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Die dunkle Macht der Chats

Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 3. Dezember 2020

Rechte in Polizei und Sicherheitsbehörden

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Eine Kolumne von Sascha Lobo

Beständig fordert die Polizei bessere Überwachungsmöglichkeiten – vielleicht sollte sie damit bei den rechtsextremen Chats ihrer eigenen Leute anfangen. Hier geht es nicht um »Einzelfälle«, sondern Masseneinzelfälle.

Es gibt so etwas wie eine mediale Hornhaut, eine Stelle im Nachrichtenempfinden, die so stumpf ist, dass man kaum mehr etwas spürt. »Eine rechtsextreme Polizei-Chatgruppe wurde aufgedeckt«, das ist so ein medialer Hornhautsatz. Weshalb er inzwischen zu wenig öffentliche Beachtung findet.

Dabei wäre es außerordentlich wichtig, präzise nachzuverfolgen, wie sich Rechtsextremismus in Teilen der Sicherheitsbehörden verfestigt. Das liegt an der Macht dieser Kommunikationsform. Chats sind die Hygge-Hinterzimmer des Internets, meistens kommen sie mit einer kommunikativen Kuscheligkeit daher, die den Leuten die Zunge löst. Seit mit den sogenannten Messengern wie WhatsApp oder Telegram eine mobile, bunte, niedrigschwellige Variante im Angebot ist, hängt die Welt an der Chatnadel.

16.09.2020 – 29 Polizisten in Nordrhein-Westfalen wegen Nazi-Chats namens »Alphateam« suspendiert

Die kursiven Schlagzeilen in diesem Text stammen sämtlich aus den 80 Tagen von Mitte September bis Ende November. Es handelt sich sogar um eine unvollständige Auflistung. Das hat zwei Gründe: Zum einen führt die Entlarvung eines Nazichats samt Beschlagnahme von Smartphones oft zu weiteren Nazichats. Zum anderen sträuben sich die Behörden – allen voran Horst Seehofer – sich diesem Problem wissenschaftlich und strukturell zu nähern. Es soll keine Studie über Rechtsextremismus bei der Polizei geben.

17.09.2020 – NRW-Innenminister Reul nach Aufdeckung mehrerer Nazi-Chatgruppen: Wir haben das Ausmaß der rechtsextremen Strömungen innerhalb der Polizei unterschätzt

Im Chat, einem geschützten sozialdigitalen Raum, kann sich die wahre Haltung einer Person besonders leicht offenbaren. Chats können eine Intimität erzeugen wie kein anderes digitales Instrument.

19.09.2020 – Rechte Chats: Zwei Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern suspendiert

Wer in die Seele eines Menschen schauen will, muss nur seine WhatsApp-Chats aufrufen – trotz aller Rollen und Posen, die viele Leute dort einnehmen, oder auch gerade deshalb. Denn so lässt sich spielerisch austesten, was noch sagbar ist. Im Zweifel war es eben ein schlechter Scherz oder eine unangemessene Übertreibung. Auf diese Weise kann man gemeinschaftlich erkunden, wie die Chatgruppe tatsächlich denkt und fühlt.

01.10.2020 – Rechtsextreme Chatgruppen: Rassismus beim Verfassungsschutz? Polizisten unter Verdacht

Kein Zufall, dass Extremisten aller Art Chats lieben. Nicht nur, dass sich solche geschützten Räume gut für die Terrorplanung eignen. Weil die großen Social-Media-Plattformen wie YouTube, Facebook, Twitter immer offensiver extremistische Accounts löschen, unternimmt etwa der »Islamische Staat« seit Jahren einen Rückzug in Chatsysteme wie RocketChat. Aufgrund der Struktur dieser vernetzten Software gibt es – anders als etwa bei WhatsApp – keinen zentralen Verantwortlichen. Mit etwas Fachkenntnis lässt sich damit anonym, verschlüsselt und kaum auffind- oder gar abschaltbar chatten.

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01.10.2020 – Bei Polizei in Berlin: Rassistische Chatgruppe aufgedeckt

Die indonesische Wissenschaftlerin Nava Nuraniyah hat die Bedeutung von Chatgruppen für islamistische Extremisten untersucht, ihr Fazit lautet: »Private Chatgruppen funktionieren hauptsächlich als Ort für soziale Interaktion und persönliche Bindung, sie helfen, die extremistischen Netzwerke auszuweiten, stärken den Gruppenzusammenhalt und verfestigen die Überzeugungen.«

05.10.2020 – Braune Chats in Sachsen: Wieder Polizist suspendiert

Die soziale Dynamik von Chats kann man kaum überschätzen. Ein häufig gehörtes Argument in der Diskussion zur Onlineradikalisierung lautet: Soziale Medien machen nur sichtbar, was zuvor schon da war. Als Gegenargument wird dann ebenso oft erklärt: Soziale Medien verursachen die Radikalisierung.

Quelle       :         Spiegel-online         >>>>>        weiterlesen


Grafikquellen    :

Oben       —       Hamburger Polizeibeamte bei einer Festnahme

Author Vanis~commonswiki

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Unten          —        Sascha Lobo; 10 Jahre Wikipedia; Party am 15.01.2011 in Berlin.

Ein Kommentar zu “Die dunkle Macht der Chats”

  1. Jimmy Bulanik sagt:

    Das Phänomen ist nicht neu. Im Kontext des kalten Krieges wurde dies sogar informell gepflegt und war erwünscht. Dabei sind Sicherheitsbehörden kein monolitischer Block. Heute leben wir in anderen Zeiten. Der Zeitgeist in der Welt befindet sich im im progressiven Sinne in einer Entwicklung. Das verändert auch die Befindlichkeiten. Die Gesellschaften werden bunter. Das mündet in mehr Gerechtigkeit. Das die Geschlechter in der Gesellschaften gerechter die Macht teilen, die humane Wertschöpfung gerechter gewürdigt wird. Auch die Menschen welche mit einer Behinderung leben müssen, erfahren heute mehr Schutz. Immer mehr Menschen auf dem Globus achten auf die Natur. Das ist zu begrüßen. Heute gehört es zum Zeitgeist sich um das Wohl der Mitgeschöpfe zu Gedanken zu machen. Jede und jeder kann mittels dem aktiven Ausüben der verbrieften Grundrechte etwas zum positiven Bewerkstelligen. Das Schreiben an die MdL, MdB. Diese Zuschriften werden dort gelesen und kultiviert. Auch sollten solche Zuschriften auch mit den Zuschauerredaktionen kommuniziert werden. Wer kann, sollte für einen vernünftigen, sozialen Sinn eine Spende überweisen.

    Es gibt viele Wege die welt zu einem besserem Ort zu gestalten. Wobei das gestalten Freude bereitet.

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