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DER ROTE FADEN

Erstellt von DL-Redaktion am Dienstag 10. April 2018

Männer, die auf schwindende Horizonte starren

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Klaus Raab

Fußball

Der ehemalige englische Fußballspieler Gary Lineker hat das Selbstverständnis der Deutschen einmal treffend beschrieben: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen.“ Dann aber gewann Chelsea London ein Finale gegen Bayern München, und das auch noch im Elfmeterschießen, das die Engländer nie konnten. Und Lineker nahm seinen Satz zurück. Er twitterte: „But not any more.“ – „Jetzt nicht mehr.“

Lineker, dieser Teufelskerl: Er hat eine längerfristige Entwicklung in zwei Sätzen zusammengefasst.

Früher machten Autos in Deutschland einfach schön brummbrumm, und Kopftücher waren für ältere Feldarbeiterinnen reserviert. Heute weiß man nicht mehr, ob man morgen mit seiner Karre noch in die Innenstadt darf. Und welche Rolle Kopftücher in der Debatte darüber spielen, was angeblich deutsch ist, ist bekannt. Früher bildete sich jeder Büroangestellte was auf die deutsche Ingenieurskunst ein, „made in Germany“, supergeil. Heute kriegt der Deutsche keinen Flughafen mehr gebaut, und wenn er einen echten Handwerker zu Hilfe rufen will, etwa aus Polen, dann hat er mal wieder keinen Handyempfang. Die beruhigenden „Horizonte der Verlässlichkeit“, wie sie der Soziologe Thomas Druyen nennt, sind abhandengekommen.

In diesem Zusammenhang kann man wohl auch den jüngsten Text von Jens Jessen lesen. Er behauptet in der Zeit, in der #MeToo-Debatte gehe es nicht „um die Gleichberechtigung der Frauen, sondern um den ideologischen Triumph des totalitären Feminismus“. Ich darf das vielleicht mal für Männer übersetzen, die früher morgens wichtig zur Arbeit gingen und samstags das Auto wuschen: Jessen sagt, die Weiber wollen nicht nur die Hälfte vom Kuchen, die wollen jetzt auch noch, dass wir ihn backen.

Teufelskerl

File:Nora Gomringer 2010.JPG

Der Punkt ist: Man könnte ja diskutieren. Wenn Jessen Männer „unter Generalverdacht“ sieht, dann bewegt sich das durchaus in Richtung Analyse zumindest einer feministischen Strömung: Die Ansicht, dass jeder Mann als Träger des Tätergeschlechts und damit als potenzieller Täter betrachtet werden sollte, begegnete einem jüngst ja tatsächlich immer wieder einmal. Sie ist essen­zia­listisch und mindestens diskutabel.

Das Problem ist aber, dass das Ganze in einem Tonfall vorgetragen wird, der jede Diskussion nahezu verunmöglicht. Es ist von einem „rhetorischen Hexenlabyrinth“, vom „Schema des bolschewistischen Schauprozesses“, von einem „feministischen Volkssturm“ und einem „Zusammentreiben und Einsperren aller Männer ins Lager der moralisch Minderwertigen“ die Rede. Wer, der nur diese Begriffe liest, käme darauf, dass hier unsere ­Wirklichkeit beschrieben sein soll und nicht etwa der Science-Fiction-Film „Emma, der Folterplanet“?

Quelle    :        TAZ       >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen  :

Oben    —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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