Schland im Nahostkonflikt
Erstellt von Redaktion am Dienstag 18. Mai 2021
Vergesst die Zweistaatenlösung
Ein Glas ist voll, wenn die Flasche leer ist ?
Ein Kommentar von Juliane von Mittelstaedt
Die deutsche Außenpolitik hofft immer noch auf Friedensverhandlungen, an deren Ende Israelis und Palästinenser in zwei Staaten leben. Das ist eine schöne Idee – nur leider höchst unrealistisch. Es ist Zeit für neue Ideen.
Außenminister Heiko Maas hat einen Dreistufenplan zur Deeskalation des Gazakonflikts gefordert, der leider eher Satire als Außenpolitik ist. Sein in der »Bild am Sonntag« skizzierter Plan enthält: 1.) einen Stopp des Raketenterrors, 2.) ein Ende der Gewalt, und 3.) die Rückkehr zu Gesprächen über eine Zweistaatenlösung. Die ersten beiden Punkte sind natürlich absolut richtig, so richtig, dass man dafür keinen Plan braucht, sondern bloß ein wenig Menschenverstand. Die Forderung nach einer Zweistaatenlösung ist allerdings eine politische Floskel, die inzwischen gefährlich ist – für Israel, die Palästinenser und auch Deutschland, wie man an den aktuellen antisemitischen Protesten sieht. Denn diese leere Formel bedeutet nichts anderes als: Es geschieht nichts. Und Nichtstun kostet im Nahen Osten Menschenleben. Der jetzige Gazakrieg ist der vierte in den vergangenen 13 Jahren, es gab seitdem Tausende Tote und unermessliches Leid, auf beiden Seiten.
Eine ziemlich bequeme Utopie
Die Zweistaatenlösung ist inzwischen zur Utopie geworden. Das stört allerdings vor allem deutsche Spitzenpolitiker wenig, denn es ist eine ziemlich bequeme Utopie. Eine Zweistaatenlösung kann man folgen- und shitstormlos fordern, man macht damit alles richtig, denn wer kann schon gegen einen eigenen Staat für Israelis und Palästinenser sein? Und Friedensverhandlungen sind natürlich immer eine gute Sache. Nur leider gibt es weder auf israelischer noch auf palästinensischer Seite jemanden, mit dem man derzeit über so etwas wie den großen, ewigen Frieden verhandeln könnte. Benjamin Netanyahu will nicht, Mahmoud Abbas kann nicht, und die Hamas darf nicht. Es gibt auch kaum einen in der Region, der noch daran glaubt, dass so eine Lösung umsetzbar ist. Vor allem die Israelis haben mit ihrem Siedlungsbau viel dafür getan, eine Einstaatenlösung de facto in Beton zu gießen. Wer in dieser Situation glaubt, über Frieden verhandeln zu können, über die vertrackte Verteilung von Land und Ressourcen, kann nur scheitern.
Politiker – welche sich Land unter die Fingernägeln gerissen haben, sollten auch für die Sicherheit aller ihrer Bürger-Innen verantwortlich sein. Ansonsten – weg damit in die Negev-Wüste.
Natürlich, Netanyahu wird eines Tages abgelöst werden, und Mahmoud Abbas wird irgendwann nicht mehr an der Macht sein – aber während wir darauf warten, dass es irgendwann eine politische Konstellation gibt, die eine Zweistaatenlösung möglich macht, wird es Gazakrieg Nummer fünf und sechs geben. Die Besatzung des Westjordanlands wird die israelische Demokratie weiter erodieren lassen und den Konflikt zwischen jüdischen und arabischen Bürgern anheizen, all das wird gerade in aller Schärfe sichtbar.
Der Konflikt und die daraus resultierende Hoffnungslosigkeit, der große Frust vor allem auf palästinensischer Seite, ist der Auslöser für diese jüngste kriegerische Auseinandersetzung. Sie zeigt, dass warten und hoffen auf bessere Zeiten keine Strategie ist, dass sich der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nicht in Luft auflöst, bloß weil gerade keine Raketen fliegen. Es fehlt eine echte, realistische Strategie, es fehlen Mut und Engagement, politisches Kapital einzusetzen. Und es fehlt sogar die Weitsicht, in einem solchen Prozess Chancen zu sehen, die über die unmittelbare Lage im Nahen Osten hinausgehen. Weil es die Glaubwürdigkeit des Westens weltweit befördern würde, insbesondere gegenüber der muslimischen Welt. Wenn Deutschland ernst nimmt, was Angela Merkel 2008 in der Knesset sagte, dass die Sicherheit Israels nicht verhandelbar und Teil der deutschen Staatsräson ist, dann hat die deutsche Diplomatie versagt.
Quelle : Spiegel >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — On a one-day visit to Tehran, German Foreign Minister Heiko Maas held a meeting with his Iranian counterpart Mohammad Javad Zarif on Monday at Iran’s Foreign Ministry Building.
Fars News Agency
- CC BY 4.0
- File:Iran’s FM Javad Zarif Meets German FM Heiko Maas 15.jpg
- Created: 10 June 2019
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Unten — Berlin and Israel walls
Carlos Latuff – http://latuff2.deviantart.com/art/Berlin-and-Israel-walls-143071870
- CC BY-SA 3.0view terms
- File:TheBerlinWall20YearsLaterIsraelWall.png
- Created: 9 November 2009
Erstellt am Dienstag 18. Mai 2021 um 13:33 und abgelegt unter Feuilleton, Nah-Ost, Regierung, Religionen. Kommentare zu diesen Eintrag im RSS 2.0 Feed. Sie können zum Ende springen und ein Kommentar hinterlassen. Pingen ist im Augenblick nicht erlaubt.