DIE LINKE – punkt
Erstellt von Gast-Autor am Donnerstag 4. März 2010
– Anmerkungen zur Programmdebatte –
Heute erreichte uns ein Beitrag von Bernd Wittich zur Programmdebatte in der LINKEN.
Kardinale Irrtümer und Mißverständnisse
1. Eine soziale Gesellschaft braucht stetes Wachstum (der Wirtschaft, des Konsums)
2. Der Mensch braucht zu seiner Sinnverwirklichung, zu seinem Lebensglück vor allem Konsum (oder ist es nicht eher umgekehrt, die Konsumorientierung zerstört Leben(ssinn))
3. Der Mensch sei primär auf „Leistungserbringung“ hin orientiert
4. Konkurrenz sei die Triebkraft der Entwicklung (des Einzelnen, der Gesellschaft)
5. Zeitgeist(er): Um erfolgreich zu sein, müsse man sich in den Einflußbereich von Autoritäten (Ideen/ Ideologien, Personen, Institutionen) stellen
6. DIE LINKE habe „Wahrheit“ aufzufinden und mehr „gültige“ Antworten zu geben, als (notwendige, offene) Fragen zu stellen
7. Erst die „Revolution“ (abwarten), danach kann die „wirkliche“ Befreiung (Emanzipation) erst beginnen
8. Es gibt keine „allmähliche“ Revolution
Blinde Flecken
1. Es kann keinen Sozialismus ohne Freiheit geben.
2. Es kann keine Freiheit zum Sozialismus ohne den individualisierten Menschen geben
3. Politische Freiheit ist mehr und anderes als die überkommene demokratische Staatsform, aber nicht weniger
4. Freiheit als Potenzial jedes Menschen ermöglicht und erfordert Emanzipation (jetzt zu beginnen)
5. Freiheit und Demokratie sind keine Zustände, sondern unabschließbare widerspruchsvolle Prozesse
6. Der sich befreiende Mensch ist / kann kein / kann nicht vorrangig Objekt der Politik sein
7. Der sich befreiende Mensch darf sein Grundbedürfnis nach Selbstgestaltung nicht dem Bedürfnis nach Bindung und Sicherheit (auch in der Linken, Partei, Bewegung…) opfern
8. Die neoliberale Erfahrung und Atmosphäre permanenten Mißtrauens prägt Verlierer und Gewinner des neoliberalen Systems (auch in der Linken)
9. Die politische Mittel dürfen die Ziele nicht infrage stellen
10. Das herrschende Bildungssystem, der vorherrschende Bildungsbegriff (PISA, Kompetenzen) fördert wertentleertes Leistungsdenken von der frühen Kindheit an ( der Angriff auf unsere Kinder, ihre Selbstentfremdung als Ziel, ihre Entmenschlichunggenannt „Frühförderung“ ). Auch verzweckte, instruierende „Weiterbildung“ in der Linken verfehlt die emanzipatorischen Bedürfnisse, Ansprüche und Ziele, sie reproduziert so nur „Herrschaftskultturen“
11. Die soziale Destruktion der realen Gesellschaft im Dauerkonflikt zu proklamierten sozialen Werten, zum Artikel 1 GG erzieht Menschen, vor allem Jugend zum Zynismus und zur politischen Apathie, aber auch zu radikalen Absagen an Freiheit und Demokratie
12. Die Menschen sollen wollen, was sie vom System her sollen, so wird internalisierte Herrschaft, Ausbeutung, Unterdrückung, Funktionalisierung, Indienstnahme des Menschen mißverstanden als „Individualisierung“ und „Freiheitsgewinn“
13. Sicherheit(sbedürfnisse) sind vorrangig vor (ver)unsichernden Veränderungsperspektiven / Prozessen
14. Angst ist die zentrale Fühlqualität in der heutigen Gesellschaft, sie „legitimiert“ Herrschaft (die
vorgibt „Sichertheit/en“ zu schaffen, wenn sich der Mensch den Regierenden „freiwillig“ unterwirft
15. Befreiung / Emanzipation sind jetzt, tagtäglich lebbar, sonst gäbe es keine (realistische) Hoffnung
Denk-Fallen
1. Weil der Kapitalismus seine häßlichen Seiten immer offener auch in der ersten Welt zeigt gewinnt der vergangene Realsozialismus und seine politischen Modelle an Glanz und „Wiederkehr“ im linken Denken
2. Weil Klassenkampf von Oben massiert stattfindet ist weniger Diskurs, weniger Mitbestimmung, weniger Demokratie (auch in der Linken) gerechtfertigt / möglich, wenn es nur den richtigen Zielen dient.
3. (Medien)öffentlichkeit schadet der Linken, weil der „Gegner“ daraus Nutzen ziehen kann, deshalb „Einheit und Geschlossenheit“ durch politische Instruktion statt Diskurs, Zirkelwesen und Intransparenz“
Erkenntnis- und Handlungsblockaden
1. Die aktuellen Konflikte und Kontroversen in der Partei DIE LINKEpunkt werden weitestgehend in Abwesenheit von konkreten soziokulturellen Analysen der Partei(mitgliedschaft) und ihres Umfeldes und
2. in Unkenntnis der politisch-kulturellen Erfahrungen der gesamten Linken, einschließlich der sozialen Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts verhandelt.
3. So erscheint als Zufall oder als Personalquerele, was tiefere Ursachen hat – Ohne zutreffende Analyse / Selbstreflexion keine erfolgreiche gesellschaftspolitische Therapie! Es droht die politische Regression!
Bernd Wittich
Ludwigshafen, 03.03.2010
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Wahlwerbung in Deutschland :
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