DER ROTE FADEN
Erstellt von Redaktion am Mittwoch 4. Januar 2023
Hängeohren schützen auch nicht vor Bestechlichkeit
Durch die Woche mit Hasnain Kazim
Thunberg, Musk und der Gaspreis: Heuchelei und Leckerli – Thunberg lästert über kleine Pimmel, Musk fordert Qualität, und meine Hündin ist zwar klüger, aber auch nicht unbestechlicher als mancher Mensch.
Wir müssen über Doppelzüngigkeit und Heuchelei reden“, sagt Frau Dr. Bohne, meine Assistentin, eine hochintelligente Mischung aus Rauhaardackel und Deutschem Jagdterrier. „Diese Eigenschaften scheinen mir doch auch in der letzten Woche des sich dem Ende zuneigenden Jahres die ausgeprägtesten bei euch Menschen zu sein.“
„Wie kommen Sie darauf?“, frage ich. „Nun, nehmen wir Greta Thunberg. Sie hat einem Mann namens Andrew Tate, einem ehemaligen Kickbox-Champion und Möchtegern-Playboy, böse Worte geschrieben.“ „Ich weiß. Na und?“, antworte ich. „Er hat ihr via Twitter angekündigt, eine Liste seiner 33 Autos zu schicken. Und darauf hat Thunberg geantwortet, er möge das doch an smalldickenergy@getalife.com senden. Ich glaube, ich muss das nicht übersetzen, oder?“
Bohne schüttelt den Kopf. Sie seufzt. „Also, ich habe keinen Zweifel an der Kleinpimmeligkeit dieses Typen“, sagt sie. „Überhaupt teile ich die Erkenntnis, dass Menschen, insbesondere Männer, häufig kleine, mickrige Körperlichkeiten – Hirn, Schwanz, Hände – mit großen, protzigen Dingen – Autos, Jachten, Knarren – kompensieren. Und ich finde es auch in Ordnung, das diesen Leuten verbal um die Ohren zu hauen.“ Sie überlegt. „Aber dass dies jetzt ausgerechnet Leute feiern, die sonst absolut empört sind über ‚body shaming‘ und ständig über ‚body positivity‘ reden, das ist doch ziemlich doppelzüngig, finden Sie nicht?“ Sie guckt mich fragend an.
Ich nicke. „Sehe ich auch so. Übrigens: Die Personifikation von Doppelzüngigkeit sind Doppelagenten. Haben Sie, werte Frau Dr. Bohne, schon mitbekommen, dass ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes möglicherweise geheime Informationen an Russland weitergegeben hat?“
Tadelnd fliegen die Hängeohren
„Hab ich“, sagt Bohne. „Wahrscheinlich lukrative Doppelzüngigkeit. Was hat er dafür bekommen? Leckerlis? Wurde er erpresst? Oder ist er einfach ein Putin-Fanatiker?“ Tadelnd schüttelt sie ihr Köpfchen, ihre Hängeohren fliegen dabei hin und her. „Ihr Menschen seid schon eine seltsame Spezies! Wobei ich nicht verschweigen will, dass wir Hunde auch durchaus anfällig für Bestechung sind.“
Bohne und ich sind überzeugt, dass das Doppelzünglein der Woche, ach was, des Jahres!, Wladimir Putin ist. Bricht mitten in Europa einen Krieg vom Zaun, sagt aber, dass man das nicht Krieg nennen dürfe. „Diese Woche hat er mehrere Kriegsschiffe eingeweiht“, berichtet meine Hündin. „Wie nennt er die Kähne? Ausflugsdampfer?“ Sie kichert bellend. „Depperter Volltrottel!“, murmelt sie, woran man merkt, dass sie durch und durch Wienerin ist.
Apropos Russland: Die Gaspreise sind diese Woche gefallen. Milde Temperaturen, niedriger Verbrauch. „Aber für uns wird’s trotzdem nicht billiger“, sage ich verärgert. „Ja, weil die Versorger langfristige Verträge abschließen“, antwortet Bohne. „Die Verbraucher werden es, wenn überhaupt, in ein paar Monaten spüren.“ Jetzt bin ich es, der den Kopf schüttelt. „Wenn was teurer wird, wird das sofort weitergegeben. Aber wenn etwas billiger wird, dauert es. Das ist so heuchlerisch!“
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs