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Der Ukraine – Krieg

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 4. Mai 2022

Ressourcenkriege sind heute  – „das neue Normal“

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Udo Hase

Vorbemerkung

Wenn Krieg gerechtfertigt wird, oder Gründe gesucht werden, warum im 21. Jahrhundert überhaupt noch Kriege stattfinden, werden die materiellen Gründe vom üblichen Propagandanebel so lange besprüht, bis sie gar nicht mehr zu existieren scheinen. Dabei sind diese „materiellen Gründe“ im 21. Jahrhundert sehr evident. Wenn wir im Jahr 2022 über Geopolitik reden, reden wir über den Zugriff auf Ressourcen und ggf. über den Kampf um günstige Ausgangspositionen zur Kontrolle über diese Ressourcen. Die Bedeutung dieses Motives hat angesichts der bereits minutiös berechneten Verknappungen in Folge der Klimakatastrophe so dramatisch zugenommen, dass in diesem Jahrhundert mit weitaus mehr „militärischen Versuchen“ zu rechnen ist. Die Voraussetzung dafür sind jedoch sehr ungleich verteilt. Krieg als Mittel zur Durchsetzung von Ressourcenkontrolle setzt militärische Potenz voraus und wird auch weiterhin immer einer Risikoabwägung durch den Angreifer unterliegen, insbesondere dann, wenn die konkurrierenden Staaten über strategische und taktische Nuklearwaffen verfügen.
Dieser Artikel beginnt mit zwei Situationsbeschreibungen: einer über landwirtschaftlich nutzbare Böden – und einer über die Wasserverfügbarkeit. Sie wurden ausgewählt, weil es sich um die notwendigsten „Zutaten“ zur Lebensmitteproduktion handelt und letztere ein wesentlicher Grund für den Ukrainekrieg ist. Damit soll der Hintergrund oder das „Bühnenbild“ für die Aufführung „Krieg“ ausgeleuchtet werden. Danach wird es um die konkrete Rolle der Ukraine und ihre spezifische Bedeutung in diesem Kontext gehen. Ziel ist es, den Propagandanebel zu vertreiben und damit einen Blick auf die Realität zu ermöglichen. Nicht der geistige Gesundheitszustand des russischen Präsidenten oder dessen Vorstellungen von russischem Imperialismus sind die realen Auslöser für diesen Krieg, sondern das Bestreben von Staaten und Machtblöcken, die global ausübbare Macht durch die Kontrolle über planetare Ressourcen zu erlangen, respektive zu sichern.

Die Menschheit verliert den Boden unter den Füßen

Als hätten wir der Erde mit menschengemachter Erwärmung und dem ebenfalls menschengemachten dramatischen Artenschwund nicht genug Probleme gemacht: 40 Prozent der Böden, die wir zur Produktion von Lebensmitteln benötigen, sind inzwischen geschädigt, vor allem durch die aktuelle landwirtschaftliche Praxis, stellt der neue Global Land Outlook der UN fest. Ein Drittel der Landfläche unseres Planeten benötigt also dringend eine Instandsetzung, oder besser gesagt eine vermutlich jahrzehntewährende Erholung von den zerstörerischen landwirtschaftlichen und industriellen Produktionsmethoden.

Die UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung UNCCD hat ihren aktuellen Bericht vorgelegt.

Die Ergebnisse der Untersuchungen sind bitter. Der neue Bericht „Global Land Outlook 2“ zeigt, dass bereits 70 Prozent der Landflächen der Erde vom Menschen verändert wurden. 40 Prozent sind geschädigt und dadurch nicht mehr so fruchtbar ist wie ursprünglich, oder gänzlich untauglich geworden. Von den Folgeproblem sinkender Ernteerträge und zunehmender Versteppung ist mittlerweile die Hälfte der Menschheit betroffen.

