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Diese braunen Ossis ?

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 17. April 2019

Die Debatte über den Rechtsruck hängt sich gern am Osten auf.

Von Michael Suckow

Die Debatte über den Rechtsruck in der Republik hängt sich gern am Osten auf, statt ihn als Fleisch vom Fleische dieser Gesellschaft zu erkennen.

Die konservative Revolution marschiert wieder. Und sie hat eine soziale Basis. Die paar kahlgeschorenen Straßenrabauken und die HIAG-Greise von früher haben sehr viele sauber gescheitelte Nachkommen und einen parlamentarischen Arm bekommen, der im Osten im Vergleich zum Westen doppelt so viele Prozente bei Wahlen bekommt. Sind also die Ossis die Basis der Bewegung?

Revolutionen fressen ihre Kinder, heißt es. Das trifft auch auf die „friedlich“ genannte von 1989/90 zu. Erst wurden die eher links-alternativen Revoluzzer („Wir sind das Volk!“) von den nationalliberal-konservativen Deutschland- und D-Mark-Fans („Wir sind ein Volk!“) „gefressen“, dann diese von den Westbeamten, der Treuhand und den westdeutschen Konjunkturrittern. Die heroischen Illusionen der ersten, eine demokratische sozialistische DDR zu schaffen, wurden abgelöst von den heroischen Illusionen der nächsten: gleichberechtigte Teilhabe am Wohlstand der BRD durch fleißige Arbeit für harte Währung. „Es wird niemandem schlechter gehen als zuvor, dafür vielen besser.“ (Helmut Kohl am 1. Juli 1990) War das eine Revolution? Ja, allerdings eine konservative. Sie beseitigte die nicht mehr tragfähigen Verhältnisse und reinstallierte mangels realistischer progressiver Alternativen die altvorderen.

Muster, viel älter als die DDR

Wer heute als Pegida-Marschierer und AfD-Wähler revoltiert, entstammt der zweiten Generation der Wenderevolutionäre, die zwanzig Jahre lang noch mit den Mitteln des staatlichen West-Ost-Transfers ruhig gehalten werden konnten. Nach Beginn der großen Krisenkaskade 2008 aber musste sie endgültig einsehen, dass ihre gutbürgerlichen Hoffnungen von 1990 vollständig enttäuscht wurden. Und fand nun ganz nach dem alten Muster reaktionären Aufbegehrens die Sündenböcke dafür und baute sie als Feindbilder auf: Muslime, Messermigranten, Lügenpresse, Genderisten. Das ist eine Übung, die viel älter als die DDR ist. Juden, Raffkapital, Systemparteien, Systempresse, Bolschewisten hießen die vormaligen Angstgegner.

Die dialektisch-historische Allgemeinbildung aus DDR-Zeit, so schematisch und doktrinär sie auch vermittelt wurde, war als Übung im Denken eine ganz gute Abwehr gegen die plattesten demagogischen Verdrehungen. Sie ist aber den Leuten 25 Jahre lang als dumme Propaganda bezeichnet und ausgetrieben worden. Die dialektische Denkfähigkeit, die 1989 ja auch zur politischen Handlungsfähigkeit zumindest der ersten Riege von Wenderevoluzzern beigetragen hatte, ist weg. Was blieb, ist Dumpfheit. Die Leute in Dresden und Chemnitz sind, so gesehen, heutzutage nicht immer noch zu sehr „Ossis“ – sondern eher zu wenig.

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Populismus

Das Bild vom „braunen“ Osten sei so falsch wie das von den sexistischen und antisemitischen Muslimen, sagt Naika Foroutan, die jüngst eine vergleichende Studie zu den gängigen Vorstellungen von den Ostdeutschen und den muslimischen Migranten in Deutschland veröffentlichte. Dieser an sich richtigen Feststellung einfach zuzustimmen und sich sonst nur zu freuen, das einem mal jemand die Wange tätschelt, statt dauernd auf einem rumzuhacken, bestätigte aber prinzipiell die landsmannschaftliche Sicht der Probleme.

Schlichtester Kulturalismus

Quelle     :         Der Freitag       >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen         :

Oben        —          Kunststoff-Kothaufen

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Unten           —             Oxfordian Kissuth / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

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