Der Holzbetrieb
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 5. Februar 2023
Im Hamster-modus: „Brennholz ist das neue Klopapier“
Von Thomas Vogel
Putin eine lange Nase machen, soll er doch sein Gas behalten. Ersatz wächst auch bei uns vor der Türe. Wenn die Sache mit dem Brennholz nur so einfach wäre.
Die Deutschen und ihr Wald. Ein Thema, bei dem ganz, ganz viele Emotionen mitschwingen. „Wenn du ein tiefes Leid erfahren/Tief schmerzlich, unergründlich bang/Dann flüchte aus der Menschen Scharen/Zum Walde richte deinen Gang“, empfiehlt der Arzt und Dichter Ludwig August Frankl (1810-1894). Der Wald ist Trost, Zufluchtsort und in der deutschen Geschichte immer wieder Stoffspender für nationale Mythen, auch ganz fürchterliche. Vom Fällen der Baumstämme ist dabei ausdrücklich nie die Rede.
Dafür hat inzwischen sogar die russische Propaganda dieses Thema für sich entdeckt. Vergangenen November lancierte sie die Meldung in den medialen Raum, wonach die in bitterer Kälte darbende Berliner Bevölkerung bereits Hand an den Stadtpark Tiergarten lege, um ihn zu verfeuern.
Blanker Unsinn wieder mal. Zumal gutes Brennholz mindestens zwei Jahre lagern muss, um gut auszutrocknen, wie jeder Freizeitheizer mit Kaminofen-Expertise weiß. Besuch bei Gewährsmann Michael Mayr, Vollbart, verschmitzes Lächeln, verschmutzer Dienstwagen mit Waldbodenspritzern rundherum. Er ist Revierleiter in der Marktgemeinde Pfaffenhofen an der Roth in Bayrisch-Schwaben. Die Gegend ist waldreich, etwa ein Drittel der Waldflächen gehören privaten Besitzern. Mehr als 1.000 von ihnen steht er beratend zur Seite und ebenfalls fünf Gemeinden mit ihren Kommunalwäldern. Insgesamt ist er für 3.800 Hektar zuständig. Zwei Hektar beträgt die durchschnittliche Größe im Privatwald.
Das Brennholz, das aus Mayrs Beritt in den Verkauf kommt, reißen sie ihm derzeit förmlich aus der Hand. In den Wintermonaten, wenn die Bäume weniger Wasser führen, ist Hochsaison bei Waldarbeiten. Statt lieblichen Vogelstimmen hören Spaziergänger, die Erholung und Erbauung suchen, dann den grellen Aufschrei der Kettensägen und das Prasseln fallender Bäume.
Mit Beginn der Saison stand bei Mayr zeitweilig das Telefon nicht mehr still vor lauter Anfragen nach Brennholz. Mancher Private orderte unversehens die dreifache Menge. Anfragen von gewerblichen Interessenten trudelten ein, die weit außerhalb des üblichen Kundenradius ansässig sind. Die Leute, sagt Mayr, seien erneut im Hamstermodus wie in besten Coronazeiten: „Brennholz ist das neue Klopapier.“
Horten aber sei gar nicht so sinnvoll. „Holz hat zwar kein Haltbarkeitsdatum, aber es hält auch nicht ewig“. Nach ein paar Jahren, so Mayr, verliere es stark an Brennwert.
Eine zehnminütige Autofahrt oder acht Kilometer Luftlinie entfernt findet sich der nächste Stützpunkt der Waldbetreuung. Der Forstbetrieb Weißenhorn, zum staatlichen Unternehmen der Bayerischen Staatsforsten gehörend, residiert in einem historischen Forsthaus aus den 1920er Jahren am Rande der Altstadt. Ihm unterstehen die über 14.500 Hektar Staatswald in der Umgebung, was grob gerechnet mindestens ebenso vielen Fußballfeldern entspricht. Hier empfangen Forstbetriebsleiter Martin Eggert und sein Stellvertreter Christoph Kohler zum Gespräch.
Energiekrise? Aus Anlass des russischen Überfalls auf die U-kraine? Ganz weit weg, und doch ganz nah. Denn in Folge setzte auch bei ihnen ein bislang unbekannter Run auf die Holzscheite ein.
Eggert und Kohler, unprätentiöses Auftreten, dialektfreie Sprache, druckreife Ausdrucksweise, wären auch vorstellbar als Seminarleiter an einer Hochschule. Als Manager des Waldes jonglieren sie zwischen Naturbegeisterung und Zahlenwerk. Die Holzmenge, die „ihr“ Betrieb alljährlich dem Markt zur Verfügung stellt, ist imposant. Es sind insgesamt 131.000 Festmeter, wie es in der Fachsprache heißt. Einer ist ein Kubikmeter mit gestapeltem Holz. 11.000 Festmeter davon werden als Brennholz abgegeben. Doch wer als Neukunde nach einem Häppchen davon heischte, hatte zuletzt schlechte Karten. Selbst wenn die Nachfrage explodiere, werde nicht mehr Holz eingeschlagen, verlautet es aus beiden Forsteinrichtungen.
Wem gehört der Wald?