Schuld am schlechten Zustand der Böden ist vor allem die Landwirtschaft. UNCCD-Chef Ibrahim Thiaw sagte: „Wir müssen dringend unsere globalen Lebensmittelsysteme überdenken, die für 80 Prozent der Entwaldung und 70 Prozent des Süßwasserverbrauchs verantwortlich sind und die mit Abstand größte Ursache für den Verlust der biologischen Vielfalt auf dem Land darstellen.“

Und diese Belastungen werden bei einem ungebremsten Fortschreiten der Entwicklung deutlich zunehmen, stellt der Bericht klar. In diesem Fall würden weitere zwölf Prozent der Böden weltweit bis zum Jahr 2050 geschädigt. Das ist eine Fläche so groß wie Südamerika.

Warnung vor einem Weiter-so

Außerdem würden bis zu diesem Zeitpunkt weitere 253 Milliarden Tonnen CO2 emittiert – durch Kohlenstoffverlust in den Böden, die Rodung von Wäldern und die Trockenlegung von Feuchtgebieten. Das entspricht den kompletten heutigen globalen Treibhausgas-Emissionen von fünfeinhalb Jahren.

Der Bericht kommt daher zum Schluss: „Ein Weiter-so ist kein gangbarer Weg für unser weiteres Überleben und unseren Wohlstand.“

Der Bericht nennt zwei Alternativen. Bei der ersten werden die Böden auf einer Fläche von 50 Millionen Quadratkilometern gezielt verbessert. Das entspricht gut einem Drittel der Landfläche unseres Planeten und ist das Fünffache der Fläche, die die Länder nach eigenen Angaben bislang wieder instand setzen wollen. Auch hier liegt, wie bei den Teibhausgas – Emissionen, schon die Absichtserklärung weit unter der Notwendigkeit.

Die Methoden bestehen zudem in profitschmälernden Maßnahmen, wie dem Verzicht auf Pflügen, durch Bäume auf Feldern und Weiden, ein besseres Weidemanagement sowie Maßnahmen gegen Bodenerosion. Dadurch ließe sich die Fruchtbarkeit der Böden in den meisten s.g. Entwicklungsländern um fünf bis zehn Prozent verbessern. Zudem würden die Böden und die Bodennutzung zu einer Netto-CO2-Senke.

Auch bei einer weiteren Abnahme der Waldfläche könnten dann Böden und Vegetation 62 Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich speichern. Wegen der fortgesetzten Ausdehnung von Agrarland und Städten würde die Artenvielfalt allerdings immer noch abnehmen. Die Lösungen sind also keineswegs wirklich nachhaltig. Inwieweit das durch den bisherigen landwirtschaftlichen Raubbau verursachte, katastrophale Artensterben die Produktivität der Böden weiter beeinträchtigt, ist, mangels umfassender Studien noch nicht klar. Klar ist: Der Einfluss ist negativ.

Mehr Schutzgebiete heißt intensivere Nahrungsproduktion

Bei einer naheliegenden Alternative zum Weiter-so werden sollen, zusätzlich zu den beschriebenen Maßnahmen, vier Millionen Quadratkilometer unter Schutz gestellt werden. Das sollen Gebiete mit besonders hoher Artenvielfalt sein sowie solche, die eine besondere Bedeutung für die Wasserregulierung oder andere Ökosystemdienstleistungen haben.

Die vorgeschlagene Ausweitung der Schutzgebiete um Flächen von der halben Größe Brasiliens würde allerdings die Nahrungsmittelproduktion stark reduzieren. Auf dem verbleibenden Agrarland müssten die Erträge dann um neun Prozent gesteigert werden und Nahrungsmittel würden sich entsprechend verteuern. Für diese Steigerung ist bisher keine nachhaltige Methode in Sicht.

Für das Klima wäre das Schutzgebiet – Konzept hingegen ein großer Vorteil. Im Vergleich zum Weiter-so würden ca. 304 Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich gebunden. Die Artenvielfalt nähme allerdings immer noch ab, wenn auch um ein Drittel geringer als bei der bisherigen Verfahrensweise.

