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Die Schönwetter-Kanzlerin

Erstellt von Redaktion am Freitag 20. September 2019

Was ist da schiefgelaufen?

"Tempo machen beim Kohleausstieg!" Demonstration Berlin 01-12-2018 04.jpg

Wie konnte das passieren fragt der Autor dieses Artikel? Die Antwort darauf ist einfach. Frau/Mann lernt etwas, was aber nicht verstanden wird. Oder aber – die Dankbarkeit macht Frau zur Sklavin ihrer Partei, welche sie aufgestellt und dann auch wählen ließ. Von den Delegierten, waren es nun eintausend oder ein paar mehr oder weniger, unwichtig da nur ein winziger Teil des Volkes.  Alle anderen wählten die Partei welche auch der größte und einzige Arbeitgeber dieser Delegierten ist. Das Ganze nennt man das Deutsche „Werte System“.

Von Bernhard Pötterm

Seit 14 Jahren regiert eine Klimaschützerin das Land. Trotzdem werden alle Ziele zur CO2-Reduktion verfehlt. Was ist da schiefgelaufen?

Als das Wort „Klimakanzlerin“ fällt, verzieht Angela Merkel amüsiert und leicht genervt die Schnute. Zehn Tage vor der Bundestagswahl 2017 beantwortet sie live im ZDF-Studio Fragen der Zuschauer. Als nach 40 Minuten die üblichen Themen durch sind – mehr Polizei, Grundrente, Migration –, fragt eine junge Frau mit blauer Bluse und Hornbrille nach den Klimazielen. Merkel meint, dass Deutschland da „Vorreiter in der EU“ sei. Und als die junge Frau nachbohrt, sagt die Kanzlerin: „Wir werden Wege finden, wie wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel einhalten. Das verspreche ich Ihnen.“

Ob Merkel das an diesem 14. September 2017 wirklich glaubt, ist unklar. Aber die Situation zeigt, wie Merkel mit der „Menschheitsherausforderung, die unsere Verantwortung ist“ (Merkel über die Erderhitzung) umgeht: Sie kennt alle Details, aber andere Themen sind wichtiger. Im Wahlkampf kommt es nicht vor. Und: Angela Merkel kann mit dem Titel „Klimakanzlerin“ nichts anfangen. Zu Recht.

Denn Merkel macht Versprechungen, die sie nicht halten kann. Ein halbes Jahr nach diesem Abend kassiert Merkels viertes Kabinett offiziell das 40-Prozent-Ziel für 2020, das Merkel 2007 ausgerufen hat. Und nicht nur das: Kaum eines der deutschen Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele wird erreicht. Und bei den CO2-Vorgaben für Gebäude und Autos werden die EU-Ziele so weit verfehlt, dass die Regierung wahrscheinlich bald Milliarden für CO2-Lizenzen zahlen muss.

Wie konnte das passieren? Angela Merkel ist als Klimakanzlerin die Idealbesetzung. Als Physikerin versteht sie das Thema und seine Dringlichkeit so gut wie kaum ein Politiker. Schon als Umweltministerin hat sie den Klimaschutz geprägt – und der Klimaschutz sie. Sie führt eines der reichsten und innovativsten Länder der Erde, in dem Umweltschutz populär ist. Und sie ist seit 14 Jahren Kanzlerin. Lange genug, um echte Veränderungen durchzudrücken.

Aber auch lange genug, dass ihre alten Versprechen sie inzwischen einholen. Denn zum Ende ihrer Amtszeit zeigt sich: Merkel ist mit Elan gestartet, aber dann nicht am Ball geblieben. Gutes Klima war oft nur ein Thema für schönes Wetter. Als Angela Merkel die Macht hatte, ernsthaften Klimaschutz durchzusetzen, fehlte ihr dazu der Mut. Jetzt, wo sie diesen Mut wiedergefunden hat, könnte ihr die Macht fehlen.

Viele Gespräche mit Beamten, Freunden und Gegnern der Kanzlerin, mit Regierungsmitarbeitern, Beobachtern und Lobbyisten zeigen, wie eine ehrgeizige Klimapolitikerin trotz günstiger Umstände scheitert. Praktisch alle Gesprächspartner loben Merkels scharfen Verstand, ihr Detailwissen, das Fehlen von Eitelkeit und ihr Interesse an Lösungen. Wer allerdings die klimapolitische Fieberkurve der Merkel-Jahre nachzeichnet, bemerkt, wie umkämpft das Thema ist, wie stark andere Probleme bisweilen in den Vordergrund drängen. Aber auch, wie begrenzt selbst die Macht einer Kanzlerin ist – und wie schlecht Merkels Regierungsstil auf eine Krise wie die Erderhitzung zugeschnitten ist.

Der CO2-Fußabdruck der Kanzlerin ist desaströs: Im vergangenen Jahr saß Merkel in elf Monaten 81 Mal im Flugzeug. Sie flog 325.257 Kilometer. Das ergibt schätzungsweise eine Klimabelastung von etwa 300 Tonnen CO2 – 30 Mal so viel wie der deutsche Durchschnitt. Aber hier geht es um ihre politische Klimabilanz.

14 Jahre Merkel: „Viel mehr war nicht drin“, nimmt sie einer ihrer größten Unterstützer und langjähriger Berater, der Klimaexperte Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), in Schutz. Greenpeace dagegen findet ihre Bilanz „mangelhaft“. Merkel selbst meint: „Schluss mit Pillepalle.“ Die Kanzlerin, sagt ihr Umfeld, ist auch selbst nicht zufrieden.

