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Die Gas- Connection

Erstellt von Redaktion am Samstag 2. April 2022

Gazprom wurde zur politischen Waffe Putins, Erpressungen inklusive

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Von Manfred Kriener

Was 1970 mit dem Erdgas-Röhren-Geschäft mit der Sowjetunion begann, könnte jetzt mit dem barbarischen Krieg in der Ukraine enden.

Rubel oder Euro? Sofortiges Embargo oder langsamer Ausstieg? Der Krieg in der Ukraine und Wladimir Putins Psychospielchen um die Gaslieferungen führen die Abhängigkeit Deutschlands von den Energierohstoffen von Gazprom und Co brutal vor Augen. Diese Abhängigkeit hat eine lange Vorgeschichte, in der sich deutsche Wirtschaftsinteressen mit der Vorstellung von „Handel durch Wandel“ verquickten. Ein Blick in die Historie hilft zu verstehen, wie es überhaupt so weit kommen konnte.

Am 1. Februar 1970 unterschreiben in der Essener Nobeladresse Kaiserhof die Manager von Mannesmann, Ruhrgas AG und Deutscher Bank mit ihren sowjetischen Verhandlungspartnern den Vertrag zu einem einträglichen Milliardengeschäft. Mannesmann liefert den Sowjets Großröhren, die für eine 2.000 Kilometer lange Pipeline reichen. Die Deutsche Bank schießt einen günstig taxierten Kredit von 1,2 Milliarden Mark vor, damit die Käufer die Ware bezahlen können. Im Gegenzug liefert die Sowjetunion 20 Jahre lang bis zu 3 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr. Die Ruhrgas AG verteilt und verkauft alles. Für die Beteiligten ist es eine Win-win-win-win-Situation.

Der spektakuläre Erdgas-Röhren-Handel beendet die 1962 auf Druck der USA verhängte Embargopolitik der Nato. Sie hatte es den Deutschen strikt verboten, an Obstblockstaaten Röhren für den Bau von Öl- und Gaspipelines zu verkaufen. Die damalige Doktrin: Keine Geschäfte mit dem kommunistischen Feind, die seine Entwicklung voranbringen.

Schon 16 Monate nach dem Essener Deal wird aufgestockt. Die russischen Gaslieferungen werden mehr als verdoppelt – statt 3 werden jetzt 7 Milliarden Kubikmeter im Jahr geliefert – und Mannesmann darf weitere Röhren im Gegenwert der Gasimporte verkaufen. Wieder finanziert die Deutsche Bank das Ganze mit einem Milliardenkredit. Die Bonner Politik begleitet den Handel mit Wohlwollen und Bürgschaften. Willy Brandt hat schon als Außenminister ab 1966 wirtschaftliche Beziehungen zur Sowjetunion gefördert. Jetzt als Bundeskanzler setzt er auf friedliche Koexistenz und Entspannung.

Brandt sieht – 25 Jahre nach dem Krieg – in den Gaslieferungen aus Sibirien weniger die Gefahr einer Abhängigkeit als einen Vertrauensbeweis gegenüber dem einstigen Todfeind. Einwände der USA werden abgewehrt und bald wird Bonn zusätzliche Argumentationshilfe erhalten.

Im Oktober 1973 fließt das erste sibirische Gas in die Bundesrepublik, der „Beginn einer wunderbaren Freundschaft“, frozzelt die Zeit. Im selben Monat eskaliert die Ölkrise. Die arabischen Förderländer drosseln die Produktion, um den Westen für die Unterstützung Israels im Jom-Kippur-Krieg abzustrafen. Der Ölpreis lernt fliegen, die Regierung Brandt muss Benzin rationieren, sie verhängt Sonntagsfahrverbote und strenge Tempolimits; die Nation fühlt schmerzhaft die Abhängigkeit von „den Ölscheichs“.

Wladimir Putin in Deutschland 9.-10. April 2002-1.jpg

Volle Gläser  –  leere Flaschen

Die westlichen Länder geraten unter Druck, ihre Energiepolitik versorgungssicher zu machen. Da sind die Gaseinkäufe aus der Sowjetunion eine gute Alternative. Weitere europäische Länder setzen ebenfalls auf sowjetisches Gas und Öl. Der Handel blüht auf, die Sowjets haben auch Uran für bundesdeutsche Atommeiler im Angebot.

