Der Westen und Russland
Erstellt von Redaktion am Freitag 18. Juni 2021
Lebensgefährliche Selbstüberschätzung
Eine Kolumne von Bettina Gaus
Bei seinem Treffen mit Wladimir Putin wollte Joe Biden die Überlegenheit des Westens demonstrieren. Dabei war die Demütigung des Gegners noch nie eine kluge Strategie.
In den letzten Tagen waren sehr, sehr nette Bilder vom G7-Treffen zu besichtigen – ist der kleine Sohn des britischen Premiers Boris Johnson nicht total süß? –, fast sentimentale Freundschaftsbekundungen beim Nato-Gipfel zu hören und harsche Töne im Vorfeld der Begegnung von Joe Biden und Wladimir Putin zu vernehmen. Wem soll all das nutzen? Der Selbstdarstellung der Hauptdarsteller. Sonst niemandem.
Man kann Putin mit Recht für einen verbrecherischen Politiker halten und seinen Sinn für Sarkasmus dennoch würdigen. Joe Biden habe über seine Familie gesprochen, auch über seine Mutter, erzählte der russische Staatschef milde lächelnd im Anschluss an das Gipfeltreffen mit dem US-Präsidenten. Das sei vielleicht »nicht so relevant« gewesen, habe ihm aber geholfen, den Mann etwas besser kennenzulernen. Und: »Ich sah einen Schimmer der Hoffnung in seinen Augen.« Eine Anspielung darauf, dass Biden bei einer Begegnung 2011 angeblich zu ihm gesagt hatte, er sehe in seinen Augen »keine Seele«.
Hübsch gemein war dieser Seitenhieb, und es wäre möglich, darüber zu lachen, ginge es um etwas weniger Wichtiges als um den Weltfrieden. Darum ging es aber, und wer das Imponiergehabe beider Staatsmänner schon im Vorfeld der Begegnung verfolgt hatte, musste sich fragen, ob ihnen das eigentlich tatsächlich bewusst war. Wer lässt wen warten, wer drückt wem fester die Hand? Wenn solche Fragen für wichtig gehalten werden, dann können Politiker sich gleich auf die eigene Brust trommeln. An dieser Stelle wird übrigens absichtlich nicht gegendert. Derlei Albernheiten, wenigstens diese, sind Politikerinnen fremd. Weltweit.
Im Hinblick auf Imagepflege stand von vornherein fest, dass sowohl Biden wie auch Putin ihre Ziele erreichen würden. Was in Japan, China, der Türkei oder in Deutschland über ihre Auftritte gedacht wird, schien ihnen ziemlich gleichgültig zu sein. Sie spielten vor allem für ihr jeweils heimisches Publikum.
Putin gab den souveränen Staatsmann, der dem Präsidenten der Vereinigten Staaten auf Augenhöhe begegnete. Nette Vorstellung, Szenenapplaus. Für Biden ging es darum, sich von seinem Vorgänger Donald Trump abzugrenzen. Also demonstrierte er Herzlichkeit gegenüber den Verbündeten und unerbittliche Härte gegenüber Rivalen und Gegnern. Rote Linien überall. Das kommt zu Hause gut an, auch wenn es – gottlob – ein wenig unverbindlich ist. Ich bin ja schon dankbar, dass Biden nicht konkret erklärt hat, was er eigentlich plant, falls Putin eine seiner Linien überschreitet. Das könnte mich das Fürchten lehren.
Die Demütigung starker Militärmächte war noch nie eine kluge Strategie, so wenig wie mangelnde Rücksicht auf deren Sicherheitsinteressen. Putin könnte der netteste Mann aller Zeiten sein – wenn er die Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die Nato mit freundlichem Kopfnicken begleitete, dann handelte er im Hinblick auf russische Interessen verantwortungslos. Er wird das nicht tun.
Quelle : Spiegel >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Talks between Russian President Vladimir Putin and President of the United States of America Joseph Biden in Geneva, on 16 June 2021.
- CC BY 4.0
- File:Joe Biden and Vladimir Putin in Geneva, 16 June 2021 (05).jpg
- Created: 16 June 2021
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Unten — Betina Gaus
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Attribution: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons) |
Erstellt am Freitag 18. Juni 2021 um 12:08 und abgelegt unter Amerika, Asien, International, Regierung. Kommentare zu diesen Eintrag im RSS 2.0 Feed. Sie können zum Ende springen und ein Kommentar hinterlassen. Pingen ist im Augenblick nicht erlaubt.