Die Ukraine-Invasion
Erstellt von Redaktion am Sonntag 27. Februar 2022
Putins globale Rechte demaskiert sich selbst
Frankfurt am Main, November 2014.
Eine Kolumne von Christian Stöcker
Von rechten Kommentatoren in Europa und den USA wird Wladimir Putin als Held gefeiert – oder zumindest als erfrischender Gegenentwurf zum vermeintlich verweichlichten Westen. Damit muss endlich Schluss sein.
Große Krisen erzeugen in der Regel ja auch große Klarheit. Es wird plötzlich sichtbar und trennscharf, was vorher womöglich noch nicht so gut erkennbar war. Wichtig und unwichtig, falsch und richtig treten auf einmal klar hervor. Was Wladimir Putins Angriffskrieg in der Ukraine klar hervortreten lässt, ist zweierlei.
- Die erste Erkenntnis: Alle, die seit vielen Jahren sagen, dass der Mann ein unberechenbarer, soziopathischer Egomane ist, der Verhandlungen als Show aufführt, lügt, betrügt, manipuliert und bei Bedarf tötet, hatten recht. Emmanuel Macron und Olaf Scholz zum Beispiel dürften die Tatsache, dass Putin ihnen noch kurz vor Kriegsbeginn über diesen Tisch, der damals noch fast erheiternd wirkte, kalt lächelnd ins Gesicht gelogen hat, wohl nicht vergessen.
- Die zweite Erkenntnis: Es gibt eine neue Lagerbildung, global, real, hochgefährlich und spätestens jetzt wirklich nicht mehr zu ignorieren. Die neuen Lager lassen sich nicht mehr in Himmelsrichtungen unterteilen. Sie sind trotzdem real, und die Anhänger des einen Lagers, das ich hier vergangene Woche schon einmal rechte Internationale genannt habe, kennen keinerlei Skrupel, keine Werte, keine Traditionen und keine Scham.
Drei Sorten von Putin-Fans
Es gibt auch eine nicht zu vernachlässigende Zahl an Linksradikalen und -extremen, die Wladimir Putin, aus welchen Gründen auch immer, weiterhin die Treue halten. Sahra Wagenknechts Äußerungen noch nach dem Angriff auf die Ukraine sind eine Schande für die Linke. Und es gibt völlig ideologiefrei, rein opportunistisch und selbstsüchtig agierende Putin-Fans. Gerhard Schröder ist eine Schande für die SPD.
Die zahlreichsten und gefährlichsten Putin-Fans aber gehören eben jener rechten Internationalen an. So wie Donald Trumps ehemaliger Wahlkampfberater Stephen Bannon und der frühere Blackwater-Söldnerchef Eric Prince, die sich kürzlich öffentlich und sehr wohlwollend darüber unterhielten, dass Putin »nicht woke« sei, sondern »Anti-woke«. Prince ergänzte: »Die Russen wissen noch, auf welche Toilette sie gehen sollen.« Ausbuchstabiert: Der Mann, dessen Militär gerade in der Ukraine Menschen tötet, ist ein cooler Bursche, weil er schwule, lesbische und Transmenschen genauso hasst wie wir. Putin ist einer von uns.
Die Talking Points der Trumpisten
Bei Fox News trug der Fernsehpropagandist Tucker Carlson einen bizarren Monolog vor, dessen zentrale Behauptung war, eine große Menge Amerikaner befolgten brav eine »Direktive«, derzufolge sie »verpflichtet« seien, »Wladimir Putin zu hassen«. Amerikaner sollten sich fragen, »warum hasse ich Putin so sehr? Hat Putin mich jemals ›Rassist‹ genannt?« Es folgte eine ganze Batterie ähnlich gelagerter rhetorischer Fragen über Putin, in der alle Trumpisten-Talking-Points gegen die vermeintliche Unterdrückung von links auftauchten, einschließlich dieser: »Hat er eine weltweite Pandemie hergestellt, die mein Geschäft ruiniert und mich zwei Jahre lang gezwungen hat, mich drinnen aufzuhalten?«
Das seien alles relevante Fragen, so Carlson und die Antwort auf alle sei: »Nein.« Putins Propagandisten gefiel das so gut, dass der Kremlsender RT Carlsons Monolog – untertitelt – ins eigene Programm aufnahm. Der Schulterschluss ist jetzt perfekt.
