Der Reibach mit Rabatt
Erstellt von DL-Redaktion am Mittwoch 6. Juli 2022
Öl-Multis außer Kontrolle
Von Rudolf Hickel
Während der russische Krieg in der Ukraine unvermindert andauert, nehmen in Deutschland die ökonomischen Verwerfungen massiv zu. Der anhaltende Inflationsschock bedroht die Wirtschaft und belastet die privaten Haushalte bis weit in die Mittelschicht hinein.
Mit einer monatlichen Inflationsrate von 7,9 Prozent im Mai ist das genaue Gegenteil der noch im letzten Jahr häufig angekündigten Entspannung zu beobachten. Obwohl die Inflation ihrer Natur nach viele trifft, sind von den Preissteigerungen vor allem die Ärmsten betroffen, wie das Alarmschlagen der Tafeln in ganz Deutschland belegt. Besonders die Nahrungsmittel- und Energiepreise schnellen wegen des Ukraine-Krieges in die Höhe. So lag die Inflationsrate für die Verbraucherpreise im Energiebereich laut statistischem Bundesamt im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat bei 38 Prozent.
Im Kampf gegen diese zerstörerisch wirkende Geldentwertung wird hektisch nach deren Ursachen und Gegenmitteln gesucht. Im Zentrum der aktuellen Debatte über die hohe Inflation steht dabei häufig die populistische Mär von der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die mit billigem Geld die Wirtschaft flute und damit diese Inflation geldpolitisch zu verantworten habe. Gestreng dem neoliberalen Monetarismus wird empfohlen, die Schwemme billigen Geldes zu stoppen. Die über die Geldmenge finanzierte überschüssige Nachfrage müsse gegenüber dem knappen Angebot in Richtung eines – ziemlich nebulösen – makroökonomischen Gleichgewichtes reduziert werden. Jegliche Eingriffe, etwa durch steigende Lohnforderungen der Gewerkschaften, gelte es dagegen zu vermeiden, schon um eine „Preis-Lohn-Spirale“ zu unterbinden.
Gegen derart unterkomplexe Erklärungen steigender Inflationserwartung braucht es eine ernsthafte Analyse der hochgradig vermachteten Märkte. Tatsächlich blendet das monetaristische Muster zur Bekämpfung der Inflation über teures und zugleich verknapptes Geld die Realität der heutigen Preistreiberei völlig aus – und damit auch die Kritik an marktbeherrschenden Monopolunternehmen. Nicht die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank treibt die Inflation an, sondern die Preistreiber im allgemeinen Warenkorb der privaten Haushalte. Dazu zählt die strategische Preiserhöhung bei Nahrungsmitteln angesichts der Politik Russlands im Zuge des Ukraine-Krieges, aber auch bei den fossilen Energieträgern Öl, Gas und Kohle, um höhere Gewinne zu erzielen. Der skandalöse Widerspruch ist unübersehbar: Während die Kaufkraftverluste infolge der Inflation die Armut vertiefen sowie die Existenz energieintensiver Unternehmen bedrohen, profitieren die Mineralölkonzerne mit ihrer monopolistischen Preissetzungsgewalt von den erwarteten Kriegsauswirkungen.
Die prompt angerufene Notenbank kann an dieser Stelle wenig ausrichten, im Gegenteil: Wie die kluge EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Beispiel des Ölpreises deutlich macht, kann sie die Geldmenge oft nur unter massiven konjunkturellen Schäden einschränken. Doch speziell die von den Mineralölkonzernen gesetzten Ölpreise entziehen sich ihrem Einfluss. Insofern handelt es sich bei der zum 1. Juli angekündigten Zinserhöhung um 0,25 Prozent eher um eine opportunistisch-beschwichtigende Morgengabe an die neoliberal-monetaristischen Kritiker als um eine erfolgreiche Bekämpfung der Preistreiberei. Die Inflationsrate wird nicht sinken, aber die kreditfinanzierte Wirtschaft belastet. Nicht die Geldpolitik, sondern die Wettbewerbspolitik ist daher heute gefordert – mit dem Ziel, die Macht der marktbeherrschenden Oligopole zu brechen.
Tankrabatt als Rohrkrepierer
Doch leider agiert die Bundesregierung in diesem Politikfeld ausgesprochen hilflos. In einer der üblichen Nachtsitzungen, die die Ampel-Koalition doch eigentlich vermeiden wollte, schnürten Scholz und Co. ein Entlastungspaket für die Bürger, das sich binnen kürzester Zeit als wenig wirksam entpuppte.
Fast tragisch mutet dabei der für eine Laufzeit von immerhin drei Monaten verabschiedete Tankrabatt an, der umgehend zum Rohrkrepierer wurde. Denn wie von fast allen Experten vorhergesagt, wird die zugunsten der Autofahrer gedachte Senkung der Energiesteuern von den Mineralölkonzernen prompt einkassiert, was die Krisengewinne von Big Oil noch einmal steigen lässt. Dass der für die Idee des Tankrabatts verantwortliche Finanzminister Christian Lindner und, zu seiner Unterstützung, Wirtschaftsminister Robert Habeck sich nun dem Kartellamt zuwenden müssen, wirkt regelrecht peinlich, denn derartige Mitnahmeeffekte hätten der Politik bekannt sein müssen.