Die dringend notwendigen Maßnahmen werden Geld kosten. Schon die Wiederherstellung von zehn Millionen Quadratkilometern wird auf rund 160 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt. Eine Kostenschätzung für eine Fläche, die fünfmal größer ist, liegt nicht vor. Zum Vergleich: der Gesamthaushalt der Bundesrepublik Deutschland lag 2021 bei 548 Milliarden Euro (etwa 578 Milliarden US – Dollar)

Zwar würde sich die Investition langfristig ganz famos rechnen, aber weder existiert ein System, um die private Landwirtschaft zu einer solchen Maßnahme zu ertüchtigen (also z.B. für die sinnvolle Verteilung von Finanzmitteln), noch gibt es auch nur eine einzige Erfahrung mit solchen Eingriffen, die nicht an der kurzfristigen Profiterwartung der privaten Produktionsmittel- und Bodenbesitzer gescheitert wäre. Die Autoren schätzen, dass für jeden investierten Dollar ein Nutzen zwischen sieben und 30 Dollar erzielt würde. Ibrahim Thiaw sagte entsprechend: „Investitionen in die großflächige Wiederherstellung von Land sind eine Win-win-Lösung: ein Gewinn für die Umwelt, für das Klima, für die Wirtschaft und für den Lebensunterhalt der lokalen Gemeinschaften.“ Wozu er wohlweislich nichts sagte, ist die notorische Erfolglosigkeit gemeinwohlorientierter Megaprojekte, wenn in deren Verlauf kurzfristige Profitinteressen beeinträchtigt werden.

(Quelle für die Daten: https://www.sonnenseite.com/de/umwelt/menschheit-verliert-den-boden-unter-den-fuessen/)

Update planetare Grenzen: Grenze für Süßwasser überschritten

Die Grenzen des Wachstums bei der Ausbeutung landwirtschaftlicher Böden ist also mehr als erreicht. Kommen wir zu einer weiteren „Baustelle“: Eine Neubewertung der planetaren Grenze im Bereich Süßwasser hat zum Ergebnis, dass diese nun überschritten ist, so ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Stockholm Resilience Centre und unter Beteiligung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Diese Schlussfolgerung ist auf die erstmalige Einbeziehung von „grünem Wasser“ – dem für Pflanzen verfügbaren Wasser – in die Bewertung der planetaren Grenze zurückzuführen.

„Wasser ist der Blutkreislauf der Biosphäre. Aber wir sind dabei, den Wasserkreislauf tiefgreifend zu verändern. Dies wirkt sich auf die Gesundheit des gesamten Planeten aus und macht ihn deutlich weniger widerstandsfähig gegen Schocks“, sagt Hauptautorin Lan Wang-Erlandsson vom Stockholm Resilience Centre (SRC) an der Universität Stockholm.

Das Konzept der planetaren Grenzen wurde erstmals 2009 von Johan Rockström – damals Direktor des SRC, heute Direktor des Potsdam-Instituts und Mitautor der neuen Studie vorgestellt. Die planetaren Grenzen markieren den sicheren Handlungsraum für die Menschheit (innerer grüner Kreis). Wasser ist einer der neun Regulatoren für den Zustand des Erdsystems und die sechste Grenze, deren Überschreitung Forschende festgestellt haben. Andere überschrittene Grenzen sind: Klimawandel, Integrität der Biosphäre, biogeochemische Kreisläufe, Veränderung des Landsystems und, im Jahr 2022, neuartige Stoffe, zu denen Plastik und andere vom Menschen hergestellte Chemikalien gehören.

Unterscheidung zwischen „blauem Wasser“ und „grünem Wasser“

Bislang galt die planetare Grenze für Süßwasser als innerhalb des sicheren Handlungsraums liegend, wobei dabei zu berücksichtigen ist, dass die Süßwasservorräte keineswegs gleichverteilt sind. Das bedeutet, dass benachteiligte Gegenden, durch vertrocknen der Böden, bereits in großem Umfang der Erosion zum Opfer fallen. Diese Zerstörungen sind irreversibel. Die ursprüngliche Süßwassergrenze bezog sich nur auf die Entnahme von Wasser aus Flüssen, Seen und Grundwasser – dem so genannten „blauen Wasser“. Jetzt haben Forschende die Wassergrenze genauer untersucht und herausgefunden, dass frühere Bewertungen die Rolle des grünen Wassers und insbesondere der Bodenfeuchtigkeit für die Widerstandsfähigkeit der Biosphäre, für die Sicherung der Kohlenstoffsenken an Land und für die Regulierung der atmosphärischen Zirkulation nicht ausreichend berücksichtigt haben.

