Der rote Faden
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 14. Januar 2018
Der Klorollenhut als semiotischer Code
Nachdem ich diese Kolumne gelesen habe, stelle ich mir ernsthaft die Frage, ob sich auch bei Merkel im Auto solch ein von Hand gehäkelter Hut befindet? Und auch noch Einer extra für den Fahrer des Wagens und noch Einige speziell für jeden Arsch, welcher an ihrer Seite denn Platz nimmt? Gilt dieser Hut doch als ein Urdeutsches Kulturgut, ähnlich dem Oktoberfest, Schützenfest oder Schießverein, wo ein Jeder sich als guter oder schlechter Schütze behaupten kann, um im Ernstfall für eine doofe Regierung als Held zu sterben. (Wie ein Teil unserer Väter). Wie hieß es doch noch im letzten Jahr: „Wir, wir schaffen das, sonst sind das nicht mehr meine Werte“, oder so ähnlich jedenfalls? Ja und nun EIN Hut für die Klorolle, – reicht doch auch aus, zur Identifizierung Deutscher Tugenden, sogar am Ballermann! Red. -DL – IE
Von Johanna Roth
Während Trump von „Shitholes“ fabuliert, fahren die Deutschen immer noch Häkelmützchen fürs Klopapier spazieren: Der Irrsinn der Woche.
Neulich, zu Besuch in Niedersachsen, überholte ich auf der B65 einen Wagen, auf dessen Hutablage tatsächlich zwei Hüte lagen. Damit nicht genug: Sie waren gehäkelt, grellbunt und mit Ringelmuster, einer schien sogar einen Bommel zu haben. „Trägt man das hier bei euch jetzt so?“, bemerkte ich in Richtung meines neben mir sitzenden Vaters, der daraufhin die undankbare Aufgabe hatte, mich über die traditionsreiche Verwendung des Klorollenhuts in deutschen Autos aufzuklären. Vor Schreck bog ich falsch ab und wir landeten in Nordrhein-Westfalen.
Zurück in Berlin wagte ich eine tiefergehende Recherche. Erst mal natürlich bei Wikipedia: „Als Klopapierhut oder auch Klohut (ebenso: Klopapiermütze, Häkel-Klopapierrolle oder Häkel-Rolle bzw. Varianten mit der Verwendung des Ausdruckes Toilettenpapier) wird die meist gehäkelte Abdeckung einer Klopapierrolle bezeichnet, die vor allem in privaten Personenkraftwagen verwendet wird.“
Google schlug vor, ich könne mir doch gleich selbst einen basteln („gehäkelte klorolle auto anleitung“). Als feinmotorisch eher Minderbegabte guckte ich lieber auf dawanda.de, einer Art virtuellem Gemeindebasar mit allerhand Selbstgemachtem, in der Rubrik „Wohnen + Leben“ und fand immerhin 436 liebevoll von Hand gefertigte „individuelle Produkte“. Warum 14 davon auch als „Herren-Accessoires“ gelabelt waren – man weiß es nicht.
Liebes Deutschland, was ist da los?
Das reinliche Bürgertum
Jede Provinzraststättentoilette desinfiziert sich heutzutage automatisch von selbst, aber wir müssen unser Klopapier schön prominent im Auto platzieren, damit der Hintermann weiß, hier ist nicht nur Finn-Luca an Bord, sondern auch sein stets für alles gewappneter Saubermann von Papa?
Gleichzeitig ist Klopapier natürlich total igitt, mit SO WAS wollen wir nicht in Verbindung gebracht werden, also kaufen wir für 18,50 Euro den „sexy Toilettenpapierhut dunkle Schönheit“ aus brauner Wolle mit Brüsten und rosa Bikini drauf. Echt jetzt?
Der Klorollenhut ist ein besonders interessantes Beispiel für einen semiotischen Code. Ein Sender (Klorollenhutbesitzer) kommuniziert einem Empfänger (im Auto dahinter) über das nonverbale Zeichen gehäkelter Hässlichkeit (Minions! Blümchenmuster! Deutschlandfarben!) eine kulturspezifische Konvention: Achtung, hier fährt in Vorbildfunktion ein Klopapiervorratbesitzer, du Ferkel! Immer schön anderen ins Gesicht strecken, das reinliche Bürgertum – aber bitte nicht mit nacktem Hintern.
Überhaupt ist das Verhältnis der Deutschen zum Themenkomplex Toilette ja bekanntlich gestört; über das ausschließlich hierzulande verbreitete Modell „Flachspüler“ verfasste die New Yorker Autorin Erica Jong mal eine herrliche Wutrede: „Deutsche Toiletten sind der Schlüssel zum Horror des Dritten Reichs. Leute, die so was bauen, sind zu allem fähig.“
Trumps rassistischer Ausfall
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle : Gehäkelter Klopapierhut in Form einer Kopfbedeckung