Die CDU Klimakatastrophe ?
Erstellt von Redaktion am Sonntag 25. Juli 2021
Noch eine letzte Chance
Von Johanna Henkel-Waidhofer
Seit bald einem halben Jahrhundert zieht sich eine Erkenntnis durch Studien zum Klimawandel: Je länger zu wenig investiert und reguliert wird, desto höher werden die Kosten. Mehr als hundert Menschen haben vor wenigen Tagen mit ihrem Leben bezahlt. Wer jetzt nicht umsteuert, hat sich für Regierungsämter disqualifiziert.
Sich unkonzentriert zu vergessen und zu feixen, während wenige Meter weiter der Bundespräsident zu den Opfern der Flutkatastrophe spricht, ist das eine. Armin Laschet hat sich aber noch ganz anderes geleistet in diesen Tagen mit einer Botschaft, die so viel schwerer wiegt als die Fehltritte der Grünen-Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock zusammengenommen. Einigermaßen genervt sagt der CDU-Mann in der „Aktuellen Stunde“ des WDR angesichts des Jahrhunderthochwassers fast trotzig: „Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht seine Politik.“
Laschet Hat Nichts Verstanden. Denn so wird – vermutlich ungewollt – transportiert, dass sich nicht nur in NRW, sondern in der ganzen Republik nichts ändern wird an den „rückwärtsgewandten Klientelentscheidungen zugunsten der Industrie“. So lautete die Kritik des BUND, nachdem die CDU/FDP-Koalition im März über den weiteren Umgang mit der Braunkohle entschieden hatte. Umweltverbände haben errechnet, dass dadurch die ganze Republik um mehr als ein Jahr zurückgeworfen wird im Bemühen, die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen.
Oder #LaschetHatNichtsVerstanden? Screenshot: Twitter
Denn der CO2-Jahresausstoß in Deutschland lag 2020 bei 739 Millionen Tonnen, in NRW werden durch den verlängerten Braunkohleabbau zusätzlich 900 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Zahlen stehen gegen Zahlen, denn Laschet lobt sich und seine Regierung für eine Einsparung von 1,6 Milliarden Tonnen. Angesichts der öffentlichen Aufregung sah sich die NRW-CDU zu einem Faktencheck im Netz aufgerufen. Ausgespart wurde dabei aber der Tadel, dass die wissenschaftliche Grundlage der Argumentation nicht stimme.
Dauerdebatte: umweltschonende Landesbauordnung
Negieren hat ohnehin Tradition in der Union insgesamt und in Baden-Württemberg im Besonderen. Hier wähnt man sich auf der Innovations-Überholspur im Vergleich der 16 Bundesländer. Schon weit vor der Wiedereinigung wurde 1975 (!) die Landesanstalt für Umwelt gegründet, „fachübergreifend ausgerichtet mit dem Ziel, künftig Umweltprobleme mit dem Blick aufs Ganze zu bearbeiten“, wie es im Beschluss der CDU-Alleinregierung unter Hans Filbinger hieß. Der natürlich nicht den Hinweis vergaß, dass es sich bei der neuen Einrichtung um „ein vorbildliches bundesweites Novum“ handelt.
Seit inzwischen also 46 Jahren wird gemessen und analysiert, „um auf solider Basis die Entwicklung der Umweltqualität in Baden-Württemberg bewerten zu können“, wie die langjährige Präsidentin Margareta Barth in einem der vielen Jahresberichte schreibt. „Es ist allerhöchste Zeit, den Klimaschutz zu verstärken“, heißt es in der jüngsten Publikation, weil die Jahresmitteltemperatur im Land seit 1981 schon um 1,5 Grad angestiegen sei. Und damit ist Baden-Württemberg auch das beste Beispiel dafür, dass selbst Millionen Messdaten so wenig bewirken wie Empfehlungen, wenn der politische Wille zur Umsetzung fehlt.
Ein Beleg, wie wichtig es den Schwarzen war, billige politische Punkte zu machen, sind die Dauerdebatten um eine Ökologisierung der Landesbauordnung. Schon 1993 hatte der damalige Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn entsprechende „Rahmenbedingungen“ vorgeschlagen, um Energiesparmaßnahmen mehr Beachtung einzuräumen. Erst 13 Jahre später befasste sich Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) mit den rechtlichen Möglichkeiten konkreter Veränderungen und beauftragte das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung herauszufinden, warum „vorhandene große CO2-Einsparpotenziale nicht ausgeschöpft werden“. Weitere acht Jahren mussten vergehen, bis die Grünen, inzwischen an der Regierung, weniger PKW- und mehr Fahrradstellplätze vorschreiben wollten. Und vor allem dort, wo sich Grundstücke nicht begrünen lassen, sollten Dächer oder Fassaden begrünt werden, durch kletterndes Efeu beispielsweise oder Rasen auf dem Dach. Aber nur dann, „wenn es Bauherren wirtschaftlich zumutbar ist“.
Grüne sind in Sachen Klima zu sanftmütig
Selbst solch grüne Sanftmut, unengagierte Angepasstheit würden KlimaaktivistInnen sagen, nutzte nichts. CDU und FDP organisierten im bewährten Verein mit den Interessenverbänden der Haus- und Grundstücksbesitzer einen Widerstand, dem ökologische Aspekte erkennbar egal waren: Sinnvolle Vorschriften oder selbst Soll-Bestimmungen im Kampf gegen die Erderwärmung wurden diskreditiert als grüne Spintisierereien, als mutwillige Schwächung des Wirtschaftsstandorts, auf jeden Fall als schädlich und überflüssig. Dabei konnten doch zumindest die UmweltpolitikerInnen jeder Couleur schon allein auf Grund der gesammelten Daten wissen, dass jede einschlägige Veränderung der Vorgaben aus Gründen des Gemeinwohls kollektive Unterstützung benötigt hätte.
Stattdessen flüchtete sich die Union auf Bundes- und Landesebene in selbstbeweihräuchernde Klimarhetorik. „Deutschland hat seine Verpflichtungen mehr als übererfüllt“, schreiben die beiden Parteien allen Ernstes in ihr Bundestagswahlprogramm von 2013. Neue ehrgeizige Ziele müssten den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft „angemessen berücksichtigen“. Baden-Württemberg habe „vorbildliche Kennzahlen“, hatte die Landes-CDU schon zwei Jahre vorher getönt.
Quelle : KONTEXT: Wochenzeitung-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — B 265 nach Flutschäden in Erftstadt im Juli 2021