„Der Amazonas-Regenwald ist für sein Überleben auf Bodenfeuchtigkeit angewiesen. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass Teile des Amazonas austrocknen. Der Wald verliert durch den Klimawandel und die Abholzung an Bodenfeuchtigkeit“, sagt Arne Tobian, Zweitautor und Doktorand am Stockholm Resilience Centre und PIK. „Diese Veränderungen bringen den Amazonas näher an einen Kipppunkt, an dem große Teile des Regenwaldes in savannenähnliche Zustände übergehen könnten“, fügt er hinzu.

Und das gilt nicht nur für den Amazonas – das Phänomen ist global zu beobachten. Überall, von den borealen Wäldern bis zu den Tropen, von Ackerland bis zu Wäldern, verändert sich die Bodenfeuchtigkeit. Ungewöhnlich feuchte und trockene Böden sind zunehmend an der Tagesordnung.

„Diese neueste wissenschaftliche Analyse zeigt, wie wir Menschen das grüne Wasser weit jenseits dessen verändern, was die Erde während des Erdzeitalters des Holozäns über mehrere tausend Jahre erlebt hat“, schließt Rockström. „Dies ist eine ernste Bedrohung für die lebenserhaltenden Systeme auf der Erde, verursacht durch die globale Erwärmung, nicht nachhaltige Landbewirtschaftung und die Zerstörung der Natur.“

Das waren zwei Beispiele für die aktuelle Situation der menschlichen Zivilisation auf diesem Planeten. Weitere, ebenso bedrohliche, ließen sich im Dutzend beibringen.

Die Ressourcen der Ukraine

Bei einem Vergleich der landwirtschaftlichen Produktivität spielt die Qualität der Böden eine entscheidende Rolle. In Deutschland gibt es ein „Ackerzahlsystem“, das die Berechnung eines normativen Ertrages in Abhängigkeit von der Bodenart ermöglicht (z. B. 50 Punkte – entspricht der Hälfte des normativen Ertrages). Für die Ukraine wurden die Vergleichswerte auf der Grundlage von Bodenkarten geschätzt.

Der Anteil der besonders fruchtbaren Schwarzerdeböden, die vor allem in den zentralen und östlichen Teilen des Landes verbreitet sind, ist in der Ukraine weit höher als in Deutschland. In Deutschland herrschen lehmige Ton- und Lössböden (mit Ackerzahlen von nur 50-80 Punkten) vor. Wenig produktive sandige und sandige Lehmböden sind im Nordosten Deutschlands verbreitet. Die Ukraine hingegen verfügt zu großen Teilen über eine, ursprünglich bis zu 3 Meter mächtige Bodenstruktur, die traditionell als Schwarzerde bezeichnet wird. Diese Bodenqualität liefert die höchste landwirtschaftliche Produktivität, die auf der Erde existiert. Die östlich der Ukraine liegenden Böden auf russischem Staatsgebiet gehören ebenfalls zur Schwarzerde – Region.

Quellen: Berechnete Werte auf der Basis der Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Öffentliche Katasterkarte der Ukraine https://apd-ukraine.de/de/slider/393-yakist-silskogospodarskikh-zemel

Die blaue Linie in der Karte kennzeichnet grob die Ausdehnung der hochwertigen Böden nach Westen. Die rote Linie deutet die Verteilung wichtiger anderer Rohstoffe, wie Mangan, Eisenerz und Steinkohle an.
Wenn wir uns anschauen, was das für die Versorgung der Welt mit Nahrungsmitteln bedeutet, bieten die folgenden Graphiken einen guten Überblick, worum es geht:

 https://www.agrochart.com/en/usda/section/38/oilseeds/commodity/22/oilseed-sunflowerseed/attribute/4/production/

Fachpublikationen, die sich mit den Spotmärkten für Öl- und Rapssaaten beschäftigen, schlagen seit dem 25. Februar 2022 Alarm:

The markets, of course, have been on high alert to this prospect over the last couple of weeks, adding significant price risk into wheat, corn, and soybeans, but still cautious as the world hoped common sense would prevail. So, when the invasion did happen, the markets surged higher in anticipation of major disruptions of grain exports from the Black Sea, which supplies 1/3 of the world’s wheat and corn.”

https://www.agriculture.com/markets/analysis/crops/black-sea-grain-export-disruptions-won-t-be-easy-to-replace-analyst-says

Und das ist mehr als verständlich. Wenn die russische Regierung mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine Erfolg hat, liegt ein wichtiger Teil der Welternährung, für den es mangels verfügbarer Böden keinen Ersatz geben wird, unter russischer Kontrolle. Die russische Ökonomie beruht stark auf fossilen Bodenschätzen, die in den sich abzeichnenden Ressourcenkonflikten bisher an erster Stelle zu stehen schienen. Da bisher kein einziger Industriestaat eine funktionierende Energiewende eingeleitet hat, wird die Herrschaft über Kohle-, Gas-, und Ölvorkommen zur Waffe, die globalen Einfluss verspricht. Die Herrschaft über entscheidende Teile der weltweiten Nahrungsmittelproduktion ergänzt dieses Arsenal und fügt ihm ein noch wirksameres Instrument hinzu. Wie uns das Gebaren unseres grünen Wirtschaftsministers lehrt, sind Rohstoffe zu Erzeugung von Wärme (Gas, Fracking- Gas, Kohle, Öl) im gewissen Umfang (noch) substituierbar. Nahrungsmittel sind es, u.a. aufgrund der weltweiten Erschöpfung der Böden und den Auswirkungen der menschengemachten Klimaerwärmung deutlich weniger oder gar nicht. Fossile Rohstoffe können trotz Klimakatastrophe ausgebeutet werden, solange welche da sind. Landwirtschaftliche Produktivität „verschwindet“ sofort.

Ressourcenkriege – „das neue Normal“

Das Propagandagetöse aller Beteiligten lässt den Krieg in der Ukraine so aussehen wie das mittelalterliche Spektakel eines größenwahnsinnigen Potentaten. Dieses Bild wird kolportiert, um die Realität eines ausgewachsenen Ressourcenkrieges in Europa zu verschleiern. Stellt man sich dieser Realität, wird sehr schnell erkennbar, dass Kriege um Ressourcen das „neue Normal“ werden. Und an dieser Erkenntnis ist niemand interessiert – auch die wirtschaftlich (noch) starken, aber von Rohstofflieferungen abhängigen westeuropäischen Regierungen nicht. Die Propaganda der russischen Regierung zeichnet ein Bild (Entnazifizierung der Ukraine, Demilitarisierung, Schutz der russischsprachigen Bevölkerung, …) zur moralischen Rechtfertigung eines Angriffskrieges. Das haben alle Angreifer in der Geschichte des Planeten mit meistens ebenso erlogenen Argumenten genauso gemacht. Die Propagandisten im Westen spekulieren über Geisteskrankheit, Größenwahn, ideologische Verblendung und andere Ursachen für den Krieg. Nur die entlarvenden materiellen Ursachen sollen möglichst verborgen bleiben, selbst dann, wenn jeder Mensch, der in die Supermarktregale für Speiseöle aus Ölsaaten (Raps & Sonnenblumen) guckt, leicht sehen kann, dass dort gähnende Leere herrscht. Wem dass nicht genügt, der schaue auf seinen Kassenzettel. Wie so häufig, werden auch bei den Nahrungsmittelkrisen in erster Linie Menschen betroffen, die um ein Vielfaches ärmer sind als die Bürgerinnen Westeuropas.

Die Abhängigkeit von russischen oder ukrainischen Getreide- und Ölsaatenlieferungen betrifft besonders Länder aus dem globalen Süden, Länder mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen, in denen ein wesentlich größerer Anteil der Ausgaben für den privaten Konsum auf Lebensmittel entfällt. Diese einkommensschwachen Länder sind von dem derzeitigen Preisauftrieb und einem historischen Allzeithoch des FAO Nahrungsmittel-Preisindexes (nächste Abb.) besonders stark betroffen. Soziale Spannungen und Unruhen werden die ohnehin prekäre Lage der Menschen in diesen Ländern noch verschärfen.

