Der Platz an der Sonne
Erstellt von DL-Redaktion am Montag 4. September 2017
Wer regiert mit Merkel?
Die Überschrift dieses Artikel müsste anders Formuliert sein denn, vor allem die Wähler wissen lange : „Es kann nur einen Platz im Schatten – unter Angela Merkel geben. Denn haben es nicht viele versucht sich ins Licht zu schieben , um kläglich daran zu scheitern ? Der nächste Verlierer wird Martin Chulz heißen, denn aus einer Partei mit Schröder, Steinbrück und Steinmeier kann kein Gewinner emporsteigen. Das weiß Gabriel schon lange, sonst wäre er nicht auf seine zukünftige Position geflüchtet. Wie sagen wir so schön : “ Der Spatz in der Hand, ist uns lieber als die Taube auf dem Dach“. Es geht um Geld, sehr viel Geld sogar, ansonsten würde sich kein Dummkopf finden. DL / IE
von Albrecht von Lucke
„Asymmetrische Demobilisierung“ heißt bekanntlich das Zauberwort, mit dem die Bundeskanzlerin die vergangenen beiden Bundestagswahlkämpfe bestritten und gewonnen hat. Ihre Konsequenz aus der Fast-Niederlage gegen Gerhard Schröder 2005 lautete: Sie wird sich nie wieder unnötig profilieren, wie mit dem neoliberalen Leipziger Programmparteitag, sondern lieber den Gegner ins Leere laufen lassen, indem mögliche Angriffsflächen rechtzeitig abgeschliffen werden – von der Abschaffung der Wehrpflicht bis zum Ausstieg aus der Atomkraft. Auch in diesem Jahr nutzte sie diese Strategie, insbesondere mit der Anerkennung der Homo-Ehe, die sie auf diese Weise rechtzeitig als mögliches Wahlkampfthema entschärfte.
Allerdings handelte es sich dabei noch nie um eine neue, originär Merkelsche Erfindung, sondern im Gegenteil um eine ausgesprochen alt-bewährte Tradition: Von Bismarck über Adenauer und Kohl bis zu Angela Merkel bestand das Erfolgsrezept kluger Konservativer stets darin, unter dem Angriff der Linken dieser die Themen wenn nicht abzunehmen, so doch möglichst wirkmächtig zu neutralisieren; man denke nur an Bismarcks Einführung von gesetzlicher Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung oder an Adenauers „dynamische Rente“,[1] die ihm am 15. September vor 60 Jahren die einzige absolute Mehrheit in der Geschichte der Bundesrepublik einbrachte.
Hase und Igel mit ihrem jeweiligen Gegner spielten also bereits andere Konservative vor Merkel. Schon deshalb ist der ohnehin recht weinerliche Vorwurf – „die Kanzlerin bietet keine Angriffsfläche“ – wenig überzeugend. Weniger noch als 2009 und 2013: Damals standen mit Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück zwei dezidierte Schröderianer zur Wahl; die Möglichkeit einer echten SPD-Alternative zur wirtschaftsliberalen Schröder-Ära war also von Beginn an ausgesprochen gering. Diesmal hingegen sah die Lage anders aus: Wie die Umfragen ja keinesfalls zufällig belegten, gab es mit dem bundespolitisch unverbrauchten Martin Schulz anfangs tatsächlich Chancen, diese Wahl anders zu gestalten. Daher geht es am Kern der Sache vorbei, wenn dieser Tage mit Blick auf Schulz immer wieder das bekannte Fußballer-Bonmot zitiert wird: „Erst hatte ich kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.“ Tatsächlich ist weit mehr das eigene Unvermögen dafür verantwortlich, dass die Sozialdemokratie in diesem Wahlkampf auf keinen grünen Zweig kommt. Zugespitzt formuliert: Die Schulz-SPD hat diesmal selbst für die Demobilisierung der potentiellen Wählerschaft gesorgt.