Unser Wald
Was für Wälder gibt es eigentlich? Sie lassen sich nach ganz unterschiedlichen Kategorien einteilen, zum Beispiel nach den Klimazonen, in denen sie natürlicherweise wachsen. Oder eben auch nach den Besitzverhältnissen. Und die kann man unseren Wäldern unter Umständen sogar ansehen. In den professionell gemanagten Staatswäldern, die dem Bund oder den Ländern gehören, führen im regelmäßigen Abstand von 30 Metern Rückegassen ab von den Haupterschließungswegen. Darauf verkehrt das schwere Gerät aus Harvestern und anderen Vollerntern, die mit ihrem langen Arm die Stämme von der Fläche holen können.
Die Besitzer
In Privatwäldern ist die Erschließung oft ein von den Besitzern vor sich hergeschobenes Problem. Es gibt Kleinwaldprivatbesitz und Großwaldbesitzer, darunter häufig Adelige und neuerdings vermehrt Investoren aus der Wirtschaft, darunter Aldi. Auch die Kirchen halten Waldbesitz und manche Gemeinden und Städte. So genannte Realwälder bilden eine Sonderbesitzform und eine sehr alte; dabei haben Besitzer von agrarischen Hofstellen verbriefte Rechte zur Waldnutzung: Zum Bezug von Brenn- und Bauholz ebenso wie zur Entnahme von Laub und Gras als Einstreu für die Ställe.
„Niemand plündert wegen eines momentanen Trends seinen Wald“, sagt Mayr. Wobei Privatwäldler da mehr Spielräume hätten. Doch die Waldgesetze, die etwa einen Waldfrevel verhindern sollen, gelten auch für sie.
Wenn man seine Kollegen in Weißenhorn auf das Thema Brennholz anspricht, bekommt man erst einmal einen Einführungskurs zum Thema Waldstrategie. Brennholz spielt darin nur insofern eine Rolle, dass es eben anfällt. Sei es bei der „Ernte“ von Bäumen aus dem Altbestand, sei es bei der „Durchforstung“ (Auslichtung) von dichten Jungbeständen. Dabei werden gezielt Jungbäume „entnommen“, damit es die anderen besser haben und auch Arten hochkommen können, die mehr Licht brauchen, langsam wachsen und erwünschter sind: Eichen zum Beispiel.
Rund zehn Kubikmeter Holz dürfen den Wäldern in der Region der beiden Reviere pro Hektar und Jahr entnommen werden, wenn die Nachhaltigkeitsformel Gültigkeit behalten soll. Das ist so viel, wie in dem Zeitraum auf der Fläche mit Altbestand auch wieder nachwächst. Gewähr, dass sie staatlicherseits eingehalten wird, liefert die alle zehn Jahre stattfindende Wald-inventur, nach der gegebenenfalls auch nachjustiert werden kann.
„Unser Spielraum ist allein durch gesetzliche Auflagen stark eingeschränkt“, sagt der Weißenhorner Forstbetriebschef. Anspruch sei kein geringerer, als „vorbildliche Wälder“ zu entwickeln. Im Betrieb läuft seit über drei Jahrzehnten der Waldumbau hin zu klimaresistenteren und stabilen Mischwäldern. Weg von den stark gefährdeten Fichtenmonokulturen, lautete seither die Parole, die heute im Zuge des Klimawandels aktueller denn je ist. Wenigstens fünf Baumarten sollen jetzt auf der Fläche vorkommen und möglichst alle Altersklassen. Die Strategie trägt längst Früchte.
Weiteres Ziel ist ein werthaltiges Holz aus ebenmäßigen und astlosen Stämmen. In den Sägewerken werden daraus Balken, Bretter oder Latten geschnitten, Material für Möbel, Dachstühle und vieles mehr. Zu Brennholz werde allein jenes Material, das für eine höherwertige Nutzung ausscheidet, versichert Eggert. Man kann das im Handel ofenfertig erwerben oder selbst mit Genehmigung und auf Zuteilung im Wald aufarbeiten. Die Zahl derer, die dieses Holz mit eigener Kräfte Arbeit aus dem Wald holen, sei zuletzt auffallenderweise gestiegen.
Laubbäume sind als Quelle für Brennholz ergiebiger als Nadler und für diesen Zweck eindeutig beliebter. Betriebswirtschaftlich fällt dieses ins Segment „Industrieholz“, das eine völlig unterschiedliche Verwendung findet. In der Papier- und Spanplattenindustrie ebenso wie bei der „thermischen Verwertung“.
Sowieso werden bei der Holzverbrennung die Schlünde immer gieriger. Da sind zum einen die privaten Kaminöfen, die das Heizen zu Hause mit der Gemütlichkeitssteigerung verbinden. Dazu kommen aber viele weitere Verbrenner, von Zentralheizungen, die Pellets verschlingen, über Hackschnitzelanlagen für Blockheizkraftwerke bis hin zu Großanlagen im Fernwärmebereich.
Die zur Verfeuerung genutzte Holzmenge habe sich seit 1990 glatt verdreifacht, führt der Bund Naturschutz in Bayern (BUND) an.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Beseitigung der Fichte am Rande eines Naturschutzgebietes in Form eines Kahlschlags