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RENTENANGST

Die Idiotie des Riot

Erstellt von Redaktion am Freitag 14. Juli 2017

Die Vermummung ist der Wichs der Krawallisten

Jugend gegen G20 14.jpg

1977 wurde Generalbundesanwalt Siegfried Buback von der RAF ermordet. Unter den Titel „Buback – Ein Nachruf“ setzte sich ein Autor unter dem Pseudonym Mescalero mit Gewalt und Mittel linksradikaler Politik auseinander. Das öffentliche Entsetzen darüber war groß, besonders über eine Formulierung: Bei „ihrer „klammheimlichen Freude“ wollte der Schreiber die Sympathisantenszene abholen, um vom Weg des Terrors abzubringen. Was hat er den Militanten von heute zu sagen?

Kommentar von Mescalero

„Es gibt nichts Obszöneres als einen General in vollem Wichs.“ – Noch heute, fünfzig Jahre später, gefällt mir die Militanz dieser Worte.

Als ich sie damals in einem der Suhrkamp-Bändchen von Herbert Marcuse las – „Versuch über die Befreiung“ hießen sie und später „Konterrevolution und Revolte“, jede der Schriften ein Renner der antiautoritären Linken –, war ich gerade aus der Bundeswehr ausgeschieden. Im Nato-Hauptquartier in Fontainebleau hatte ich den Obersten Befehlshaber für Europa, den General Graf Kielmansegg, in seiner Prachtuniform aus einer Limousine steigen und ins Stabsgebäude marschieren sehen. Mit all den Kordeln, Bändern, Orden.

Da hast du also etwas ganz und gar Obszönes dicht an dir vorbeigelassen und dich nicht gemuckt, dachte ich damals. Die Worte Marcuses, des Soziologen und Politologen der frühen Frankfurter Schule, beflügelten mich zur globalen Revolte, so wie sie mich zugleich zur Vernunft brachten. Ein älterer Mann, ich werde in diesem Jahr noch 70, muss weit ausholen, bevor er auf den Punkt kommt.

Soeben habe ich einen Kampftext von Karl-Heinz Dellwo gelesen. Darin wird der Krawall von Hamburg als „Riot“ bezeichnet. Mir ist ganz schlecht geworden. Die erste Assoziation war „Idiot“, die zweite: „Halt endlich die Klappe, Dellwo!“.

Mit der Uniformierung von Protest und Revolte in Blöcken, mit Aufmarsch, Taktik, Gegner, hat sich nicht bloß die Obszönität vervielfacht.

Die Vermummung ist der Wichs der Krawallisten.

Da hast du also etwas ganz und gar Obszönes dicht an dir vorbeigelassen und dich nicht gemuckt, dachte ich damals. Die Worte Marcuses, des Soziologen und Politologen der frühen Frankfurter Schule, beflügelten mich zur globalen Revolte, so wie sie mich zugleich zur Vernunft brachten. Ein älterer Mann, ich werde in diesem Jahr noch 70, muss weit ausholen, bevor er auf den Punkt kommt.

Soeben habe ich einen Kampftext von Karl-Heinz Dellwo gelesen. Darin wird der Krawall von Hamburg als „Riot“ bezeichnet. Mir ist ganz schlecht geworden. Die erste Assoziation war „Idiot“, die zweite: „Halt endlich die Klappe, Dellwo!“.

Mit der Uniformierung von Protest und Revolte in Blöcken, mit Aufmarsch, Taktik, Gegner, hat sich nicht bloß die Obszönität vervielfacht.

Die Vermummung ist der Wichs der Krawallisten.

Die Marschkolonne, der Block in einer Demonstration ist eine Hirnblockade. Ein Glaubensbekenntnis, so hässlich wie das der „Ultras“ im Fußballstadion. Das Gebrüll, die Parolen, die ins Äußerste gekehrte Selbstgewissheit. Ich würde nur noch für die Ungewissheit auf die Straße gehen.

Wo Hässlichkeit, da Gewalt. Dieser Aufmarsch ist wie eine säuerliche Parade von Presbytern. Die versprochene Hölle der „Welcome to Hell“-Demonstration kommt mir vor wie eine moralische Anstalt, egal ob Zeige- oder Stinkefinger.

Der Wichs der Herrschaften, die aus Limousinen und immer wieder Limousinen steigen, ist nicht weniger obszön als ihr eingebildeter Götterfunke in Hamburgs Renommierbude. Und das gediegene Tafeln von Steinbutt und Ochsenbäckchen (igitt!) ist pervers.

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Malocher und Hohlköpfe

Allen Distanzierungsbemühungen zum Trotz: Die Gewaltfrage gehört von jeher zur Linken – auch in Deutschland

Autor Pascal Beucker

Sie kamen in die Stadt und waren wütend. Irgendwann warfen Vermummte Steine, Autoreifen brannten, Feuerwerkskörper explodierten, Polizisten wurden verletzt.

Trotzdem hielt sich die öffentliche Empörung in Grenzen. Distanzierungen der SPD, der Grünen oder der Linkspartei sind nicht bekannt. Als einem der mutmaßlichen „Rädelsführer“ zwei Jahre später unter anderem wegen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beihilfe zur Nötigung der Prozess gemacht werden sollte, erklärte die IG Metall, Gewalt sei zwar keine Lösung, das Verfahren sollte aber trotzdem eingestellt werden: „Polizei und Staatsanwalt werden in einem vereinigten Europa lernen müssen, konstruktiv und verständnisvoll mit den unterschiedlichen Protestkulturen umzugehen.“

Belgische Aktionsformen

Der für deutsche Verhältnisse gewöhnungsbedürftige Aktionismus der rund 170 Gewerkschafter aus Belgien, die 2012 vor der Europazentrale von Ford in Köln gegen den drohenden Verlust ihrer Arbeitsplätze protestierten, lässt sich nicht mit dem Vandalismus randalierender Hohlköpfe während des G20-Gipfels vergleichen. Das Beispiel der belgischen Malocher zeigt jedoch, dass die Gewaltfrage nicht immer ganz so leicht zu beantworten ist – selbst für jene, die sich nicht zur radikalen Linken zählen.

Die Krawallinskis von der Schanze seien „bescheuert, aber nicht links“, hat SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz verkündet. Da ist was dran. Allerdings ließe sich darüber streiten, ob das nicht auch für Befürworter der Agenda 2010 oder von deutschen Kriegseinsätzen im Ausland gilt – zumal das eine wie das andere sicher weit gravierendere Verwüstungen mit sich gebracht hat.

Doch Diskussionen, wer nun links ist und wer nicht, sind wenig hilfreich. Interessanter ist die apodiktische Aussage von Schulz, Linkssein und Gewaltanwendung schlössen sich gegenseitig aus. Ähnliches ist dieser Tage auch aus den Reihen der Grünen und der Linkspartei zu hören. Die Behauptung ist aber falsch. Selbstverständlich kann Gewaltanwendung links sein – und zwar nicht nur in einer demokratiebedrohenden gesellschaftlichen Ausnahmesituation, für die im Grundgesetz ein Widerstandsrecht festgeschrieben ist.

Als 2016 in Frankreich aus Protest gegen die Arbeitsrechtsreform des damaligen Präsidenten François Hollande Barrikaden vor Raffinerien und Häfen brannten, war diese Militanz französischer Gewerkschafter selbstverständlich links. Ob sie angemessen und sinnvoll war, ist eine andere Frage, die traditionell dies- und jenseits des Rheins unterschiedlich beantwortet wird.

Die Gewaltfrage gehört von jeher zur Linken – auch in Deutschland. Selbst in der Sozialdemokratie wurde sie einst leidenschaftlich geführt. Etwa in der legendären „Revisionismusdebatte“, in der Eduard Bernstein, Karl Kautsky und Rosa Luxemburg Ende des 19. Jahrhunderts darüber stritten, auf welchem Weg die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu erreichen ist.

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Grafikquelle   :  Demo Jugend gegen G20 an den Landungsbrücken

 

 

 

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