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RENTENANGST

Die Demokratiehacker

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 3. Mai 2018

Die Facebook-Demokratur

von Daniel Leisegang

Der jüngste Facebook-Skandal führt einmal mehr vor Augen, wie fahrlässig das soziale Netzwerk mit den Daten seiner Nutzerinnen und Nutzer umgeht. Vor allem aber verdeutlicht er, vor welch gewaltige Herausforderungen Konzerne wie Facebook und Co. unsere Demokratie stellen, wie die folgenden Beiträge von Daniel Leisegang, Daniel Pelletier und Maximilian Probst sowie Ulrich Dolata aufzeigen. – D. Red. Blätter

Als Mark Zuckerberg am 11. und 12. April Abgeordneten des US-Kongresses Rede und Antwort stehen musste, gab er sich betont reumütig: Er persönlich übernehme die Verantwortung für den bislang größten Datenskandal in der Geschichte von Facebook. Zugleich aber blieb der Konzern-Chef wichtige Antworten schuldig. So konnte er weiterhin keine Auskunft darüber erteilen, welche Datenmengen genau das Unternehmen Cambridge Analytica (CA) vier Jahre zuvor aus dem Netzwerk abgesaugt hatte.

Ins Rollen gebracht hatte den Skandal der Whistleblower Christopher Wylie einige Wochen zuvor im britischen „Guardian“.  Ihm zufolge hat CA, das Wylie mitbegründete und 2014 verließ, unerlaubterweise die persönlichen Daten von knapp 90 Millionen Menschen abgegriffen und für politische Zwecke missbraucht. Dies ist gewiss nicht der einzige Fall: Zwischen 2008 und 2015 erlaubte Facebook Tausenden Apps, Daten von Nutzern sowie von deren Freundinnen und Freunden zu sammeln.

CA jedenfalls nutzte die Daten für sogenanntes Microtargeting – Werbebotschaften, die auf spezifische Personengruppen zugeschnitten sind. Laut Wylie ermittelte das Unternehmen gezielt die „seelischen Schwachstellen“ von Nutzern und optimierte damit den Einsatz von politischer Online-Werbung erheblich. Auf diese Weise habe CA entscheidend zum Ausgang der letzten US-Präsidentschaftswahl und des Brexit-Referendums beigetragen.

All dies führt einmal mehr vor Augen, wie fahrlässig Facebook mit den Daten seiner Nutzerinnen und Nutzer umgeht. Vor allem aber wirft es ein grelles Licht auf jene dubiose Branche, die bislang im Verborgenen agierte: die der Demokratiehacker. Denn das Ziel von Unternehmen wie CA ist es, demokratische Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse mit Hilfe von Daten gezielt zu manipulieren. Der Wille des Volkes soll so dem Wunsch der Auftraggeber entsprechend umgeformt werden.

Psychologisches Kriegsführungswerkzeug

CA wurde 2013 in den USA als Tochterunternehmen der britischen Strategic Communication Laboratories Group (SCL Group) gegründet. Sie ist bereits 20 Jahre länger im Geschäft und auf „Verhaltensforschung“ sowie „strategische Kommunikation“ spezialisiert. CA konzentriert sich auf Datenanalyse – „Data drives all we do“, lautet das Firmenmotto. In enger Kooperation kre­ie­ren die beiden Unternehmen mit den Methoden der Statistik, Psychologie und des Social Engineering ebenjenen Code, der die Demokratie hacken soll.

An die Daten der Facebook-Nutzer gelangte CA mit Hilfe einer eigens dafür gebauten Smartphone-App namens „This is your digital Life“ – ein Persönlichkeitsquiz, das der Psychologe Aleksandr Kogan 2014 erstellte. Die App ermöglicht den Zugriff auf nahezu alle persönlichen Daten der Facebook-Nutzer: angefangen beim Geschlecht, dem Alter, dem Bildungsgrad und dem Haushaltseinkommen über die Netzwerkaktivitäten, Kontakte und vertraulichen Nachrichten bis hin zum Beziehungsstatus, der sexuellen und politischen Orientierung sowie der Religionszugehörigkeit.

Um „verborgene Wählertrends und Verhaltensauslöser“ aufzuspüren, erstellte CA aus den Daten Psychogramme, die die Nutzer nach verschiedenen Kriterien klassifizieren. Damit verfügte das Unternehmen, so Wylie, über ein „psychologisches Kriegsführungs-und-Mindfuck-Werkzeug“. SCL-Geschäftsführer Nigel Oakes scheut dabei keine historischen Vergleiche: „Wir nutzen die gleichen Techniken wie Aristoteles und Hitler. […] Wir sprechen die Menschen auf emotionale Art und Weise an, um sie dazu zu bewegen, auf einer fachlichen Ebene zuzustimmen.“

Zu diesem Zweck beauftragt CA auch ehemalige Geheimdienstmitarbeiter. In einem geheim aufgezeichneten Video brüsten sich der damalige Firmenchef Alexander Nix und CA-Manager Mark Turnbull mit Betrügereien und initiierten Schmutzkampagnen, bei denen auch „schöne ukrainische Frauen“ zum Einsatz kämen. Kompromittierende Videos müsste man dann nur noch in den „Blutstrom des Internets“ geben.

Cambridge Analytica betreibt jährlich bis zu zehn Kampagnen, die Auftraggebern das Amt des Premierministers oder Präsidenten sichern sollen. Zu diesen zählt Turnbull zufolge auch der amtierende kenianische Präsident, Uhuru Kanyatta. Ihm habe CA 2013 und 2017 mit einem Rundum-sorglos-Paket zu Wahlsiegen verholfen: „Wir haben seine [Kenyattas] Partei zwei Mal neu gebrandet, ihr Wahlprogramm geschrieben, zwei Mal je rund 50 000 Umfragen durchgeführt, jede einzelne Rede formuliert. Letztlich haben wir die komplette Kampagne verantwortet.“

Insbesondere die Wahl im vergangenen Jahr war von Chaos und Gewalt begleitet und musste nach einer Entscheidung des kenianischen Verfassungsgerichts wiederholt werden. Die Opposition verlangt nun nach Aufklärung. Sie verdächtigt CA, „spalterische Propaganda“ verbreitet zu haben. In der Tat verdichten sich die Hinweise darauf, dass das Unternehmen unter anderem hinter einer Schmutzkampagne steckt, die den Gegenkandidaten Raila Odinga mit einem Anstieg von Krankheiten, Kriminalität, Obdachlosigkeit und mit der Terrormiliz Al-Schabaab in Verbindung brachte. Es überrascht daher wenig, dass sage und schreibe 90 Prozent der Kenianer in Umfragen angaben, im Vorfeld der Wahl falsche Informationen gesehen oder gelesen zu haben.

Paranoia bei Wechselwählern schüren

Quelle   :       Blätter         >>>>>       weiterlesen

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Grafikquelle   :  Alexander Nix 2017

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