Der Wahlkampf NRW
Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 1. Mai 2010
Sundermeier im Zug durch NRW
Eine Betrachtung des Wahlkampf in NRW aus der Sicht eines Reisenden. IE.
Biertrinken und Schweigen.
Der Schriftsteller Jörg Sundermeier reiste für die taz mit der Regionalbahn durch Nordrhein-Westfalen, um herauszufinden: Wie sieht’s dort aus vor der Wahl am 9. Mai?
VON JÖRG SUNDERMEIER
Was ist Nordrhein-Westfalen? Zunächst einmal ist das Bundesland ein Völkergefängnis – auf ganz andere Weise als Bayern. Über Bayern wusste Edmund Stoiber zu sagen, dass es dort „fünf Stämme“ gäbe: „Die Juden sind neben den Altbaiern, Schwaben und Franken und den heimatvertriebenen Sudetendeutschen in Bayern ein eigener Stamm.“ Aber der Franke als solcher ist, auch wenn er nicht Bayer genannt werden mag, doch mit diesem verwandt und eben nicht mit den Schwaben oder gar den Thüringern.
Den Nordrhein-Westfalen hingegen gibt es nicht als solchen. Er ist entweder Rheinländer oder aus dem Pott, ist Sauerländer, Lipper oder Westfale. Einzig die Westfalen, die Pottbewohner und die Sauerländer einen ihre Charakterzüge, der Lipper bereits neigt dem Niedersächsischen zu, der Rheinländer hingegen ist ein halber Südländer.
Das Land, das bereits im Namen zwiegespalten ist, teilt sich scharf in zwei Landschaftsverbände: in den Landschaftsverband Rheinland und den Landschaftsverband Westfalen-Lippe.
Ich habe, um das Land, in dem ich selbst aufgewachsen bin – geboren bin ich in Gütersloh -, zu erkunden, die Regionalbahn genommen. In Minden wechselte ich um 17 Uhr aus dem IC in einen RE und war sofort begeistert. Die Gesichter der Menschen wurden breiter, die Worte wurden breit gezogen, und das typische „ne?“ wurde an jeden Satz angehängt. Das hörte sich so an: „Willstn Bier, ne?“ So sprach auf dem Bahnsteig neben mir der recht gepflegte Bürotyp zu einem Kollegen. Dann angelte er zwei Bierdosen aus seiner Tasche und reichte dem anderen eine. Der andere hatte geschwiegen und sich somit richtig verhalten. „Willstn Bier, ne?“ ist keine Frage, es ist eine Feststellung, Einwände sind nicht möglich. Im Westfälischen sind – gerade unter Einheimischen – Einwände sowieso nicht vorgesehen.
Quelle : TAZ <<<<< Weiterlesen
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