Die Leberwurst-Diplomatie
Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 5. Mai 2022
Botschafter der Ukraine in Deutschland
Ist es nicht einfacher sich als beleidigte Leberwurst zu verstecken – als sich in der Ukraine zu einer Blutwurst machen zu lassen ?
Von Tobias Schulze
Andrij Melnyk hat Olaf Scholz als beleidigte Leberwurst bezeichnet. Der Diplomat teilt aus, denn Krawall zieht immer – sogar in Kriegszeiten.
Melnyk mal wieder. Diesmal hat der ukrainische Botschafter den Bundeskanzler als „beleidigte Leberwurst“ tituliert, was aus seinem Repertoire der Herabwürdigungen zwar längst nicht mehr als Außerordentlichkeit heraussticht, ihm aber doch wieder eine ordentliche Reichweite einbrachte. Die dpa verschickte das Zitat am Dienstag um 3 Uhr morgens in einer eigenen Meldung an die Redaktionen des Landes. Auf Twitter landete das Stichwort Leberwurst am Vormittag auf Platz 1 der Trend-Themen.
Die Wortmeldungen des Andrij Melnyk nutzen sich in der Aufmerksamkeitsökonomie nicht ab, so vorhersehbar sie mittlerweile auch sind. Zum Public Diplomathat er sich seit Beginn des Krieges entwickelt, zum Botschafter mit dem vielleicht größten Bekanntheitsgrad in der Geschichte der Bundesrepublik. Es ist der Bruch mit den Erwartungen, der ihn als O-Ton-Geber so interessant macht. Krawall zieht immer. Krawall von einem, der qua Amt doch eigentlich jeden Krawall großflächig umfahren sollte, zieht umso mehr.
Die Reibungsenergie entsteht aber nicht allein dadurch, dass ein Diplomat undiplomatisch auftritt. Hinzu kommt, dass Melnyks Posten doch eigentlich große Sympathie zuteilwird. Beispielhaft abzulesen war das an den Standing Ovations, die ihm der Bundestag bei seiner Sondersitzung am 27. Februar beinahe geschlossen widmete. Ihm, dem Botschafter als Repräsentanten des angegriffenen Staates.
Künstler und Werk
Im krassen Gegensatz dazu steht die Antipathie, die sich gegen die Person Melnyk richtet, weil er nicht wie erwartet dankbar zurückgrüßt, sondern eben unentwegt austeilt. Weil sich die Person vom Posten ähnlich schwer trennen lässt wie der Künstler vom Werk, entsteht unweigerlich eine Dissonanz. Wie umgehen damit? In Fragen der Leberwurstigkeit des Bundeskanzlers und ähnlichen Zusammenhängen könnte es mit einer gelassenen Gleichgültigkeit funktionieren.
Es ist zwar fraglich, ob seine Polterei der ukrainischen Regierung dabei hilft, ihre Ziele in Deutschland zu erreichen. Natürlich, sagen die einen: Nur durch maximalen Druck sei die Bundesregierung zu echter Solidarität zu bewegen. Zur Zusage schwerer Waffen hat sie sich dieser Lesart zufolge nur durchgerungen, weil Melnyk im Zusammenspiel mit dem Trio Hofreiter/Roth/Strack-Zimmermann so schön rücksichtslos auf die Pauke haute.
Demgegenüber steht die naheliegende Vermutung, dass in der öffentlichen Meinung die Antipathie gegen die Person auch auf ihr Anliegen übergreifen könnte, vielleicht geschieht das sogar schon.
Sind nicht genau dieses typische Ränkespiele in der Politik, wo es heißt:? „Und willst du nicht mein Bruder sein – dann schlag ich dir den Schädel ein! Das ist Politik und nichts anderes !!
Gleichzeitig stützt er die Argumentation seiner Kontrahenten zuweilen eher, als dass er sie widerlegt. Als die Bundesregierung noch der Meinung war, keine schweren Waffen liefern zu können, weil unter anderem nicht genügend Munition aufzutreiben sei, war noch von Ausflüchten die Rede. Seitdem sie dann doch die Lieferung von Gepard-Panzern ankündigte, beklagt sich Melnyk darüber, dass die Bundesregierung noch nicht genügend Munition aufgetrieben habe. Konsistent ist das nun nicht gerade.
Nationalhelden und Opfer
Aber gut: Für wie erfolgversprechend sie den Kurs ihres Botschafters hält, muss die ukrainische Regierung entscheiden; in der deutschen Debatte über die Unterstützung der Ukraine sollten andere Aspekte den Ausschlag geben als die Manieren des Andrij Melnyk.
Schwieriger ist es mit der Gleichgültigkeit, wenn sich der Diplomat geschichtspolitisch betätigt. Den ukrainischen Nationalisten Stephan Bandera verklärt er, Kritik daran weist er brüsk zurück. „Weder die Russen noch die Deutschen haben das Recht zu bestimmen, wen die Ukrainer als Helden verehren“, schrieb er Anfang April zum Beispiel in Richtung des Süddeutsche-Autors Heribert Prantl. „Lasst uns in Ruhe mit euren Belehrungen.“
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — (Der Arm von) Olaf Scholz, Politiker (SPD) – Zur Zeit Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem ist er Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2021. Hier während einer SPD-Wahlkampfveranstaltung im August 2021 in München. Titel des Werks: „Olaf Scholz – August 2021 (Wahlkampf)“
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Unten — Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Deutschland