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Die Stuttgarter Rechnung

Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 27. August 2017

Am Ende zahle ja eh das Jobcenter,

Von Minh Schredle

Für nur 4,5 Quadratmeter Wohnfläche knapp 400 Euro im Monat zu verlangen, ist selbst für Stuttgarter Verhältnisse bodenloser Wucher. Diesen Betrag aber will die Stadtverwaltung ab September von Geflüchteten. Am Ende zahle ja eh das Jobcenter, argumentiert der grüne Sozialbürgermeister Werner Wölfle.

In Deutschland sind die Mietpreise im vergangenen Jahr um 4,4 Prozent gestiegen. In Stuttgarter Flüchtlingsunterkünften verdreifachen sich die Nutzungsgebühren über Nacht. Das entschied der Stuttgarter Gemeinderat, nach mehreren nicht-öffentlichen Vorberatungen, kürzlich bei vier Gegenstimmen der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus. Weit hinten auf der Tagesordnung, kurz vor der Sommerpause, wurde das Ganze ohne größere Debatte abgehandelt.

Ab 1. September 2017 zahlt ein Geflüchteter statt bisher knapp 120 Euro pro Platz für 4,5 Quadratmeter Wohn- und Schlaffläche 390 Euro und für sieben Quadratmeter stolze 606 Euro im Monat. Die Stadt kalkuliert dabei pro Quadratmeter mit 31,37 Euro Kaltmiete für die Unterkunft, das ist beinahe das Dreifache des Stuttgarter Schnitts. Dazu kommen 47,65 Euro für Betriebs- und sonstige Nebenkosten. Würde man das auf eine 70 Quadratmeter große Privatwohnung anwenden, entspräche das 3360 Euro im Monat. Außerdem werden 7,61 Euro für Personalkosten angerechnet. Ein Zuckerle: Dabei verzichte man sogar darauf, die Kosten für die Überwachung der Einrichtungen auf deren Bewohner umzulegen.

Die Stadt, sagt Sozialbürgermeister Werner Wölfle, mache dabei keinen Gewinn, die Kosten für den Betrieb der Einrichtungen würden auch nach der Erhöhung nur zu gut 89 Prozent gedeckt. Dabei halte man sich an die Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes. Wie es allerdings dazu kommt, dass die Unterkunft in den städtischen Einrichtungen so viel teurer ausfällt als auf dem Wohnungsmarkt, kann die Pressestelle der Stadt auf Anfrage nicht schlüssig beantworten. Zwar betont sie mehrfach, eine Nutzungsgebühr sei nicht mit einer Miete zu vergleichen. Warum das allerdings so ist beziehungsweise was genau die immensen Mehrkosten verursacht, konnte der Redaktion trotz mehrfacher Rückfragen bislang niemand erklären.

Dass die Gebühren indes für den Großteil der Geflüchteten nicht durch das eigene Einkommen gestemmt werden können, scheint in der Entscheidungsfindung keine Rolle gespielt zu haben. Denn: Die meisten von ihnen würden, sagt Wölfle, ohnehin kein eigenes Einkommen beziehen; somit kämen Bund und Land für die Kosten auf. Die höheren Zuwendungen für die Stadtkasse entsprächen dabei höheren Zuschüssen, die an anderer Stelle für Integrationsmaßnahmen aufgewendet werden könnten. Nach dem „Stuttgarter Weg“ bei der Flüchtlingsunterbringung kommt nun die „Stuttgarter Rechnung“. Circa 5,8 Millionen Euro spart die Landeshauptstadt damit in den kommenden beiden Jahren. Für den kommunalen Haushalt ist das eine Entlastung – Restdeutschland zahlt drauf.

800 hypothetische Fälle sind ganz real

Quelle   :   KONTEXT – Wochenzeitung   >>>>>   weiterlesen

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Grafikquellen    :

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