Der Koreanische Gipfel
Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 26. April 2018
Friedenszeichen an der Front
Aus Myeongpa Ri, Goseong, Panmunjeom und Abai
von Fabian Kretschmer
Auf dem Weg zum nächsten Krieg oder zur Einheit? Wie festgefroren erscheint der Korea-Konflikt entlang der Demarkationslinie zwischen Nord und Süd. Was hier geschehen wird, entscheidet sich beim morgigen Gipfel.
Als die erste Mörsergranate in der Ferne explodiert, gefolgt von einer langanhaltenden Maschinengewehrsalve, verzieht Jang Seok Gwon keine Mine. „Die südkoreanische Armee hat hinter dem Berg einen Schießstand, Militärübungen gehören für uns zum Alltag“, sagt der 64-Jährige stoisch. Herr Jang ist Bürgermeister von Myeongpa Ri, dem nördlichsten Dorf in Südkorea. Nur wenige hundert Meter entfernt schlängelt sich die innerkoreanische Grenze durch die Gebirgszüge an der Küste.
Für Besucher wirkt die verschlafene Ortschaft wie in einem surrealen Spannungsfeld gefangen: Auf der einen Seite die unberührte Natur der entmilitarisierten Zone, in der sich seit fast sieben Jahrzehnten Flora und Fauna ein von menschlicher Hand unberührtes Refugium erschlossen haben. Auf der anderen Seite die regelmäßigen Evakuierungsübungen, die Sperrstunde mit Einsetzen der Dämmerung, die langwierigen Passkontrollen an den Militärcheckpoints.
Wenn Jang Seok Gwon durch die Hauptstraße seines 300-Seelen-Dorfs führt, fällt es schwer zu glauben, dass Myeongpa Ri noch vor zehn Jahren ein beliebtes Ziel für Touristen war – Schaulustige, die einmal den Alltag nahe der nordkoreanischen Grenze erleben wollten. „Dann eskalierte der Konflikt zusehends, und immer neue Militärauflagen hielten die Besucher fern“, sagt Jang.
Mittlerweile ist der Verkehr an der einzigen Bushaltestelle eingestellt. Das letzte Geschäft im Ort ist ein verwahrloster Kiosk mit verstaubter Auslage. „Fast alle Familien sind mittlerweile in die Stadt gezogen – zurück blieben nur die Senioren“, sagt der Bürgermeister: „Unsere Hoffnung liegt nun auf den kommenden Gesprächen mit Nordkorea. Wir haben es leid, in ständiger Anspannung leben müssen.“
An diesem Freitag trifft Südkoreas Präsident Moon Jae In auf Diktator Kim Jong Un aus dem Norden zum ersten innerkoreanischen Gipfeltreffen seit elf Jahren. Es ist der Höhepunkt der Charmeoffensive des Nordens, die mit Kims Neujahrsansprache ihren Anfang nahm und in die Teilnahme Nordkoreas an den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang mündete. Zusammentreffen werden die zwei Machthaber im südkoreanischen Teil des Friedensdorfs Panmunjeom: Wo vor nunmehr 65 Jahren der Koreakrieg mit einem Waffenstillstandsabkommen beendet wurde, könnte nun der Friedensprozess seinen Anfang nehmen.
„Manchmal träume ich jedoch davon, einfach über die Grenze zu laufen“
Park Gyeong Suk, 72 Jahre alt
Wer den historischen Ort entlang der Grenze besichtigen möchte, wird zunächst in einem Besucherraum des UN-Kommandos ideologisch gebrieft: Ein Video mit orchestraler Musikuntermalung rekonstruiert den Ausbruch des Koreakriegs und teilt in simplem Schwarz-Weiß-Denken in Gut und Böse ein. Shuttlebusse führen die Reisegruppen vorbei an Minenfeldern und Wachposten, während ein Soldat mit Pilotenbrille und Schirmmütze die Regeln erklärt: Nicht mit dem Finger Richtung Norden zeigen, nicht laut auflachen, Handys auf stumm stellen. Die Anspannung ist Teil des Grenztourismusspektakels, der einen Nachmittag lang Kommunismusparanoia und Kalte-Kriegs-Stimmung für Schaulustige verspricht. Da passt es nur allzu gut ins Bild, dass der ehemalige US-Präsident Bill Clinton die demilitarisierte Zone als „furchteinflößendsten Ort der Welt“ bezeichnet hat.
In der Tat kann die scheinbare Ruhe in Panmunjeom jederzeit in Gewalt umschlagen. Am 18. August 1976 wurden hier zwei US-Soldaten hinterrücks von Nordkoreanern erschlagen, als sie eine Pappel fällen wollten. Grund des brutalen Mordes: Laut den Nordkoreanern hätte Staatsgründer Kim Il Sung einst jenen Baum gepflanzt. Acht Jahre später floh ein sowjetischer Doktorand bei einem Besuch in Panmunjeom nach Südkorea. Damals kam es zu einem 40-minütigen Schusswechsel zwischen beiden Seiten.
Erst im November 2017 gab es den letzten Zwischenfall, als ein nordkoreanischer Soldat in einem Jeep durch die Absperrungen raste und schließlich die letzten Meter in Richtung Grenze rannte. Seine Landsleute eröffneten das Feuer und trafen den Abtrünnigen fünfmal. Verwundet am Boden liegend, zogen ihn südkoreanische Soldaten in letzter Sekunde in Sicherheit.
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Der erste koreanische Gipfel seit mehr als elf Jahren
Von Fabian Kretschmer
Am Freitag trifft Südkoreas Präsident Moon Jae In auf Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Es ist nicht nur das erste innerkoreanische Gipfeltreffen seit über elf Jahren, sondern auch das erste Mal, dass ein nordkoreanischer Staatschef südkoreanischen Boden betritt. Die Verhandlungen werden im südkoreanischen Teil des Friedensdorfs Panmunjeom stattfinden, dem symbolischsten Ort für die schmerzhafte Teilung der zwei Koreas: Im Jahr 1953 wurde hier das bis heute geltende Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet.
Das Ziel der südkoreanischen Regierung ist es, an derselben Stelle den brüchigen Waffenstillstand durch ein nachhaltiges Friedenskonstrukt zu ersetzen. Nordkorea hingegen hofft auf eine Lockerung der strikten UN-Wirtschaftssanktionen, die nahezu einer Wirtschaftsblockade gleichkommen, seit sich auch Chinas daran beteiligt.
Vor allem aber pochen die Nordkoreaner auf einen Nichtangriffspakt seitens der US-Amerikaner – andernfalls werden sie ihr als „Überlebensversicherung“ betrachtetes Atomprogramm wohl kaum zur Disposition stellen. Deshalb wird weniger der innerkoreanische Gipfel als das für Ende Mai oder Anfang Juni erwartete Treffen zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump über Erfolg oder Scheitern der nordkoreanischen Charmeoffensive entscheiden.
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Grafikquellen :
Oben — Das heute in Nord- und Südkorea geteilte Korea