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Die steile These

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 4. November 2020

Nur der Winterschlaf besiegt Corona

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Von Christina Spitzmüller

Pipi machen, Zähne putzen, ab ins Bett – und zwar für mehrere Monate. Warum wir dringend einen kollektiven Winterschlaf brauchen.

Deutschland ist müde. Seit mehr als einem halben Jahr schränkt das Land sich ein – mal mehr, mal weniger, aber ab jetzt voraussichtlich wieder sehr viel mehr. Denn der Herbst ist da, und mit ihm steigende Infektionszahlen und sinkende Temperaturen.

Treffen an der frischen Luft ohne Maske (mit nicht ganz so viel Sicherheitsabstand, aber viel Sicherheitsgefühl) sind passé. Und dick eingepackt sind coronakonforme Spabiergänge (sic!), Picknicks im Park und Gartenpartys nicht dasselbe wie damals im Sommer, als es sich fast ein bisschen anfühlte, als sei vielleicht doch alles gar nicht so schlimm.

Die Zeit zu Hause mit wenig bis keinen physischen Kontakten wird deutlich länger dauern als beim ersten Mal, als der Frühling vor der Tür stand und Hoffnung machte auf unbeschwertere, körperlich nähere Zeiten. So etwas kann der Winter nicht versprechen. Die Angst vor oder die Realität mit der Einsamkeit ist für viele greifbar, Sorgen werden größer. Dass ab dem kommenden Jahr wieder eine sogenannte Normalität einkehrt, daran glaubt kaum noch wer. Und dass ab der Impfstoffzulassung alles, schwupps, vorbei ist, hat uns Drosten längst ausgeredet.

Um die nächsten Monate zu überstehen, gibt es nur eine Lösung: Wir brauchen einen kollektiven Winterschlaf. Das Leben vier bis sechs Monate komplett runterfahren, eingemummelt in eine Decke, mit Zeit für das, wovon wir alle die letzten Jahre durchgehend zu wenig hatten: Schlaf. Es braucht ein bisschen Vorbereitung, ja. Aber wer jetzt keine Höhle baut, baut sich keine mehr – also schnell noch das Seitenschläferkissen bestellen, das abgerockte Lieblingskuscheltier vom Speicher holen und entstauben und dann geht’s los: Pipi machen, Zähne putzen, ab ins Bett.

Kein böses Erwachen

In der Tierwelt ist der Winterschlaf vor allem als Torpor bekannt, lateinisch für Erstarrung oder Betäubung. Die Tiere fahren ihren kompletten Stoffwechsel runter, verharren lethargisch und steif, um Perioden mit wenig Nahrung zu überbrücken. Das ist übrigens nicht an die Außentemperatur gebunden, sondern vor allem an die Verfügbarkeit von Energiequellen.

Erstarrung und Betäubung beschreiben zwar ganz gut den vorherrschenden Zustand der letzten Monate, aber beim menschlichen Winterschlaf geht es eben nicht darum, Energie zu sparen, sondern darum, Energie zu sammeln. Wir werden sie brauchen im kommenden Sommer, in den zwei gepackt werden müssen.

Klar, Wachphasen kann und muss es zwischendurch geben. Kurz ’ne Stulle reinfahren, was trinken, einen Abstecher ins Bad machen. Damit es vor der kollektiven Langzeitschlafphase keinen überwältigenden Run auf die Supermärkte gibt, könnte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Carepakete packen, die süße Träume versprechen: genügend Konserven, Schlaftee und Ohropax.

Und natürlich müssten wie auch sonst ein paar systemrelevante Menschen dafür sorgen, dass es kein böses Erwachen gibt, und sich um medizinische Notfälle, Wasser- und Stromversorgung kümmern. Aber wer Schichtarbeit gewohnt ist, kann auch auf Schichtschlaf umswitchen – und Menschen mit Insomnia gibt es ja (leider) genug: 80 Prozent der Arbeitnehmer:innen schlafen schlecht, zeigte der DAK-Gesundheitsreport vor ein paar Jahren.

Einfach mal miteinanders ins Bett gehen

In den letzten Monaten gab es erst recht wenig Zeit und Ruhe für guten Schlaf: Die einen hatten Coronasorgen, standen vor den Trümmern ihrer Existenz oder mussten Kita, Schule und Spielkamerad:innen gleichzeitig ersetzen. Die anderen mussten ihre Hochzeit von Woche zu Woche verschieben, sich auf Urlaub in Deutschland umstellen oder das Leben aufholen, das sie zwei Monate lang meinten verpasst zu haben.

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Das ist fatal. Wie viele Trennungen hätten verhindert werden können, wären die Beteiligten einfach mal miteinander ins Bett gegangen – nicht um mit-, sondern nebeneinander zu schlafen? Wie viele Menschen wären bessere Eltern, kämen sie regelmäßig auf das empfohlene Schlafpensum von sieben bis neun Stunden? Wie viele Chef:innen wären weniger cholerisch, lägen sie mehr als fünf Stunden pro Nacht in einem Bett?

Ein kollektiver Winterschlaf hätte viele Vorteile: Über den Familienstreit an Weihnachten würde eine Daunendecke des Schweigens gelegt, die gefürchtete Winterdepression einfach verpennt. Und sogar die Wirtschaft würde boomen.

Quelle       :        TAZ          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen     :

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