Die Musik des Widerstands
Erstellt von Gast-Autor am Freitag 15. August 2014
Ken Loachs Film „Jimmy’s Hall“
Autor: Hans-Günther Dicks
Datum: 13. August 2014
Er ist inzwischen 78, und sein Name fällt immer als erster, wenn man nach einem explizit politischen Filmemacher fragt: Ken Loach, geboren 1936 in Nuneaton, Warwickshire, England. Seine Filme wurden zuerst oft zensiert, später vielfach mit Preisen überhäuft, doch weder Tadel noch Lob haben ihn von seinem beharrlichen Weg als sozial engagierter Künstler und bekennender Trotzkist abbringen oder gar nach Hollywood locken können. Ob er im eigenen Land den sozialen Errungenschaften der Attlee-Regierung nach 1945 nachtrauert („The Spirit of `45“) oder den katastrophalen Folgen des Thatcherismus nachgeht („Riff Raff“ u.a.), ob seine Heldenfiguren in Spanien 1936 gegen Francos Putsch („Land and Freedom“) kämpfen oder in „Carla´s Song“ in den Reihen der Sandinistas in Nicaragua – immer sind sie Helden ohne Gloriole, einfache Menschen aus dem Volk, die ihr hartes Los lange ertragen, bis sie endlich aufbegehren gegen Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Doppelmoral der Mächtigen; dass sie in den Schlussbildern von Loachs Filmen öfter siegreich sind als in der realen Welt, darf man wohl seinem unerschütterlichen historischen Optimismus zurechnen.
James „Jimmy“ Gralton, die Titelfigur seines neuesten Films, ist zwar eine historische Figur, gleichwohl aber ein typischer Loach-Held: energisch, kämpferisch, ein Sozialist, der andere mitreißt und begeistert für seine Idee von Freiheit und Selbstbestimmung im Irland der 1930er Jahre. Wie viele seiner Landsleute ist er 1907 als 21-Jähriger nach New York ausgewandert, von wo er den Kampf der IRA gegen die britischen Besatzer unterstützt. 1921 als US-Staatsbürger in seine irische Heimat zurückgekehrt, gründet er auf dem Grundstück seines Vaters die nach zwei 1916 getöteten IRA-Kämpfern benannte „Pearse-Connolly-Hall“, ein Begegnungs- und Kulturzentrum, das mit seinen Bildungs-, Unterhaltungs- und Tanzangeboten den Briten als Hort des Widerstands schon bald ein Dorn im Auge ist. Als sich Jimmy als aktiver Gewerkschafter auch noch an den überall aufkommenden Farmerstreiks beteiligt, ist die Geduld der Besatzer und der mit ihnen paktierenden Kirche am Ende. Jimmys Zentrum wird von den Kanzeln als satanische Lasterhöhle verdammt, seine Besucher werden namentlich registriert und angeprangert, die Halle wird mehrfach angegriffen und schließlich geschlossen, Jimmy selbst flieht nach mehrfacher Verhaftung in die USA. Als sich der Druck der Besatzung etwas lockert und sich sogar die Gründung einer kommunistischen Partei abzeichnet, kehrt er 1932 in seine Grafschaft Leitrim zurück und eröffnet, von seinen Anhängern gedrängt, das Zentrum erneut – bis es an Weihnachten 1932 von seinen Gegnern völlig niedergebrannt und er selbst als „unerwünschter Ausländer“ in die USA abgeschoben wird. Er stirbt 1945, ohne seine Heimat noch einmal gesehen zu haben.
Da sind sie alle wieder, die Bauteile des Loach-Universums: die klare Teilung der Figuren in Unterdrücker und Unterdrückte, die perfiden Mächtigen und ihre Profitgier, der revolutionäre Anführer, der alleine nichts, von vielen unterstützt aber alles gewinnen kann. Kameramann Robby Ryan fügt dem noch wunderbare Bilder der grünen Insel hinzu, und Loachs Stamm-Drehbuchautor Paul Laverty hat die vielen Nebenfiguren geschickt mit eigener Charakteristik ausgestattet, was Loachs Verzicht auf bekannte Leinwandgesichter bestens unterstützt. Loachs Beharren auf das inzwischen fast aussterbende analoge Filmmaterial, das er bewusst sogar analog schneidet, um bei der Montage das haptische Gefühl der Langsamkeit zu bewahren, mag dem von 3D und Actionstress genervten Zuschauer zwar wohlige Nostalgie bescheren. Doch es bleibt ein Gefühl von Betulichkeit, von déjà-vu, von „ja, wir haben die Botschaft verstanden“, auch wenn sie diesmal mehr als sonst volkstümlich und mit Fiddle & Drums daherkommt. Ein trotz der militanten Reden friedvolles Alterswerk eben. Aber das soll einem seit sechzig Jahren an der Filmfront Kämpfenden wohl zugestanden sein.
Der Film ist ab dem 14. 8. in den Kinos.
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Grafikquelle :
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Attribution: Georges Biard |