Dabei sind das Kartellamt und vor allem das Kartellrecht grundsätzlich durchaus gefordert. Allerdings käme das dafür erforderliche Gesetz im Falle des Tankrabatts zu spät. In der aktuellen Situation braucht es daher ein zweigleisiges Vorgehen, um sowohl kurz- als auch langfristig eine nachhaltige Wirkung zu erzielen.
Kurzfristig bietet sich – quasi als Sofortinstrument – die Sondersteuer auf Übergewinne an, die die Preisaufschläge der profitierenden, monopolitischen Krisengewinner umgehend abschöpft. Langfristig muss sich das Bundeskartellamt parallel auf die Bekämpfung des Marktmissbrauchs der Energie- und Mineralölkonzerne konzentrieren. Denn nur so kann überhaupt verhindert werden, dass es nicht immer wieder durch orchestrierte Preisaufschläge der Multis zu Übergewinnen kommt und es lediglich bei einer Symptombekämpfung mit Hilfe der Sondersteuer bleibt.
Einen Hausmeister zum Finanzmister bestellen, konnte wohl nur ein Hausierer?
Ein Trauerspiel der Politik! Mit Hilfe von Versagern machen sich kleine Leute GROSS!
Finanzminister Christian Linder wird allerdings nicht müde, darauf zu verweisen, dass die Sondersteuer auf Übergewinne nicht vom Steuerrecht gedeckt sei, weil dieses keine Unterschiede bei Gewinnen kenne. Und Clemens Fuest, der Chef des Ifo-Instituts, warnt vor einem Steuersonderrecht für bestimmte Unternehmen. Sein Institut legte auch prompt eine Berechnung vor, die zu dem Schluss kommt, dass der Tankrabatt sehr wohl von den Mineralölkonzernen an die Verbraucher weitergegeben würde – bei Diesel zu 100, bei Super-Benzin zu 85 Prozent. Allerdings ist laut den Autoren offen, ob die Preissenkung dauerhaft an die Konsumenten weitergegeben werde.[1]
Das alles verschleiert nur, dass derzeit Extra-Profiteure wie die Öl-Multis vom deutschen Steuerrecht durch dessen Gleichbehandlung von Gewinnen auch noch belohnt werden. Dagegen wären Übergewinne streng von Normal- und Pioniergewinnen abzugrenzen. Bei Übergewinnen, wie sie die Mineralölkonzerne im Zuge der politisch-militärischen Krise erzielen, handelt es sich gerade nicht um unternehmerische Leistungen. Weil die Konzerne über eine monopolistische Preissetzungsmacht verfügen, entkoppeln sich die Spritpreise seit Ausbruch des Ukraine-Krieges systematisch vom Rohölpreis. So ist der Preisabstand von 40 Cent pro Liter im vergangenen Jahr laut Angaben des Bundeskartellamtes mit dem Angriff auf die Ukraine auf bis zu 50 Cent gestiegen – nur um kurz vor dem Start des Tankrabatts auf 60 Cent zu klettern. Die Folge: Der Tankrabatt landet größtenteils in den Taschen der Konzerne und nicht im Portemonnaie der Bürgerinnen und Bürger.
Das Oligopol der fünf Öl-Multis
Dem gilt es dringend einen Riegel vorzuschieben. Denn die hier durch das strategische Vorgehen der Mineralölkonzerne erzielten Gewinne sind etwas vollkommen anderes als Pionier- bzw. Innovationsgewinne. Diese sind das Ergebnis erbrachter Leistungen, etwa von Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen, und nicht von willkürlicher Preissetzung. So entwickelte etwa die Firma Biontech in der Pandemiekrise dank enormen unternehmerischen Engagements einen Corona-Impfstoff und strich dafür massive Innovationsgewinne ein, die selbstverständlich bei der Einführung einer Sondersteuer nicht besteuert werden würden.
Völlig anders liegt die Sache im Fall der deutschen Mineralölkonzerne. Genau genommen handelt es sich dabei um ein Oligopol aus fünf Multis: BP (Aral), Phillips 66 (Jet), ExxonMobil (Esso), Shell und Total mit insgesamt 65 Prozent Marktanteil im Öl-Sektor. Sie vereinen auf sich große Teile der Raffinerien und Tankstellen hierzulande. Hinzu kommen Unternehmen zur Förderung, Lagerung und Vermarktung des Öls. Diese Konzerne neigen dazu, ihre Marktmacht durch monopolistisch wirkende Preis- und sonstige Kartellabsprachen zu maximieren – insbesondere durch die Abschöpfung von Übergewinnen, denen keinerlei Leistung gegenübersteht.
Quelle : Blätter-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Unter Denkmalschutz stehende Tankstelle Wittener Straße 49 in Wuppertal
Frank Vincentz – Eigene Arbeit
- CC BY-SA 3.0AGB anzeigen anzeigen
- Datei:Wuppertal – Wittener Straße 49 01 ies.jpg
- Erstellt: 2. Mai 2009
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Unten — Brigitti Matrosen beim großen Umzug der Höllenzunft Kirchzarten am Fasnachts-Sonntag 2018.
James Steakley – Eigene Arbeit
- CC BY-SA 4,0Dieses Bild enthält Personen, die möglicherweise Rechte haben, die bestimmte Weiterverwendungen des Bildes ohne Zustimmung gesetzlich einschränken.
- Datei:Brigitti Matrosen (11.02.2018 – 3).jpg
- Erstellt: 11. Februar 2018
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