Die Schmiergeldindustrie
Erstellt von Redaktion am Dienstag 27. Oktober 2020
Korruption in der Politik –
Bundestag verhindert Aufklärung
Von Frederik Richter, Correctiv
Lange wollte die Politik selbst bestimmen, was Bestechung ist – und was nicht. Noch immer hält sie wichtige Prüfungen vor der Öffentlichkeit geheim. Möglicherweise hat sie Anlass dazu.
Sie nehmen Bargeldspenden in unbegrenzter Höhe entgegen. Sie legen ihre Finanzen, ihr Vermögen und ihre Schulden nicht offen. Geheimdienstmitarbeiter dürfen ihnen über Tarnidentitäten Geld zukommen lassen. Sie setzen sich dafür ein, dass sie bestochen werden dürfen. Die Rede ist nicht von Politikern in einem südamerikanischen Land oder den Familienmitgliedern eines Kleptokraten in Afrika. Sondern von den Abgeordneten des Deutschen Bundestags.
Politik ist käuflich, seitdem es Politik gibt. Ohne Geld ist es auch in westlichen Demokratien schwierig, an die Macht zu kommen. Andersherum braucht auch die Wirtschaft politischen Einfluss. Dennoch zählt Deutschland weltweit wie auch in Europa bei der Korruptionsbekämpfung immer wieder zu den Schlusslichtern. Besonders die Abgeordneten des Deutschen Bundestags tun alles dafür, dass ihre Geheimnisse nicht publik werden.
Die Organisation LobbyControl schätzt, dass der Öffentlichkeit die Spender von 75 Prozent aller Zuwendungen an die politischen Parteien unbekannt sind. Denn Spenden unter 10.000 Euro müssen nicht bekannt gemacht werden. Eine effektive, unabhängige Überprüfung dieser ohnehin schon lockeren Regeln für Parteispenden findet in Deutschland nicht statt. Die Bundestagsverwaltung prüft die Rechenschaftsberichte der Parteien.
Wie genau die Prüfung vonstatten geht, ist unbekannt. Noch problematischer ist die Finanzierung der Bundestagsabgeordneten selbst. Sie müssen nur Spenden ab 5.000 Euro überhaupt melden. Die Regeln für die Parlamentarier bestimmt der Ältestenrat – also die Abgeordneten selbst.
Auch bei der internationalen Korruptionsgesetzgebung zählt Deutschland immer wieder zu den Schlusslichtern. Erst wenn die Blamage zu offensichtlich wird, bewegt sich die Berliner Politik. Zum Beispiel die Konvention der Vereinten Nationen gegen Korruption. Sie trat 2005 in Kraft – in Deutschland jedoch erst fast zehn Jahre später. Denn die UN-Konvention verlangt, dass Abgeordnetenbestechung verboten ist. Und für ein solches Verbot fand sich im politischen Berlin lange Zeit keine Mehrheit.
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Deutschland fand sich irgendwann in der Gesellschaft von Nordkorea, Somalia, Syrien und Andorra wieder, die die Konvention ebenfalls noch nicht ratifiziert hatten. Selbst der in ihren Geschäftsmethoden wenig zimperlichen deutschen Wirtschaft war es am Ende peinlich. Immer wieder forderten Wirtschaftsvertreter die Politik auf, die UN-Konvention endlich umzusetzen. Die Geisteshaltung der Politik brachte besonders der CDU-Politiker Volker Kauder in den Bundestagsdebatten über die UN-Konvention zum Ausdruck: „Politik ist ein eigenes Geschäft“, sagte Kauder und forderte, dass die Verhaltensregeln des Bundestags und nicht das Strafrecht die Bestechlichkeit von Abgeordneten verhindern sollten.
Mit anderen Worten: Die Politik solle weiterhin selbst bestimmen, was Bestechung sei und was nicht. Strafrechtlich verankerte und damit durch die Justiz überwachte Regeln sollen für Ärzte, Staatsanwälte, Richter und auch Manager gelten, nicht jedoch für Abgeordnete.
Rügen aus Straßburg
Der Fall der UN-Konvention macht auf besonders spektakuläre Weise deutlich, dass der Exportweltmeister Deutschland kein Interesse an effektiver Bekämpfung von Korruption hat. Es ist jedoch nicht der einzige dieser Art. Auch der Europarat in Straßburg rügt Deutschland regelmäßig für die fehlende Umsetzung wichtiger Instrumente im Kampf gegen Korruption.
Quelle : T-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Graffiti in Zagreb, Croatia.