DER ROTE FADEN
Erstellt von Redaktion am Dienstag 17. September 2019
Rot, rot, rot sind alle meine Kleider
Durch die Woche mit Ebru Taşdemir
Sie haben als Leser*in natürlich das Recht zu glauben, dass diese Kolumnen an ellenlangen, gewachsten Eichentischen entstehen, das Vögelchen im Hintergrund zwitschert und der Espressokocher in der Küche angenehm vor sich hinröchelt. Selbstverständlich haben Sie auch das Recht anzunehmen, das Kolumnenlieferant*innen beim Kolumnieren rauchen, und sich nach der Mail an die Redaktion mit einem tippitoppi fertigen Text einen gut gekühlten Crémant gönnen. Aber ich muss Sie hier mal enttäuschen.
Manchmal kommt das Leben dazwischen, und heute früh kam das Leben gewaltig dazwischen (bitte fragen Sie nicht). Sprich, ich musste sehr früh raus und glaubte, nicht mehr rechtzeitig an den Schreibtisch zu kommen. So war es denn auch. Diese Kolumne wird Ihnen also heute aus einer guten deutschen Kaufhauskette aus einem Randbezirk der Hauptstadt präsentiert. Hier wird noch berlinert.
Im Speiserestaurant im 3. Stock sitze ich an der einzig verfügbaren Steckdose und hebe leicht den Altersdurchschnitt. Die Gespräche am Nebentisch drehen sich um das Mittagsangebot – Bratfisch mit Kartoffeln und Buttermöhren –, um eine Freundin im Krankenhaus und gute Ärzte.
Irgendwie finde ich es doch ganz gut, wenn das Leben einem so dazwischenkommt. Vorgestern erst hat eine Münchner Freundin Berlin besucht. Über meine Geburtsstadt sagte sie, dass es eben voll und laut und dreckig ist und man in Kreuzberg viele arme und psychisch kranke Menschen auf den Straßen sieht, viel mehr als in, ha ha, München-Schwabing. Hier sehe man das Leben, wie es wirklich ist. Ich fand es ganz treffend. Für Kreuzberg.
Wenn ein Mensch krank wird, also ernsthaft krank, dann haben alle anderen still zu sein oder einfach zu wünschen: Gute Genesung. Alles Gute. Viel Kraft. Good vibes, so was.
Wenn eine Person des öffentlichen Lebens an Krebs erkrankt, dann sind gehässige Kommentare nicht weit.
Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, hat in dieser Woche ihre Brustkrebserkrankung öffentlich gemacht. Am Montag erhielt sie die Diagnose, Dienstag früh teilte sie das Wissen um die Krankheit mit ihrer Partei und der Öffentlichkeit. Auf Twitter wurde ihr Video über 150.000 Mal gesehen und wer nach dem Gucken kein Pipi in den Augen hat, hat kein Herz.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs