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RENTENANGST

Die Fanatiker

Erstellt von DL-Redaktion am Montag 8. Dezember 2008

„Wir behandeln Muslime wie Halbaffen“

Vom Saulus zum Paulus – das schaffen sonst kaum Politiker

Interview Jürgen Todenhöfer

Die Fanatiker sitzen im Westen, sagt Jürgen Todenhöfer, und nicht in der islamischen Welt. Der einstige Konservative setzt sich heute für die westlich-muslimische Aussöhnung ein.

taz: Herr Todenhöfer, am 10. Dezember 1948 wurde die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ verabschiedet, die ausnahmslos jedem Einzelnen zustehen sollen. Sie reisen regelmäßig in den Irak – gibt es dort Menschenrechte?

Jürgen Todenhöfer: Die Menschenrechte waren unter Saddam Hussein massiv eingeschränkt, er war ein gnadenloser Diktator, der jetzt durch eine Militärdiktatur der Amerikaner ersetzt wurde. Kein Mensch kann sich frei äußern, sich frei bewegen, das Sozialsystem wurde zertrümmert.

Ging es den Irakern also vor der Besatzung besser?

Fast alles hat sich verschlechtert. Unter Saddam hat die Bevölkerung versucht, an der Diktatur vorbei zu leben. Jetzt haben die Iraker eine Regierung, von der sich die Mehrheit nicht mehr vertreten fühlt. Und sie haben eine amerikanische und letztlich auch eine iranische Besatzung im Land.

Niemand wird bestreiten, dass es im Irak chaotisch und brutal zugeht. Aber ist die Möglichkeit der freien Wahl nicht ein kleiner Fortschritt in Richtung Menschenrechte?

Die Tatsache, dass die Iraker alle paar Jahre unter massivem Polizeischutz irgendwo einen Zettel reinwerfen und eine Liste wählen dürfen, deren Namen sie nicht kennen, nützt ihnen kaum. Es gibt heute weniger Medikamente als vor dem völkerrechtswidrigen Krieg der USA, weniger sauberes Wasser, weniger nahrhaftes Essen, und in den meisten Regionen des Iraks gibt es keine Sicherheit mehr. Wer seine Kinder durch amerikanische Bomben verloren hat, sagt nicht: „Danke, dafür darf ich jetzt wählen.“

Sechzig Jahre Menschenrechte – ein gebrochenes Versprechen?

Dem US-Präsidenten ging es nie um Menschenrechte. Das wichtigste Menschenrecht hat das Christentum erkämpft: Die Würde jedes Menschen, auch des Ärmsten. Gegen dieses Menschenrecht hat die amerikanische Besatzung permanent verstoßen. Sie hat die Iraker wie Tiere behandelt, nackte Männer von Frauen durch Gefängnisse schleifen lassen und Pyramiden aus Menschenleibern gebaut. Schlimmer kann man die Menschenwürde nicht missachten.

Ächtet der Westen die Menschenrechte?

Viele Politiker glauben, sobald sie die Grenzen ihres Landes überschreiten, müssten sie bestimmte Gesetze und Regeln nicht mehr einhalten. Sie verbannen die Moral aus der Außenpolitik, sie glauben, im Krieg sei fast alles erlaubt. Aber die Werte, die wir für uns im Inland einfordern, müssen wir auch den Menschen im Ausland zugestehen. In der gesamten muslimischen Welt sitzen die Menschen vor ihren oft uralten Fernsehern und sehen, wie wir Muslime wie Halbaffen behandeln. Eigentlich ist das auch eine religiöse Schande. Juden, Christen und Muslime sind nach ihrem Glauben alle Kinder Abrahams.

Barack Obama hat den Rückzug aus dem Irak angekündigt. Eine gute Idee?

Die Afghanen und Iraker brauchen die Amerikaner nicht für ihre Sicherheit. Wenn die Besatzer weg sind, haben Widerstandskämpfer und Terroristen ihre behauptete Hauptlegitimation, die ausländische Besatzung, verloren. Die Antiterrorkriege sind Terrorzuchtprogramme mit weltweiter Wirkung.

Ist Obama wirklich der heilsbringende Messias, den alle vermuten?

Wenn Obama der muslimischen Welt auf Augenhöhe begegnet, ihr die Hand ausstreckt, sie so fair und gerecht behandelt wie Israel, können die Konflikte gelöst werden.

Sie haben mehrfach über den latenten Rassismus im Westen geschrieben. Wie sieht der aus?

Es gibt im Westen einen versteckten, nicht zugegebenen Überlegenheitskomplex. Viele Westler denken im Inneren, das Leben eines Europäers sei mehr wert, als das Leben eines Muslims. Das ist nicht nur unmoralisch, sondern auch töricht. Der Kampf gegen den Terrorismus wird nicht militärisch, sondern in den Herzen der 1,4 Milliarden Muslime der Welt gewonnen.

Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle : CDU Diese Datei wurde Wikimedia Commons freundlicherweise von der Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen eines Kooperationsprojektes zur Verfügung gestellt.

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