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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am Dienstag 15. Februar 2022

Geraucht, aber nicht inhaliert

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Durch die Woche mit Nina Apin.

Ratzingers Ausreden in der Missbrauchs-Affäre werden immer unglaubwürdiger. Sein Vorgehen erinnert an die Salami-Taktik von Bill Clinton.

Gekifft hat Joseph Ratzinger vermutlich nie. Doch die Entschuldigung, die der fast 95-jährige emeritierte Papst diese Woche gegenüber kirchlichen Missbrauchsopfern aussprach, klang doch arg nach „geraucht, aber nicht inhaliert“. Mit katholischen Pathos-Schlüsselwörtern wie „tiefe Scham“ und „großer Schmerz“ garniert, bedauerte Ratzinger die während seiner Amtszeit als Erzbischof von München und Freising geschehenen sexuellen Übergriffe durch Priester. Ja, es wurde geraucht damals – Ratzinger war nachgewiesermaßen damals doch anwesend, als in einer Sitzung über die Therapie eines strafversetzten pädo­sexuellen Priesters gesprochen wurde. Aber nein, inhaliert hat er selbstverständlich nicht: Es wurde ja nicht gesagt, warum der Mann eine Therapie machen musste!

Ratzinger, oder vielmehr seine Berater, orientieren sich erkennbar am Großmeister der Salamitaktik: Bill Clinton, dem 1992 im US-Wahlkampf Drogenkonsum vorgeworfen wurde, musste zugeben, mal am Joint gezogen zu haben. Aber als er treuherzig beteuerte, nicht inhaliert und sich den Blutkreislauf so mit THC verschmutzt zu ­haben, schaffte er es erfolgreich ins Oval Office. Seinen Ruf als „Teflon-Bill“ verteidigte er nach der Lewinsky-Sex-Affäre damit, dass er ja nur Oralverkehr gehabt hatte (öffentliche Entschuldigung bei der Gattin) und keinen „richtigen“ Geschlechtsverkehr (Amtsenthebungsverfahren).

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Trickreiches Herauswinden – das entspricht eigentlich so gar nicht dem aggressiven Charakter des Springer-Vorstands Mathias Döpfner. Als ihm die britische Financial Times jetzt nachwies, doch sehr viel früher und sehr viel mehr über die libidinösen Machtspielchen seines Starjournalisten Julian Reichelt gewusst zu haben, hätte der Boulevardmann, der überzeugt ist, hinter den Anschuldigungen gegen Reichelt stecke eine „Hass-Agenda“ gegen das Springer-Haus, wohl gern jemanden gefeuert.

Aber Reichelt ist schon entlassen (und, wie er vernehmen ließ, sehr glücklich mit seiner aktuellen Freundin, einer Springer-Mitarbeiterin). Also entschloss sich Döpfner zu einer papstähnlichen Nichtentschuldigung: „Rückblickend müssen wir zugeben, dass wir nicht alles richtig gemacht haben. Unser größter Fehler war, (Reichelt) zu lange zu vertrauen.“Den Einzelnen opfern, um das System zu erhalten: Ist nicht schön, funktioniert aber fast immer. Denn es lenkt die Aufmerksamkeit weg vom System, das dann munter weiter funktionieren und zum Beispiel eine schützende Hand über missbrauchende Priester halten kann.

Quelle       :          TAZ-online        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Unten     —         Papst Benedikt XVI. während des besuchs in São PauloBrazilien.

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