Das gewaltige Potential der „Ernährungswaffe“ steht also außer Frage. Und diese Waffe wirkt je nach Reichtum des betroffenen Landes in unterschiedlichem Maße:

Je ärmer eine Bevölkerung ist, umso gewichtiger sind kalorienreiche Nahrungsbestandteile. Ölsaaten gehören zu den Spitzenreitern.

Das bedeutet in einfachen Worten: Wenn Öle vom Speisezettel verschwinden, hat das katastrophale Folgen für Menschen, deren Kalorienaufnahme armutsbedingt ohnehin am unteren Ende der Überlebensfähigkeit angesiedelt ist.

Damit dürfte die materielle Motivation für den Krieg in der Ukraine evident sein. Natürlich sind auch die Bodenschätze und das Potential an Industrieproduktion von Bedeutung, wenn es um Ressourcen geht. Diese werden jedoch eher wahrgenommen und sind (noch) leichter substituierbar.

Die Beschreibung der materiellen Kriegsgründe eröffnet allerdings auch die Perspektive darauf, dass Krieg zur Normalität wird, wenn kein anderer Umgang mit den Weltressourcen vor dem Hintergrund ihrer zunehmenden und disruptiven Verknappung durch die menschengemachte Erderwärmung gefunden wird. Eine Verbreitung dieser Erkenntnis ist für die herrschenden Eliten aller Länder unerwünscht. Würde doch offenbar, dass die Strategie der Besitzstandswahrung und, wenn nötig gewaltsamen Verteidigung dieser Besitzstände, oder, schlimmer noch, Strategien zur Herstellung und Absicherung von Kontrollierbarkeit durch einen Machtblock, oder auch durch einen Staat, zwangsläufig zu einer endlosen Reihe von Kriegen bis zur Selbstvernichtung der Spezies Mensch führen muss. Von Krieg zu Krieg werden uns dann Propagandablasen davon abhalten wollen, die zugrunde liegenden materiellen Ursachen zu erkennen. Das alles geschieht, um einer winzigen Elite in den Machtzentren der Welt ihren gewohnten Standard zu sichern. Ein Standard, der sich in den letzten 30 Jahren in absurde Höhen entwickelt hat.

Der folgende Text aus dem aktuellen OXFAM – Bericht ist inzwischen weitgehend bekannt, jedoch leider nicht präsent:

Gemeinsam besitzt die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung nicht einmal ein Prozent des globalen Vermögens. Schaut man dagegen auf die Reichsten, ist es umgekehrt: Einem Prozent der Menschheit gehören 45 Prozent des globalen Vermögens.
Die kleine Gruppe der Milliardär*innen dieser Welt – 2.153 Personen – verfügt zusammen über die sagenhafte Summe von 8.700.000.000.000 (8,7 Billionen) US-Dollar. Extreme Armut ist die Kehrseite dieses unfassbaren Reichtums:
Nach Angaben der Weltbank lebte 2015 etwa jede*r Zehnte von weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag – insgesamt sind das 736 Millionen Menschen. Zwar ist diese Zahl in den vergangenen Jahren gesunken, doch die Geschwindigkeit, in der extreme Armut abnimmt, hat sich zugleich halbiert.
Da die Armutsschwelle von 1,90 US-Dollar global betrachtet zu niedrig angesetzt ist, hat die Weltbank 2018 zudem neue Definitionen vorgelegt. Demnach gelten auch Menschen als arm, die in Staaten mit mittlerem Einkommen mit weniger als 5,50 US-Dollar auskommen müssen – und damit weniger Geld zur Verfügung haben als die dortigen minimalen Lebenshaltungskosten. Unter diesem Schwellenwert leben weltweit 3,4 Milliarden Menschen, also fast die Hälfte der Weltbevölkerung – ein Skandal angesichts des extremen Reichtums, der in den Händen von so wenigen Personen konzentriert ist.
Ungleichheit in Vermögen und in Einkommen, aber auch in Bildung und Gesundheit, behindert die Entwicklung von Einzelnen und von Gesellschaften. In welchem Land ein Mensch geboren ist, hat dabei großen Einfluss auf die Chancen, die sich ihm*ihr bieten: Nur drei von hundert jungen Erwachsenen, die im Jahr 2000 in einem Land mit einem niedrigen Wohlstandsindikator geboren
wurden, besuchen laut den Vereinten Nationen eine Hochschule. In reichen Ländern sind es 55. Innerhalb der Länder hat wiederum Ungleichheit einen maßgeblichen Einfluss darauf, ob Wohlstandsgewinne tatsächlich allen Menschen Perspektiven eröffnen“.

