DIE * WOCHE
Erstellt von Redaktion am Montag 21. März 2022
Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Kolumne von Friedrich Küppersbusch
Corona, Ukrainekrieg, Außenministerin. Ein würdeloser Bundestag. Rassismus bei der Flüchtlingsaufnahme und Laienprediger. – Polen hat Menschen aus der Ukraine aufgenommen, baut aber einen Zaun gegen andere Geflüchtete. Baerbock ist laut einem Ranking die beliebteste Politikerin.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Wir lenken uns mit Corona von Ukraine ab.
Und was wird besser in dieser?
Oder umgekehrt.
Standing Ovations für Ukraines Präsident Wolodimir Selenski im Deutschen Bundestag. In seiner Rede richtet er sich auch direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz. Dieser lässt den Appell unerwidert, danach geht’s direkt weiter mit der Tagesordnung. Debattiert wurde nicht der Krieg oder Deutschlands Verantwortung, sondern die Impfpflicht. Ein absurd klares Symbolbild für die Politik der Ampelkoalition?
Diese kleine Peinlichkeit ist nur mit einer großen zu beantworten. Es ist ein schmutziger Job, ich mach’s. Also. In einigen Jahren mit Toten, Zerstörungen und Katastrophen werden wir uns im ernüchterten Rückblick als Teil einer neuen, asymmetrischen Kriegsführung sehen. Präsident Selenski schaltet sich durch die Parlamente der Welt. In dem Regal, in dem er die feldgrünen Shirts findet, lägen auch Herrenoberhemden und Krawatten. Egal. Seine Reden heben bei historischen Berührungen an, führen von dort zu Ansprüchen, Klagen über nicht erfüllte Forderungen und münden in weitere, neue.
Der verbrecherische Krieg des russischen Regimes zielt auf Demoralisierung – Selenskis Strategie auf Moralisierung. Sein Publikum, unter Schock wie er, hütet sich darob, kleingeistige, kaltherzige Betrachtungen zu erwidern: Argumente, Abwägungen, Verstand. Es ist ein emotionaler Entwaffnungsschlag. Der Bundestag hätte natürlich gut daran getan, das erst wegzuatmen, bevor er „zur Tagesordnung übergeht“. Auf der stünden dann Argumente, Abwägungen, Verstand.
Die Ministerpräsident-innen wollen die in Deutschland ankommenden Geflüchteten aus der Ukraine schneller registrieren und besser verteilen. Warum wird man das Gefühl nicht los, dass mit diesen Geflüchteten so vieles reibungsloser und ohne große gesellschaftliche Grundsatzdebatten verläuft als noch mit denen, die 2015 kamen?
Ihr Lauser! Das sind insgeheim zwei Fragen. Erstens: 2015 zerfiel Merkels „Wir schaffen das“ in „Ich rede, ihr macht“. Also die politische Vorgabe der Kanzlerin, Flüchtlinge aufzunehmen, und die Arbeit vieler beruflicher und noch mehr ehrenamtlicher Helfer, die „es dann schafften“. Diesmal sind die ausführenden Strukturen, vor allem das eingeölte Engagement der Zivilgesellschaft, austrainiert am Start.
Zweitens: gediegener Rassismus, dem der europäische Ukrainer doch näher scheint als der muslimische Syrer. Wird derzeit uneinholbar von Polen getoppt. Das kleinere, wirtschaftlich schwächere Nachbarland hat bereits 1,9 Millionen Ukraine-Flüchtende aufgenommen, aber noch Geld über, um einen Zaun gegen ein paar Dutzend belarussische Schleuslinge zu bauen. Daran ist nun tunlichst nicht zu rühren, entsprechend großzügig schauen wir auf uns selbst.
Papst Franziskus nennt den Krieg – gemeint ist höchstwahrscheinlich der in der Ukraine – einen „perversen Machtmissbrauch“. Warum klingt diese Aussage so zynisch, wenn sie aus seinem Mund kommt?
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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