der Untersuchungsausschuss im Bundestag dem Anschlag gewidmet. Rund 150 Zeugen wurden vernommen, 320 Beweisanträge gestellt. Am Donnerstag traf sich der Ausschuss zu seiner vorerst letzten Sitzung, vernahm noch einmal stundenlang einen Verfassungsschützer. Und bis zuletzt arbeiteten die Fraktionen an ihrem mehr als 1.000 Seiten starken Abschlussbericht.

Behörden hätten Amri stoppen können

Der Bericht ist noch nicht öffentlich und wird erst nächste Woche offiziell verabschiedet. Er liegt der taz aber in wesentlichen Teilen vor. Und er zeigt: Die Sicherheitsbehörden hätten Anis Amri stoppen können. Wie groß ihre Fehler aber waren, darüber gibt es auch nach drei Jahren Ausschussarbeit keine Einigkeit. Während die Koalitionsfraktionen die damalige Belastung der Behörden in der Hochphase der Geflüchteteneinreisen und internationalen IS-Terrorwelle herausstellen, beklagt die Opposition bei den Stellen Untätigkeit und Fehleinschätzungen.

Klar ist, dass Anis Amri kein isolierter Einzeltäter war. Im Juli 2015 war der Tunesier über Italien nach Deutschland gekommen, bewegte sich hier in islamistischen Netzwerken. Etwa dem des Hildesheimer Predigers Abu Walaa, der als IS-Statthalter in Deutschland galt und bei dem Amri eine Privataudienz erhielt. Auch in Nordrhein-Westfalen hielt der 24-Jährige engen Kontakt zu Abu-Walaa-Vertrauten, hatte zu deren Islamschule zeitweise einen Schlüssel. In Berlin brachte es Amri bis zum Vorbeter in der radikalen Fussilet-Moschee. Und ganz am Ende stand er, via Telegram, in Kontakt mit einem libyschen IS-Mentor mit Alias „Moumou1“.

Und klar ist auch, dass die Sicherheitsbehörden zumindest die deutschen Netzwerke eng überwachten. Auf die Abu-Walaa-Gruppe hatte das Landeskriminalamt NRW einen Informanten angesetzt, der intern als VP01 firmierte. In der Fussilet-Moschee gab es einen V-Mann des Bundesamts für Verfassungsschutz. Und auch Amri selbst war früh auf dem Schirm der Behörden. Schon im November 2015 warnte die VP01, dass Amri Kalaschnikows besorgen und in Deutschland etwas „machen“ wolle. Auch danach redete Amri weiter von Waffen, plante zunächst sogar einen Anschlag aufs Berliner Gesundbrunnen-Center.

Das Berliner LKA stellte die Überwachung ein

Insgesamt 13 Mal wurde der Fall des Tunesiers darauf im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) aller Sicherheitsbehörden in Berlin besprochen – so oft wie wohl kein anderer Islamist damals. Und dennoch verloren die Behörden Amri am Ende aus den Augen. Das Berliner LKA stellte im September 2016 seine Überwachungsmaßnahmen ein, hielt ihn nur noch für einen Kriminellen, weil er Drogen verkaufte. Bis Anis Amri am 19. Dezember 2016 seinen Anschlag beging.

Police, médias et hommages au lendemain de l'attentat du marché de Noel de Berlin en 2016 17.jpg

Blah – Blah keine politische Macht (Regierung ) der Welt würde sich von einen nicht  neutralen Untersuchung – Ausschuss  die Butter vom Brot nehmen lassen. Wichtig ist nur der Sand – welcher der Öffentlichkeit in die Augen gestreut werden kann.

Die Union will erst später Bilanz zur Ausschussarbeit ziehen, die SPD aber nimmt die Sicherheitsbehörden etwas in Schutz. Zwar habe es „erhebliche Defizite bei der Fallbearbeitung“ gegeben, sagt SPD-Obmann Fritz Felgentreu. Es wäre durchaus möglich gewesen, Amri an der einen oder anderen Stelle im Vorfeld zu stoppen. „Wir haben aber weder Anzeichen für schwerwiegende Versäumnisse in den Ermittlungen gefunden, die das Geschehen nochmal in ganz anderem Licht erscheinen lassen, noch für die gezielte Vertuschung von Vorgängen.“

Grüne, FDP und Linke sehen das anders. Im Abschlussbericht schrieb die Opposition deshalb einen eigenen Bewertungsteil, nochmal rund 130 Seiten lang. Die Sicherheitsbehörden hätten Hinweise auf Amris Gefährlichkeit „teils ignoriert, teils falsch bewertet“, heißt es dort. Wichtige Ermittlungsstränge seien „konsequent vernachlässigt“, der Tunesier stets als Einzeltäter behandelt und sein Netzwerk nicht ausreichend ausgeleuchtet worden. Damit bestehe auch heute „die Gefahr eines weiteren, verheerenden Anschlags“.

Die Opposition nimmt einzig das LKA Nordrhein-Westfalen in Schutz, das Amri als erstes beobachtete und als Gefährder einstufte. Dort hatte man bis zum Schluss vor seiner Gefährlichkeit gewarnt und das BKA um eine Übernahme des Falls gebeten – ohne Erfolg. Das BKA kritisiert die Opposition dafür scharf. Dass sich die Bundesbehörde gerade im Fall des bundesweit vernetzten Top-Gefährders Amri der Verantwortung entzog und Formalien vorschob, sei „weder überzeugend noch akzeptabel“. Das BKA hätte schon von sich aus den Fall an sich ziehen müssen.

Auch den BND kritisiert die Opposition

Quelle      :         TAZ          >>>>>          weiterlesen

*********************************************************

Grafikquellen          :

Oben     —     Möglicher Terroranschlag Berlin ( Fotos: Andreas Trojak) am Montag, 19.12.2016 Am Weihnachtsmarkt bei der Gedächtniskirche. LKW rast in den Weihnachtsmarkt – 50 Verletzte – 9 Tote

**************************

Unten       —       016 Berlin Christmas market truck attack

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>