Ebenfalls bei Fox News unterhielt sich Donald Trump selbst, der Putin kurz zuvor noch »genial« genannt hatte, mit Carlsons Propagandakollegin Laura Ingraham, und beide waren sich einig, wer schuld sei am russischen Angriffskrieg: Joe Biden und seine »Schwäche«. Trump verstieg sich sogar zu einem Verweis auf die große Lüge, mit der er seit der verlorenen Wahl hausieren geht: »Und all das wegen einer manipulierten Wahl.«
Die Position, dass Putins Angriffskrieg vor allem auf »die Schwäche« der jeweils eigenen Regierung zurückzuführen sei, findet man übrigens auch in »konservativen« deutschen Medien. Ältere deutsche Herren, weit weg von der Front, finden Putin irgendwie aufregend tatkräftig.
Brechreizerregend
Das Webportal Media Matters, das die Propagandabemühungen von Verschwörungstheoretikern, Republikanern und anderen im Auge behält, publizierte eine entlarvende Collage diverser Akteure aus dem rechten Medienspektrum der USA: Links verdammen Tucker Carlson, Steve Bannon, Alex »Infowars« Jones und Donald Trump persönlich Kanadas demokratisch gewählten Premierminister Justin Trudeau für dessen Vorgehen gegen die Truckerblockade von Ottawa, Bannon spricht von »Springerstiefeln« und »Gestapo«. Rechts preisen die gleichen Männer Wladimir Putin als Helden der Wahrheit, Härte und Vaterlandsliebe. Es ist brechreizerregend.
Die Begeisterung für Putin von rechts beschränkt sich aber nicht auf den amerikanischen Kontinent. An dem Tag, an dem Russland in der Ukraine einmarschierte, erschien in der Schweizer »Weltwoche« ein Text von Roger Köppel, Chefredakteur und gleichzeitig Mitglied des Schweizer Nationalrats. Auch für Köppel ist Putin ein leuchtendes Vorbild, und zwar deshalb, weil er »eine wandelnde Kriegserklärung an den Zeitgeist«, sei, »an die ›Woke-‹ und ›Cancel-Culture‹, der unsere Intellektuellen und viele unserer Politiker so inbrünstig huldigen.« Putin, findet Köppel, »entlarvt den hohlen Moralismus seiner Gegner«. Als der Text erschien, fielen in der Ukraine bereits die Bomben.
Glasklar dokumentierte Unterstützung für Rechtsextrem
Die Putin schwärmerische Tirade gegen die »woken« im Westen wurde zweifellos nicht unter dem Eindruck des Einmarsches geschrieben, sondern davor, aber das macht ihn nicht besser. All den Putin-Apologeten, die immer wieder wie besessen von der nur von ihnen selbst wahrgenommenen Bedrohung der »Freiheit« durch Gendersternchen und »woke« Kultur schwadronieren, war die ganze Zeit klar, wes Geistes Kind Putin ist. Es hätte auch jedem anderen klar sein können, denn dass Putins Russland rechtsextreme und rechte Bewegungen, Parteien und Organisationen weltweit hofiert und unterstützt, ist seit vielen Jahren glasklar dokumentiert.
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Frankfurt am Main, November 2014. Anti-Putin-Demonstration.
Ziko van Dijk – Eigenes Werk
- CC BY-SA 4,0
- Datei:2014-11 ffm 20.JPG
- Erstellt: 15. November 2014
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Unten — Christian Stöcker (2017)
re:publica – YouTube: re:publica 2017 – Etwas Empirie: Was wir wirklich über Filterblasen, Fake-News … – Archivierte Versionen ansehen/speichern auf archive.org und archive.today
- CC BY-SA 3.0 de
- File:Christian Stöcker – re-publica 2017.jpg
- Erstellt: 17. Mai 2017
Erstellt am Sonntag 27. Februar 2022 um 12:13 und abgelegt unter Asien, International, Kriegspolitik, Kriminelles. Kommentare zu diesen Eintrag im RSS 2.0 Feed. Sie können zum Ende springen und ein Kommentar hinterlassen. Pingen ist im Augenblick nicht erlaubt.