der rote faden
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 11. Februar 2018
Hätte Sigmar Gabriel mal lieber die Beatles gehört
Durch die Woche mitJohanna Roth
Trockenrasur
In Goslar fing alles an, in Goslar geht es nun zu Ende. Dort, im Wintergarten mit Rattanmöbeln, sitzt der deutsche Außenminister und schmollt. Zwischendurch will mal ein Reporter ein Statement, dann zitiert Sigmar Gabriel seine kleine Tochter Marie: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“ Nimm das, Onkel Martin!
Love Me Do
Für den obersten Diplomaten des Landes hat Sigmar Gabriel rhetorisch schon immer ziemlich wüst zugelangt, seinen letzten Hieb platzierte er folgerichtig besonders tief unter der Gürtellinie. Und traf. Die SPD drehte völlig durch, Schulz zog seinen Anspruch auf das Ministeramt wieder zurück. Die Trockenrasur durch Familie Gabriel war wohl doch zu viel für seine ohnehin schon schwer angegriffene Beliebtheit. Andererseits: Sind Männer mit Bärten nicht irgendwie immer hip?
Dieses mal lassen sie küssen und schauen wenigstens in eine Richtung – nach Rechts
Tatsächlich war Gabriel, obschon glattgesichtig, ja selber mal hip, von genau 2003 bis 2005 nämlich, als Beauftragter für Popkultur und Popdiskurs der SPD. Damals in Niedersachsen, als er schon einmal aus dem Amt gekickt wurde – durch Christian Wulff , der nach gewonnener Landtagswahl an Gabriels statt Ministerpräsident wurde. Für den Verlierer in Goslar brauchte es dann etwas Neues, angemessen Staatstragendes, also erkannte die SPD souverän: Wir brauchen „Siggi Pop“, dann läuft’s auch wieder mit den Wählern! Ach, wie gut es dieser Partei mal ging. Gabriel zog den Quatsch zwei Jahre lang durch, ertrug den Spott und die Demütigungen – und kam irgendwann ganz oben an. Dass er nun da wieder weg soll, müsste trotzdem ihn am allerwenigsten wundern, schließlich hat er in den letzten Jahren gnadenlos alles überrannt, was auch mal mitmachen wollte bei dieser SPD, Parteibasis inklusive.
Hätte er doch diesmal einfach geschwiegen, anstatt auch noch das eigene Kind vorzuschicken, und sich stattdessen mit einem Whisky ins Halbdunkel zurückgezogen, um mal wieder das erste Album der Beatles anzuhören, das an diesem Wochenende 55 Jahre alt wird. Eingespielt wurde es damals an einem einzigen Tag, von zehn Uhr morgens bis viertel vor elf am Abend, in den berühmten Studios in der Abbey Road, und es ist nicht überliefert, dass sich John und Paul auch nur eine Minute lang gegenseitig an die Bärte gegangen wären (was allerdings auch der Tatsache geschuldet sein könnte, dass sie damals noch gar keine hatten, sondern immer noch die Frisuren aus der ersten Klasse, die eine ausreichend große Lücke ließen für Pauls beachtliche Segelohren).
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
———————————————————————————————————————
Grafikquellen :
Oben — Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs