DIE * WOCHE
Erstellt von Redaktion am Montag 25. Juli 2022
Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Kolumne von Friedrich Küppersbusch
Mars statt Klimakrise, Bürgergeld, Vatikanreformen: Die FDP wittert beim „Bürgergeld“ spätrömische Dekadenz. Der türkische Präsident Erdogan vermittelt beim Weizendeal zwischen Ukraine und Russland und der Vatikan sträubt sich gegen Reformen. „Huch! Die Uno!“
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Grüne Ministerien stresstesten Atomkraft.
Und was wird besser in dieser?
Atomkraft stresstestet Grüne.
In Europa wurden letzte Woche stellenweise 40 Grad und mehr gemessen. Sollten wir die letzten Tonnen CO2-Budget besser in die Investition für extraterrestrisches Leben stecken oder kriegen wir noch die Kurve?
Mars macht debil, bei Arbeit, Sport und Spiel: Ungeschützt der Weltraumstrahlung ausgesetzt, kommt man da oben, mit Glück noch lebend, schwer krebskrank an. Und verthermomixt sich dann zwischen plus 20 und minus 120 Grad – jeden Tag. Elon Musks Pläne, in wenigen Jahren dorthin zu fliegen, gewännen an Strahlkraft, wenn er selbst mitflöge. Esa und Roskosmos haben ihre Verlobung auf eine unbemenschte Marsmission aus aktuellem Anlass gerade gelöst. Wumpe! Die Herausforderung, unter lebensfeindlichen Bedingungen einen Homo post-weltuntergangis zu züchten, stellt sich womöglich preiswerter – hier, auf der Erde.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wird einen Gesetzesentwurf zur Anhebung der Regelsätze von Leistungsbeziehenden vorlegen und der Koalitionspartner FDP beschwert sich. Zu Recht?
Heil Praktiker! Der Koalitionsvertrag sieht weniger Abzüge für Minijobber vor und Weiterbildung statt Zwang zum Doofmannjob. So entstünde zweierlei: Eine „Working Poor“-Klasse, also Leute, die mit Staatsknete und Hungerlohn gerade so durchkommen. Und eine Fachkräftearmee, die wie gut gelaunte Zombies aus dem Morast der Chancenlosigkeit zu Codern, Mechatronikerinnen und Wärmepumpenexperten aufsteigt. So weit, so Ampel, da ist für jeden was dabei. Heil will die Gelegenheit auch nutzen, seine Partei vom Fluch des Hartz zu befreien: Sein „Bürgergeld“ soll nicht nur höher ausfallen, sondern auch komplett anders berechnet werden. Da wittert die FDP spätrömische Dekadenz und hat sich im Zeitalter von „Sondervermögen“ und Coronapaketen eine originelle Pointe zurechtgelegt: Heils Plan könnte Milliarden kosten. Kompromiss: Arbeitslose basteln in ihrer reichlichen Freizeit Flugabwehrpanzer. Fertig. Fragt mich doch.
Eine beträchtliche Menge ukrainisches Getreide soll freigegeben werden. Erdoğan schuf den Rahmen für eine Exportvereinbarung zwischen Kiew und Moskau. Welche eigenen Interessen verwirklicht die türkische Regierung mit ihrer Vermittlerrolle?
Erdoğan hält den Europäern die Flüchtlinge vom Hals, vermittelt in Syrien, gestattet huldvoll eine Nato-Erweiterung und onkelt die kriegerischen Nachbarn zum Getreidedeal.
Ob er beim Rasieren morgens dem Spiegel sagt: „Huch! Die Uno!“, weiß man nicht, vielleicht sagt sein Barbier das für ihn. So verdient er viel Geld, gewinnt Einfluss in der Region, drischt mit freier Hand auf die Kurden ein, rabuliert um Zypern herum und würde vermutlich auch die Fußball-EM gewinnen, wenn er dazu Zeit hätte. Kurz: Wer ganz dringend nicht verhandeln will, wie die deutsche Außenministerin, kann sich hier angucken, wer’s stattdessen tut. Erdoğan wäre blöd, wenn nicht.
Putin und Erdoğan haben dem iranischen Präsidenten Raisi einen Besuch in Teheran abgestattet. Den Dreiergipfel nennen sie den „Astana-Friedensprozess“ für Syrien. Sorgen russische Truppen und Kampfflugzeuge jetzt für Frieden in Syrien?
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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