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Die Illusion des Wachstum

Erstellt von Redaktion am Samstag 18. Mai 2019

Grünes Wachstum ist eine Illusion

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Von  George Monbiot | The Guardian

Der Kapitalismus, den wir kennen, ist nicht mit dem Überleben des Planeten vereinbar. Es ist höchste Zeit, dass wir ein neues Wirtschaftssystem designen.

Den größten Teil meines Erwachsenendaseins habe ich gegen den „Kapitalismus der Konzerne“, den „Konsumkapitalismus“ und die „kapitalistische Vetternwirtschaft“ gewettert. Ich habe lange gebraucht, bis mir klar wurde, dass nicht das Adjektiv das Problem darstellt, sondern das Nomen. Während andere den Kapitalismus gern und schnell abgelehnt haben, ging dies bei mir äußerst langsam und widerwillig vonstatten. Zum Teil lag das daran, dass ich keine klare Alternative erkennen konnte. Anders als manche Antikapitalisten konnte ich mich nie für den Staatskommunismus begeistern, mich hemmte sein quasi-religiöser Charakter. Im 21. Jahrhundert zu sagen „Der Kapitalismus versagt“ ist wie im 19. Jahrhundert zu sagen „Gott ist tot“. Das ist säkulare Blasphemie und erfordert ein Maß an Selbstvertrauen, das ich nicht hatte.

 Doch mit zunehmendem Alter habe ich zwei Dinge erkannt. Erstens, dass es das System selbst ist und eben nicht nur eine bestimmte Ausprägung des Systems, das uns unaufhaltsam in eine Katastrophe taumeln lässt. Zweitens, dass man keine definitive Alternative parat haben muss, um sagen zu können, dass der Kapitalismus scheitert. Die Aussage steht für sich.

Das Scheitern des Kapitalismus erwächst aus zwei seiner bestimmenden Elemente. Das erste besteht in permanentem Wachstum. Wirtschaftswachstum ergibt sich zwangsweise aus dem Streben nach Kapitalakkumulation und Extraprofit. Ohne Wachstum bricht der Kapitalismus zusammen, auf einem endlichen Planeten führt permanentes Wachstum aber zwangsläufig in die ökologische Katastrophe.

Wir können nicht unendlich weiter wachsen

Diejenigen, die den Kapitalismus verteidigen, argumentieren, das Wirtschaftswachstum könne von der Verwendung materieller Ressourcen entkoppelt werden, weil der Konsum sich immer weiter von Waren auf Dienstleistungen verlagere. Erst vor kurzem hat ein Paper von Jason Hickel und Giorgos Kallis im Journal New Political Economy diese Annahme untersucht. Es kam zu dem Ergebnis, dass während im 20. Jahrhundert eine gewisse Entkoppelung stattgefunden hat – der Verbrauch materieller Ressourcen stieg an, aber nicht mit derselben Geschwindigkeit wie die Wirtschaft wuchs –, habe es im 21. Jahrhundert eine Wiederankopplung gegeben. Ein steigender Ressourcenverbrauch entspricht bislang dem Niveau des Wirtschaftswachstums oder übersteigt dieses sogar. Die absolute Entkoppelung, die notwendig wäre, um eine Umweltkatastrophe zu verhindern – also eine Reduzierung des Verbrauchs materieller Ressourcen –, ist nie erreicht worden und erscheint auch unmöglich, solange die Wirtschaft weiter wächst. Grünes Wachstum ist eine Illusion.

Ein System, das auf permanentem Wachstum basiert, kann nicht ohne Peripherie und ohne ein Außen funktionieren. Es muss immer einen Bereich geben, der ausgebeutet wird – aus dem Ressourcen entnommen werden, ohne vollumfänglich dafür zu bezahlen – sowie einen Bereich, in dem die Kosten in Gestalt von Müll und Verschmutzung entsorgt werden. Da das Ausmaß an wirtschaftlicher Aktivität so lange zunimmt, bis der Kapitalismus alles durchdringt, von der Atmosphäre bis zum Meeresgrund, wird der gesamte Planet zu dem Bereich, der geopfert wird – und wir alle bewohnen die Peripherie der profitmachenden Maschine.

Das treibt uns in einem derartigen Ausmaß der Katastrophe entgegen, dass die meisten Menschen es sich überhaupt gar nicht vorstellen können. Uns droht ein wesentlich größerer Zusammenbruch unseres lebenserhaltenden Systems als Kriege, Hungersnöte, Seuchen oder Wirtschaftskrisen allein ihn je verursachen könnten – selbst wenn er wahrscheinlich alle diese vier Plagen mit beinhaltet. Gesellschaften können sich von solch apokalyptischen Ereignissen wieder erholen, nicht aber vom Verlust von Lebensraum, einer artenreichen Biosphäre und einem lebensfreundlichen Klima.

Kann man zwischen gutem und schlechtem Kapitalismus unterscheiden?

Das zweite bestimmende Element ist die bizarre Annahme, jemand habe ein Anrecht auf einen so großen Teil des natürlichen Reichtums der Erde, wie er sich mit seinem Geld kaufen kann. Diese Aneignung gemeinschaftlichen Besitzes verursacht drei weitere Verwerfungen. Erstens, das Gerangel um die Kontrolle nicht-reproduzierbarer Güter, das entweder zu Gewalt oder zu Beschneidungen der Rechte anderer führt. Zweitens, die Verelendung anderer durch eine Wirtschaft, die auf Plünderung und Raubbau in der Gegenwart und Zukunft beruht. Drittens die Übersetzung wirtschaftlicher in politische Macht, da die Kontrolle über wichtige Ressourcen zur Kontrolle über die gesellschaftlichen Beziehungen führt, die sie umgeben.

Quelle         :       Der Freitag           >>>>>           weiterlesen

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Grafikquelle       :         The southern portion of the lake in Greenbank Park, Mossley Hill, Liverpool.

Author Rodhullandemu      /       Source  –    Own Work

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