DER ROTE FADEN
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 17. März 2019
Arbeitslos die Welt retten
Durch die Woche mit Ariane Lemme
Der Absturz bei Boeing rüttelt unangenehm an der eigenen Doppel- und Dreifachmoral. Hilfe fände sich in der Totalverweigerung – auch bei der Arbeit.
Das, worüber in dieser Woche wohl am meisten geredet wurde, würde ich am liebsten beschweigen. Angst vorm Fliegen hab ich ohnehin schon. Danke, Boeing! Ganz gleich, was du verbockt hast, die Ausbildung deiner Piloten, dein automatisches Steuerungssystem oder beides oder was ganz anderes – bring es in Ordnung!
Klar ist: Wenn bei so wenig Kenntnis der Details und Fakten so viel geredet und geschrieben wird wie jetzt beim Absturz der Boeing 737 Max 8 in Äthiopien, geht es meist um niederste Instinkte. Um etwas, was an die Urängste kratzt und selbst die zynischsten Journalisten kopflos werden lässt.
Dazu braucht es bei mir nicht viel. Schon ohne an die beiden Boeing-Abstürze zu denken – unter normalen Bedingungen also –, helfen mir auf Flügen nicht einmal zwei Tavor. Manche schlafen von den kleinen blauen Pillen ein, der Wirkstoff hilft sogar bei epileptischen Anfällen – mein innerer Autopilot aber ignoriert die Gesetze der Chemie und rast einfach weiter, unaufhaltsam, in den Panikmodus. Die Gesetze der Vernunft ignoriert er gleich mit: Fliegen ist die sicherste Art der Fortbewegung. Anders als etwa Fahrrad fahren in Berlin. Trotzdem denke ich, wenn ich mich hier morgens aufs Rad schwinge, nicht eine Sekunde nach, ja nicht einmal daran, einen Helm aufzusetzen.
Auch der andere – nicht der rationale, sondern der ethische – Flügel der Vernunft trägt mich aber nicht: Es wäre natürlich gut und käme meinen Nerven zugute, gar nicht mehr zu fliegen. Bei jedem kleinen Billigflug schleudere ich allein 0,75 Tonnen CO2 in die Atmosphäre und zerstöre die Zukunft der Menschheit und die meiner Kinder. Der Klimawandel ist in der Reihe meiner Neurosen nach dem Fliegen fast schon the next big thing. Fliege ich deshalb seltener? Nein. Warum nur?
Taub vom kleinherzigen Gepicke
Wenn ich die streikenden Schüler von Fridays for Future sehe, bin ich beschämt. Und ich erinnere mich an die Wut und dieses ohnmächtige Unverständnis, das ich – als Kind der 80er Jahre – angesichts von saurem Regen, Tschernobyl und Kaltem Krieg hatte: Wie kann es sein, dass die Erwachsenen wissen, was vernünftig wäre, und es trotzdem nicht tun? Das hat mich fertiggemacht, aber dann hab ich wohl den Abzweig verpasst.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle :
Oben — Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs
Source | File:Boeing 737-8 MAX N8704Q (27946580010).jpg, originally from https://www.flickr.com/photos/boropjs/27946580010/ |
Author | pjs2005 from Hampshire, UK |
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