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Der Wert der Gesellschaft

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 4. Dezember 2013

Der Wert der Gesellschaft und die Macht des Bösen

Die Gestaltung eines selbständigen und selbstbestimmten Lebens, in dem jeder in seiner Persönlichkeit sich frei entfalten kann, in dem jeder ein Recht auf körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit hat und in dem die Freiheit der Person garantiert ist, ist aus praktischer wie theoretischer Sicht die eigentliche Keimzelle einer freien Gesellschaft. Das gilt für Alt und Jung.

Die Freiheit des Einzelnen, die sich immer nur in der Verwirklichung der Freiheit des Anderen entfalten kann, fordert die Gesellschaft heraus. Denn diese Gesellschaft muss es wert sein, in ihr zu leben. Gleichzeitig aber verpflichtet sich der Einzelne, an der Gesellschaft teilzunehmen und keinen Zustand zu akzeptieren, der Unglück herbeiführen kann – und also keine Ungerechtigkeit.

In keiner anderen Gesellschaftsform lässt sich die freiheitliche Gestaltung des Lebens und die freie Entfaltung der Persönlichkeit besser verwirklichen als in der Gesellschaftsform der Demokratie. Denn Demokratie, so schon Kant, bedeutet Selbstgesetzgebung, bedeutet die Verantwortlichkeit des Einzelnen sich selbst und der Gesellschaft gegenüber. Dabei geht es nicht um Machtverhältnisse, sondern ausdrücklich um partnerschaftliches Beisammensein, es geht um den herrschaftsfreien Diskurs, er erlaubt keine wie auch immer geartete Diktatur. Demokratie erfordert deshalb fortwährende Achtsamkeit und Wachsamkeit, sie erfordert Bürgerinnen und Bürger, die Selbstachtung und Selbstbewusstsein in sich herausgebildet haben, die die Kraft des stolzen Selbst in sich lebendig fühlen und die ihr eigenes Denken und Handeln nie unter die Herrschaft eines Anderen stellen und es niemals zulassen, dass sich andere zu ihren Beherrschern aufschwingen.

Seit spätestens dem Zeitalter der Aufklärung vor etwa zweihundertundfünfzig Jahren ist dieses Wissen in den Köpfen der europäischen Menschen präsent. Es mag zwar in vielen Köpfen schlafen, es mag verschüttet sein oder von Gier und Arroganz überdeckt,  aber es ist nicht verloren. Es ist spätestens seit jenen Jahren unausrottbar im Denken der Europäer, als Immanuel Kant den Wahlspruch der Aufklärung formulierte: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung“

Aus ihrem so gesehenen Selbstverständnis kann folglich keine Demokratie es hinnehmen, wenn sich in ihr nichtdemokratische Machtstrukturen entwickeln. Denn in ihr geht alle Staatsgewalt „vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“ (Art. 20 GG).

Die Aufklärung verlangt somit den emanzipatorischen Aufbruch. Gleichberechtigte Partnerschaft ist das Ziel. Von ihr, vom partnerschaftlichen Beisammensein, hängt das mögliche Glück unserer ganzen Gesellschaft ab. Tyrannisches Handeln, wie etwa das Handeln der Finanzmärkte, die Diktatur der Märkte und die Diktatur der Ideologien schadet der Gemeinschaft und ist dem Gemeinwohl zutiefst zuwider. Es gibt keine Hoffnung auf wahre Reformen, wenn dieses Übel unerkannt und unbekämpft bleibt und unbeschrieben in nebulösen Nischen unserer Gesellschaft lauert.

Jene, die den gerechten Zorn und die Kraft des stolzen Selbst in sich lebendig spüren, werden Tyrannei und jegliche Art von Diktatur glühend und voller Leidenschaft bekämpfen. Es ist der heilige Zorn gegen Ungerechtigkeit, der sie treibt. Es ist Zorn – nicht Wut. Wenn auch gewisse Medien den Unterschied, der Zorn von Wut radikal trennt, nicht ansatzweise verstehen. Solche Medien erfinden dann das Konstrukt vom „Wutbürger“ – obwohl an dieser Stelle der Begriff vom „Mutbürger“ angebracht ist. Es sind unfertige Medien, verblödete Medien, menschenverachtende Medien, die die Unterschiede der Begriffe nicht zu definieren wissen.

Zorn ist der Beweggrund, der auf Gerechtigkeit hinweist. Der gerechte Zorn ist göttlichen Ursprungs, durch ihn werden die Appelle der Gottheit den Sterblichen kund. Denn Zorn ist ein stolzgetriebener Affekt, der immer einen Bezug zur Heiligkeit besitzt. Eine Gesellschaft, die diesen Zorn nicht mehr zulässt, die es zulässt, dass geistlose und zynische Medienmacher, gierige Krämerseelen und verantwortungslose Politiker ihn verunglimpfen und in die Gosse zerren, ist ein Gesellschaft ohne wahre Größe.

„Das griechische Kennwort für das ‚Organ‘ in der Brust von Helden und Menschen, von dem die großen Aufwallungen ausgehen, lautet ‚thymos‘ – es bezeichnet den Regungsherd des stolzen Selbst, zugleich auch den rezeptiven ‚Sinn‘, durch den die Appelle der Götter sich den Sterblichen kundgeben.“

Es geht, wie eingangs gesagt, um eine Gesellschaft, die es Wert ist, dass der Einzelne in  ihr frei leben kann. Dieser Wert, der die Würde des Menschen, seine Einzigartigkeit und seine Selbstbestimmung zum Bezugspunkt hat, ist ein moralischer Wert – und dieser moralischer Wert darf nicht charakterschwachen Politikern, darf nicht Geschäftemachern und Wucherern, darf nicht gierigen Spekulanten jedweder Couleur überlassen werden.

Die Tage des Zorns werden kommen, wenn es unserer Gesellschaft nicht gelingt, die moralischen Maßstäbe, den Maßstab der Gerechtigkeit, den Maßstab der  Besonnenheit, den Maßstab der  Klugheit gepaart mit Tapferkeit und den Maßstab des Maßhaltens zu Richtschnur ihrer inneren Haltung zu machen. Ohne Moral wird sich alles menschliche Handeln in unmenschliches Handeln verkehren.

Gerd Heming (Vors.), Münster

November/ Dezember 2013

Bund der Pflegeversicherten e.V.

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Fotoquelle: Wikipedia
Source     It’s all about love
Author     Candida Performa

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