Gewiss, dass nach den drei verlorenen Landtagswahlen nun auch noch das rot-grüne Niedersachsen abhanden kam – durch den Parteiwechsel der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU kommt es am 15. Oktober zu Neuwahlen –, macht der SPD den Bundestagswahlkampf nicht eben leichter. Und auch die neuesten Ambitionen von Altkanzler Schröder, Aufsichtsratsmitglied des russischen Staatskonzerns Rosneft und damit integraler Bestandteil der Putin-AG zu werden, sind alles andere als Wahlkampfhilfe für Martin Schulz. Allerdings muss daran erinnert werden, dass Schulz selbst noch auf dem jüngsten Parteitag sich ganz dem Wahlkämpfer Schröder und seiner Unterstützung verschrieben hatte. Dabei hätte er aus der jüngeren Geschichte der eigenen Partei wissen müssen: Wer sich in die Hände dieses Egomanen begibt, kommt darin um.
SPD ohne Kernbotschaft und Machtperspektive
Der Kern des Schulzschen Versagens liegt jedoch woanders: Viel spricht dafür, dass die Bundestagswahl bereits in den ersten Monaten seiner Kandidatur verloren wurde, beginnend mit dem 19. März, dem Tag seiner Nominierung zum Spitzenkandidaten der SPD mit 100 Prozent. Eine Woche später wählte dann das Saarland, mit dem bekannten verheerenden Ergebnis. Und ab diesem Tag ward Martin Schulz nicht mehr gesehen – aufgrund des Ersuchens von Hannelore Kraft, fürwahr kein Zeichen seiner Führungsstärke. Erst nach fast zwei Monaten, am 14. Mai, dem Tag der Niederlage in Nordrhein-Westfalen, tauchte Schulz wieder auf. Doch da war sein Momentum längst verspielt. In dieser Zeit wurde das Thema der sozialen Gerechtigkeit faktisch verschenkt. Erst Schulz’ Abstinenz hat die Kanzlerin wieder stark gemacht. Bis heute ist Merkels Machtquelle, das Vertrauen auf das Sicherheits- und Kontinuitätsversprechen in Folge ihrer zwölfjährigen Kanzlerschaft, letztlich unangetastet geblieben. Dabei gibt es der Unsicherheit und Unzufriedenheit wahrlich genug, doch mangels eines roten Fadens verfängt keine der vernünftigen sozialdemokratischen Kernforderungen – ob die Solidarrente gegen das zunehmende Absinken der Altersbezüge, die steuerliche Entlastung der niedrigen und mittleren Einkommen oder die dringend gebotenen massiven Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Im Ergebnis ist es Schulz seit seiner Nominierung nicht gelungen, seinen eigenen Führungsanspruch inhaltlich-programmatisch zu untermauern. Das aber ist nicht der Demobilisierung durch Merkel geschuldet, sondern primär dem eigenen Unvermögen, die sozialdemokratische Kernbotschaft – mehr Sicherheit für alle durch mehr soziale Gerechtigkeit und Solidarität – wirklich deutlich zu machen.
„Am 24. September werde ich Kanzler sein“, in welcher Konstellation auch immer, lautet bis heute Schulz’ Parole. Aber wofür? „Deutschland kann mehr, wenn ein Sozialdemokrat Bundeskanzler ist”, so sein ständiger Slogan, ohne den überzeugenden Nachweis zu erbringen, worin dieses Mehr bestehen soll. Dieser rein strategische, inhaltlich ungedeckte Machtanspruch fällt jetzt auf Martin Schulz zurück. Denn nun, da sich der große Vorteil der „Alles-auf-Sieg“-Strategie (sich nämlich nicht auf die Koalitionsfrage einlassen zu müssen), in Luft auflöst, wird Schulz in den verbleibenden drei Wochen unweigerlich permanent der Koalitionsfrage ausgesetzt sein: „Wer soll Sie eigentlich zum Kanzler machen?“
Inhaltlich wie strategisch steht die SPD damit wieder, zum dritten Mal in Folge, mit leeren Händen da. Mit seinem Anspruch, Augenhöhe zur Kanzlerin herzustellen, ist Martin Schulz bereits jetzt gescheitert. Wenn nicht noch völlig unvorhersehbare, aber kaum vorstellbare Ereignisse eintreten, die Merkels 13 bis 15-Prozent-Vorsprung dahinschmelzen lassen, hat die Union die Wahl bereits gewonnen.
Quelle : Blätter >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen : Bild aufgenommen während des Wikipedia-Bundestagsprojektes 2014. Kabinett Merkel III.