Ihre Amtszeit begann – mit einem verpassten Klimaziel. 2005 erreicht Deutschland nicht die CO2-Reduktion von 25 Prozent, die Bundeskanzler Helmut Kohl und seine Umweltministerin Merkel 1995 versprochen hatten. Aber 2007 wird das Klimajahr. In ihrer ersten GroKo ist die SPD fast auf Augenhöhe, deren Umweltminister Sigmar Gabriel will sich mit ökologischer Industriepolitik als Mann der Zukunft präsentieren. Der Mainstream ist öko: 2007 legt der Weltklimarat einen erschütternden Bericht vor und bekommt den Friedensnobelpreis, im Kino läuft Al Gores Film „Unbequeme Wahrheit“. Deutschland marschiert vorneweg: Das Kabinett verabschiedet das „Integrierte Energie- und Klimaprogramm“ (IEKP) mit 29 Maßnahmen, die mit viel Geld Ökostrom fördern, die Kfz-Steuer auf CO2-Ausstoß umstellen, Energiesparen verordnen, Gebäude sanieren und Forschung anstoßen. Merkel drückt bei dem G8-Gipfel in Heiligendamm das „2-Grad-Ziel“ beim Klima durch. In Brüssel drängt sie als EU-Ratspräsidentin die Europäer zu einem ambitionierten Klimaziel bis 2020. Kanzlerin und Umweltminister ziehen rote Outdoor-Jacken an und besuchen vor den Augen von TV-Kameras die tauenden Gletscher von Grönland. Merkel ist jetzt Klimakanzlerin.

Statt dem Kampf gegen die Heißzeit folgt dann allerdings die kalte Dusche. Am 15. September 2008 kollabiert die US-Bank Lehman Brothers und kurz danach die Weltwirtschaft. Von da ab ist praktisch permanent Alarmstimmung: Wirtschaftskrise, Eurokrise, 2009 scheitert der Klimagipfel von Kopenhagen. Die Krisen gehen weiter: Griechenland, Ukraine, ab 2015 Flüchtlingskrise. Merkel steuert ihr Land durch diese Turbulenzen: Vorsichtig, sie sucht den kleinsten gemeinsamen Nenner, nimmt meistens alle mit – und riskiert wenig.

Die Klimakrise dagegen eskaliert still und leise im Hintergrund. Um ihr zu begegnen, reicht es aber nicht, zu reagieren, zu warten, nichts zu wagen. Merkel müsste überzeugen, drängen, vorangehen, mitreißen, sagen viele. „Der Regierungsapparat war auf diese Krise nicht eingestellt“, sagt einer ihrer Berater. Und Merkel fordert das nicht ein. Klimaschutz gilt als Steckenpferd des Umweltministers. „Alle anderen Ressorts sagten: Macht mal schön!“, erinnert sich dort ein Beamter. Ein „Klimakabinett“, in dem auch die Minister für Wirtschaft, Verkehr und Bauen Verantwortung tragen, richtet Merkel erst im 14. Jahr ihrer Amtszeit ein.

'The Scream', undated drawing Edvard Munch, Bergen Kunstmuseum.JPG

Der Schrei und viele Hände

2011 nutzt Merkel eine akute Krise für einen grünen Schwenk: Nach der Atomkatastrophe von Fukushima und der Wahlkatastrophe von Stuttgart, wo die CDU das Schaffer-Ländle ausgerechnet an die Grünen verliert, ruft sie die „Energiewende“ aus. Doch in ihrer schwarz-gelben Koalition ist die Rückkehr zum alten Atomausstieg von Rot-Grün höchst unpopulär. Die Koalition streitet um die steigenden Kosten für die Öko-Energien, verschleppt die dringende Reform des Emissionshandels und ignoriert die Emissionen aus Verkehr und Gebäuden. Noch 2011 jubelt CDU-Umweltminister Norbert Röttgen, das 40-Prozent-Ziel sei „in greifbare Nähe gerückt“ und „ohne große Schwierigkeiten“ zu schaffen. Doch schon damals sinken die deutschen Emissionen nicht mehr, und sie werden es bis 2018 kaum tun.

„2013 war eine gute Chance, beim Klimaschutz voranzukommen“, sagt einer, der an vielen Entscheidungen eng beteiligt war. Aber daraus wird nichts. Die SPD stellt in der zweiten Groko die Kohle unter Artenschutz und schickt ihren Parteichef Sigmar Gabriel ins Wirtschaftsministerium. Der scheitert an den Gewerkschaften beim Versuch, die Kohle mit einer „Klimaabgabe“ aus dem Markt zu drängen. Fortan macht er nur noch seiner Parteifreundin Barbara Hendricks im Umweltministerium das Leben schwer.

Quelle        :        TAZ          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen         :

Oben     —        Demonstration für einen schnelle Kohleausstieg am 1.12.2018 in Berlin, zwei Tage vor Beginn der Klimakonferenz in Kattowice (Polen). Greenpeace-Poster „Sonne statt Kohle!“ vor symbolischer Treibhausgasfahne aus Kühltürmen von Kohlekraftwerk die über den Globus zieht, vermutlich mit der früher mal Klimakanzlerin genannten Angela Merkel im globalen Dunst als Kritik an den hohen Emissionen von CO2 auch aus dem Industriestaat Deutschland.

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Unten      —          The Scream, undated drawing Edvard Munch, Bergen Kunstmuseum

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