DER ROTE FADEN
Erstellt von DL-Redaktion am Dienstag 16. Mai 2023
Debatte um Muttertag: Nur symbolische Ehrung
Durch die Woche mit Nina Apin
Auf Bastelgeschenke für Mutti kann unsere Autorin verzichten. Viel lieber wäre ihr eine 32-Stunden-Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich.
Am Sonntag ist es wieder so weit: Wenn ich mich morgens in die Küche schleppe, wird an meinem Platz irgendeine gebastelte Kleinigkeit liegen, ein aus Papierstreifen geflochtenes Herz oder schlimmstenfalls eine stereotype, vom Kind ausgemalte Motiv-Vorlage mit Fließband-Spruch: Liebe Mama, schön, dass Du da bist. Na, alles Gute zum Muttertag aber auch! Ich persönlich kann auf dieses von der Floristikbranche erfundene und von den Nazis etablierte Ritual gern verzichten.
Aber in traditionsbewussten Haushalten „gehört es halt dazu“, dass man die Mutti wenigstens einmal im Jahr symbolisch ehrt und ihr ein Frühstück zaubert, das sie an einem von 365 Tagen dann nicht selber wegräumen muss. Wenn sie Glück hat. Wenn sie Pech hat, auch das – und die lieblos in der Schule gefertigte Bastelarbeit wird sie an der Küchenwand ein ganzes Jahr lang an den missglückten Wertschätzungsakt erinnern.
Zum Glück leben wir nicht mehr in den 1980ern und die Kinder werden nicht mehr dazu angehalten, für Mutti Aschenbecher zu töpfern (ich werde nie das Gesicht meiner Mutter vergessen!). Aber wenn jetzt eine Kita aus Diversitätsgründen ganz aufs 14.-Mai-Basteln verzichtet, wie in Fulda geschehen, dann ist das einigen viel zu fortschrittlich.
Dem CDU-Politiker Tilman Kuban beispielsweise, der als begabter Jungpopulist sogleich Genderterror-Verdacht und Traditionszerstörung ins Internet herauskrähte – inklusive Nennung der Adresse der Kita, die dann überraschenderweise von einer Hasswelle überrollt wurde. Kuban ist zwar erst 35, aber im Kopf bereits ganz Boomer.
Briten leben kürzer
Und die müssen jetzt ganz tapfer sein, denn viele liebgewordene Routinen aus Nachkriegswestdeutschland (mit Öl heizen, sich halb tot arbeiten und dann zur Erholung „in die Sonne“ fliegen) beginnen schneller zu bröckeln als ein Fimo-Herz in der Sonne. Jetzt wollen Sozis, Linke und Gewerkschafter sogar die gute alte Arbeitswoche auf vier Tage verkürzen!
Gut, so ganz ist noch nicht raus, ob es in Richtung 40 Stunden in vier Arbeitstage quetschen geht oder ob tatsächlich das 32-Stunden-Teilzeit-Paradies bei vollem Lohn anbricht wie von der IG Metall gefordert – was übrigens auch viele Mütter zurück in eine familienverträgliche Vollzeitstelle bringen könnte: Mutti könnte sich dann später, wenn die Kinder einmal aus dem Haus sind, von ihrer besseren Rente selbst jeden Sonntag einen Muttertag mit Milchkaffee bescheren.
Und auch Vati wäre dann, dank der gesundheitsschonenden Vier-Tage-Woche, noch länger am Start als jetzt: Laut einer aktuellen Umfrage belegen die Deutschen bei der Lebenserwartung im Vergleich von insgesamt 16 westeuropäischen Ländern den 14. Platz, deutsche Männer liegen sogar auf Platz 15, das heißt: Sie sterben deutlich früher als Spanier oder Italiener. Bei der Todesursache Herz-Kreislauf-Erkrankung liegen die Deutschen vorn – was deutlich dafür spräche, weniger zu arbeiten.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs