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RENTENANGST

Die Hauptstadt und ihr Senat

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 9. März 2023

Wie Berlin gegen sich arbeitet

Ein Schlagloch von Georg Diez

Berlin ist eine Stadt voller Möglichkeiten. Die Konzeptlosigkeit führender Po­li­ti­ke­r*in­nen trägt aber dazu bei, dass Chancen verschenkt werden.

Berlin ist eine wunderbare Stadt, die alles tut, um zu verhindern, dass sie wunderbar bleibt. Was hat diese Stadt für Menschen, für Möglichkeiten!

Auf mich wirken die beiden wie trotzige Nachzügler, die kaputt machen, was andere gebaut haben, was schön sein könnte.

Es gibt so viele, die hier ihre Zukunft sehen, die hier andere wie sie finden oder gar nicht wie sie, die Inspiration finden, immer noch eine Freiheit, wie es sie sonst in diesem Land nicht gibt, eine Internationalität, die das schrumpfende Provinzdeutschland drumherum umso kleiner erscheinen lässt, müder, fader.

Es verblüfft mich immer noch jeden Tag, wirklich jeden Tag aufs Neue, mit welcher Insistenz und Schludrigkeit diese Stadt gegen sich arbeitet. Und da geht es gar nicht um vagabundierende Baustellen, die immer wirken wie Guerilla-Aktionen einer Stadtverwaltung oder -nichtverwaltung, so willkürlich tauchen sie auf und verschwinden wieder.

Es geht auch nicht um Fahrradwege, die einfach im Nichts enden, wie leider auch erschreckend viele Leben von Fahrradfahrer*innen, die dafür umso grimmiger von neongelben Polizeischwadronen verfolgt werden, die die bestrafen, die am meisten gefährdet sind.

Es geht also nur teilweise um dieses Autoritärsgehubere, das sich immer stärker zeigt, vielleicht auch eine Folge der postpandemischen Regelwut, aber wir leben eben in Zeiten einer regressiven Moderne. Es geht auch nur teilweise um das Stadtschloss, mit dem so vieles angefangen hat oder verbunden ist, das kalte Hohenzollern-Herz dort, wo die Widersprüche, die Offenheit oder der Aufbruch in dieser Stadt beginnen könnten, ihren Platz haben könnten, ein Haus der Zukunft, ein Ort für alle und jeden, ein Palast der Republik vielleicht, ach, was für ein schöner Name!

Und auch nur teilweise geht es um die Autobahn A 100, die sie nun tatsächlich weiter in die Stadt hineinwalzen wollen, als sei fossile und individuelle Mobilität noch ein Versprechen und keine Drohung. Es geht nur teilweise um ganze Viertel, in denen der Quadratmeterpreis die einzige ästhetische Prämisse ist, was dazu führt, dass hier nur der kalte Wind des Kapitalismus seine Heimat findet. Und es geht nur teilweise um so stur verkorkste Großprojekte wie das Museum für Gegenwartskunst, das gebaut wird gegen den Einspruch wesentlicher Stimmen aus Kultur und Kritik, ein trotziger Tempel für eine Gegenwart, die schon jetzt veraltet wirkt.

Es geht mehr um die Selbstverleugnung in dieser Stadt, gerade durch die, die sagen, dass sie Berlin lieben oder Berlin sind – und die ablehnen, wofür diese Stadt stehen könnte und für viele, die hier leben, auch steht: die Solidarität, das Experiment, die Individualität, die Veränderung, die Schönheit, die Dunkelheit, die Intelligenz, die Verschwendung.

Es entsteht eine Koalition der aggressiven Visionslosigkeit

Eine Koalition der Kleinmütigkeit also, die dafür sorgt, dass Berlin eine Stadt der Geistesmenschen wie der Geistlosigkeit bleibt, im steten Streit von Vergangenheit und Zukunft, wobei allzu oft die Gegenwart abhandenkommt. Sie bauen sich eine Bastion gegen die Zukunft, eine Schuhkartonwelt – womit die Berliner Malaise sinnbildlich wird für dieses Land.

Denn die Hauptstadt ist mehr als eingeübtes Scheitern, über das sich alle risikofrei lustig machen können. Die Hauptstadt ist nur ganz vorn dabei in einem Land, das sich entschieden hat, im Schatten der Weltgeschichte reich und schläfrig zu werden, eingelullt von der eigenen Erfolgsgeschichte, die wie so viele Erfolgsgeschichten meistens schon eine Weile vorbei ist, wenn man sie erzählt.

Die Planlosigkeit, die Konzeptionslosigkeit, der Mangel an Energie und Eleganz, das alles reicht weit über Berlin heraus – wo sich jetzt also in einem Akt der Selbstermächtigung des Mittelmaßes eine Regierung gewählt haben, die genau die Fadheit dieser Stadt wie des Landes spiegelt: eine Koalition der aggressiven Visionslosigkeit, anspruchsfrei, rückwärtsgewandt, die eigene Karriere als Horizont der Möglichkeiten. Der eine, der von der CDU, heißt es, sei ein guter Netzwerker; die andere, die von der SPD, heißt es, „kann“ Verwaltung.

Wären bloß die richtigen Leute oben

Physiognomisch, biografisch und politisch-thematisch ist das ein Rückschritt in die 90er Jahre – mit dem Unterschied, dass die 90er Jahre, so wie sie waren, voller Farbe, Fun und Möglichkeiten, wie ausradiert wirken, negiert, als habe es sie nie gegeben.

Quelle        :          TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben        —     Franziska Giffey on stage of Ukraine solidarity protest on Platz des 18. März.

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