In der Ukraine sterben grade zehntausende von Menschen, ukrainische Zivilisten, ukrainische und russische Soldaten, um zu entscheiden ob zukünftig ukrainische Oligarchen oder russische Oligarchen über die genannten Ressourcen verfügen. Im Hintergrund sitzen, recht bequem, europäische Oligarchen und amerikanischen Oligarchen, die eine Schwächung des russischen Einflusses besser für ihre Geschäfte finden als umgekehrt. Hinzu kommen die Oligarchen, die an der weltweiten Ankurbelung der Rüstungsproduktion direkt verdienen. Das ist die nackte, triste Situation. Das Geplärre der russischen Regierung und die Nebelwerfer westlicher Propaganda sind nur die übliche Begleitmusik, damit möglichst niemand merkt was wirklich geschieht. Ein Ressourcenkrieg unter dem Damoklesschwert der Erderhitzung, der die bisherigen Strategien fast aller Regierungen wirtschaftlich stärkerer Länder dieser Welt gnadenlos entzaubert: Wenn sich die Staaten und Staatenbünde dieser Welt nicht endlich klar darüber werden, dass Besitzstandswahrung und Ressourcendominanz zwingend zu Kriegen bis hin zur Nuklearen Vernichtung führen werden, Kriegen die ausschließlich den kurzfristigen Profitinteressen der herrschenden Eliten geschuldet sind, dann wird die Zukunft den Kakerlaken gehören.

Sollte jetzt jemand die Frage stellen: „was ist mit Freiheit und Demokratie?“, so bliebe festzustellen, dass über Freiheit nach dem Tod nichts bekannt ist und das Demokratie etwas voraussetzt: Nämlich gerechte Verteilung der Ressourcen und eine Bewirtschaftung dieses Planeten in den Grenzen seiner ökologischen Tragfähigkeit. Das schließt Kapitalismus, Despotismus und auch die ärmliche Gestalt der uns vertrauten repräsentativen Demokratie aus. Wenn die Wirtschaft und die notwendig aus ihr resultierende, ökologische Belastung nicht mit zur Demokratie gehören, weil Privateigentum wichtiger sein soll als „Leben dürfen“, dann ist der Begriff nichts wert. Die Situation dieses Planeten und seiner menschlichen Zivilisation ist ultimativ geworden. Das Ultimatum wird nicht von einem bösen Despoten diktiert (obwohl es viele böse und noch bösere Despoten gibt), sondern von den Naturgesetzen, die sehr präzise definieren, was die hiesige Ökosphäre tragen kann und wann sie zusammenbricht. Menschen, die ihre Freiheit bedroht fühlen, weil es da nichts zu verhandeln gibt, leben offenbar in „Netflix – Serienrealitäten“. Der Planet könnte uns verkraften, wenn wir ein materielles Niveau einhalten und das gilt dann für alle gleich, welches sich innerhalb seiner Regenerationsfähigkeit abspielt. Davon hätte niemand einen Schaden, außer das eine Prozent aus dem OXFAM – Report. Auch denen ginge es nicht schlecht, wenn man den Verlust von Privatjachten und -flugzeugen, den Besitz von Häusern mit 100 Zimmern, vorzugsweise an mehreren Orten dieser Welt, mal ausklammert. Die Gegenwärtige, weltweit verbreitete Strategie wird zu milliardenfachem Sterben führen. Mittlerweile sieht es so aus als sei genau dass das Kalkül.
Sie werden spätestens eure Kinder zu Milliarden opfern, um ihren Reichtum zu behalten. Politiker:innen in annähernd allen Statten dieser Welt geben dafür die Steigbügelhalter. Ich sage dazu nur: Leute wehrt euch jetzt und das mit voller Kraft. System Change not Climate change

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Grafikquelle :

Oben     —   The consequences of a missile strike on Kyiv (6)

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