Im Jahr 1979 bekräftigt die zweite Ölkrise nach der iranischen Revolution die Energiepartnerschaft mit der Sowjetunion, dann stellt sie der neue Kalte Krieg vor ernsthafte Belastungsproben. Der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan und der Nato-Doppelbeschluss mit der Aufstellung neuer Mittelstreckenraketen sorgen für frostige Beziehungen zum Kreml. Doch das Gas fließt weiter, der Pakt „Energie gegen Devisen“ scheint auch in schlechten Zeiten zu funktionieren.

Als deutsche Wirtschaftsbosse Ende 1979 nach Moskau reisen, ist die sowjetische Intervention in Afghanistan vergessen. Die Gasimporte, so die neue Vereinbarung, werden nochmals kräftig erhöht, sie steigen auf 30 Prozent des Verbrauchs. Bundeskanzler Helmut Schmidt unterstützt den neuen Deal nach Kräften. „Handel durch Wandel“ ist seine Devise oder frei nach Jimmy Carter: Wer Geschäfte miteinander macht, schießt nicht aufeinander.

Um den Westexport und damit die Deviseneinnahmen zu sichern, kürzt Generalsekretär Breschnew zu Beginn der 1980er Jahre lieber die Energielieferungen an die sozialistischen Bruderländer, auch an die DDR. Es kriselt, das in Polen verhängte Kriegsrecht führt 1981 zu neuen US-Sanktionen gegen die Sowjetunion. Immer wieder warnt Washington die Europäer vor drohenden Abhängigkeiten. Doch die Gas-Connection überlebt unbeschadet, bis 1989 der Eiserne Vorhang fällt. War es auch der „Wandel durch Handel“, der den kommunistischen Block zu Reformen und schließlich zur Öffnung gezwungen hat? Diese Frage bleibt umstritten.

Im Jahr 1989 betritt ein neuer Akteur die energiepolitische Bühne: Das sowjetische Gasministerium wird in das russische Staatsunternehmen Gazprom umgewandelt, 1992 wird es zur Aktiengesellschaft.

Es ist der Auftakt einer hemmungslosen Bereicherung der früheren sowjetischen Nomenklatura und ihrer Familien. Unzählige Tochtergesellschaften und Scheinfirmen entstehen, Aktienpakete und lukrative Aufträge an Gashandelsfirmen werden hin- und hergeschoben. Über Nacht werden Milliardäre gemacht.

Zunächst setzt Generalsekretär Gorbatschow den korrupten Ex-Gasminister Viktor Tschernomyrdin an die Konzernspitze, danach führt unter Boris Jelzin Tschernomyrdins Vize Rem Wjachirew das Unternehmen, bis Wladimir Putin im Mai 2001 seinen alten Gefolgsmann Alexei Miller als Gazprom-Chef inthronisiert. Nach und nach wird die gesamte Konzernspitze mit ehemaligen Geheimdienstleuten besetzt.

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Das Erwachen erfolgt bei den Politikern immer zu spät

Gazprom wird zum verlängerten Arm, zur politischen Waffe Putins, Erpressungen und Drohungen gehören zum normalen Geschäftsgebaren. Auch wenn man in Deutschland damals kaum Notiz davon nimmt: Putin nutzt die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen gegenüber anderen Staaten mit aller Brutalität. Der Gas- und Ölhahn wird auf- und zugedreht, Preise werden glatt verdoppelt, dann wieder für moskautreue Vasallen gesenkt. Georgien, Lettland, Litauen, Polen und immer wieder die Ukraine werden massiv unter Druck gesetzt.

Am Jahresbeginn 2006 eskaliert der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine. Russland hat neue Tarife für den Gastransit durch die Ukraine diktiert und will für den Eigenverbrauch Kiews „marktorientierte Preise“ durchsetzen.

Quelle        :         TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —  “Thermal power station TETs-21”. Transmission line towers at the thermal power station TETs-21 owned by Mosenergo.

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2,Von Oben      —        WEIMAR. Abendessen im Restaurant Alt Weimar. Präsident Putin mit Bundeskanzler Gerhard Schröder.

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Unten     —   Ceremony of opening of gasoline Nord Stream. Among others Angela Merkel and Dmitry Medvedev

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