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Der Hölle entronnen

Erstellt von Redaktion am Dienstag 14. August 2018

Die Frau, die flüchten darf

Aus Niamey von Alexandra Rojkov

Dies ist die Geschichte von Yohana, die 2015 aus Eritrea aufbrach. Nach drei Jahren Flucht in der Wüste, gefoltert von Schleppern in Libyen, lebt sie nun in Obhut der UN in Niger – und darf auf Europa hoffen.

Als die Lautsprecher zu plärren begannen, verlor Yohana jede Hoffnung. Sie saß in einem Schlauchboot auf dem Mittelmeer, um sie herum tiefschwarze Nacht. Die See war ruhig, der Wind verstummt. Das Einzige, was Yohana hörte, war der Ruf aus dem Megafon: „Anhalten!“ Erst auf Englisch, dann auf Arabisch. „Ich wusste nicht, was mit uns passieren wird“, sagt Yohana. „Ich hatte solche Angst.“

An einem Samstag im Winter 2017 war Yohana in Tripolis, Libyen, in ein Schlauchboot gestiegen. Die Eritreerin hoffte, so bald Italien zu erreichen. Stattdessen wurde ihr Boot von der libyschen Küstenwache gestoppt. Yohanas Reise, so schien es, war zu Ende.

Libyen ist der Türsteher Europas geworden: Die EU unterstützt das Land finanziell, im Gegenzug fängt die Küstenwache Migranten ab. Nach ihrer „Rettung“ werden die Migranten zurück auf den afrikanischen Kontinent gebracht und interniert. Mehr als 5.000 Menschen leben derzeit in Libyen in Lagern. Sie dürfen das Lager oftmals nicht verlassen. Weil viele Menschen auf engem Raum untergebracht sind, breiten sich Krankheiten aus. Die Vereinten Nationen sprechen von „schrecklichen“ und „inhumanen“ Zuständen.

Yohana heißt eigentlich anders. Sie möchte ihren Namen nicht veröffentlicht sehen, denn die Furcht ist ihr ständiger Begleiter.

Sie verbrachte mehrere Monate in einem libyschen Gefängnis. Dass Yohana sich heute dennoch frei bewegen und ihre Geschichte erzählen kann, verdankt die 25-Jährige einem Rettungsprogramm der Vereinten Nationen. Und einem Land, das Flüchtlinge aufnimmt, obwohl es selbst kaum genug Ressourcen hat, um die eigene Bevölkerung auch nur halbwegs zu versorgen.

Ein bettelarmes Land als Zufluchtstätte

Lange suchten die Vereinten Nationen nach einem Weg, um wenigstens Frauen und Kinder, die in Libyen inhaftiert werden, an sichere Orte zu bringen. Doch anfangs wollte kein Land die Gestrandeten aufnehmen. „Alle lehnten ab“, erzählt Alessandra Morelli vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR).

Schließlich erklärte sich Niger bereit, die Flüchtlinge zu beherbergen. Das westafrikanische Land zählt zu den ärmsten der Welt: Im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen steht es auf Platz 187 von 188 Staaten. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt von weniger als einem Dollar am Tag.

Weil die Lage im Land so prekär ist, stellte Niger eine Bedingung: Die Flüchtlinge aus Libyen dürften nur so lange bleiben, bis europäische Staaten ihre Asylanträge geprüft hätten. Anschließend sollten die Evakuierten in wohlhabendere Länder verteilt werden. Nach zähen Verhandlungen sagten Kanada und mehrere europäische Staaten schließlich zu, knapp 3.000 Menschen aufzunehmen.

Im November 2017 hob der erste humanitäre Flug von Tripolis in die nigrische Hauptstadt Niamey ab. An Bord waren vor allem Frauen und Minderjährige aus Eritrea, Äthiopien und dem Sudan. Das UN-Flüchtlingshilfswerk hatte sie ausgewählt, weil sie in Libyen gefoltert, geschlagen oder vergewaltigt worden waren. Yohana ist eine von ihnen.

Man sieht Yohana den Schrecken, den sie erlebt hat, nicht an. Sie hat kindliche Gesichtszüge, ihre Füße stecken in Schlappen mit Plüschbesatz. Die langen Haare hat Yohana zu einem Knoten gesteckt.

Yohanas Flucht von Eritrea durch die Wüste nach Libyen

Frisuren sind Yohanas Hobby – und sie waren einmal ihr Beruf. Bevor Yohana Eritrea verließ, war sie Friseurin in Asmara, der Hauptstadt des Landes. Yohana lebte mit ihrer Mutter und sechs Geschwistern in einem Zimmer am Stadtrand. Fließendes Wasser gab es nicht, stattdessen kam alle vier Tage ein Lastwagen mit Trinkwasser. Yohana sammelte es in einem Container, den sie auf ihrem Rücken in die Wohnung schleppte. „Es war kein richtiges Leben“, sagt Yohana, „eher ein Überleben.“

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Pandabären im Berliner Zoo

Und unser Bundesschätzchen kauft Pandas aus China. Es ist schon erstaunlich wie weit gekrönte Köpfe denken können.

Trotzdem hätte sie ihre Heimat nicht verlassen – wäre da nicht das Militär. Jeder Eritreer, egal ob Mann oder Frau, ist verpflichtet, Wehrdienst zu leisten. Offiziell dauert der 18 Monate, tatsächlich kann die Zeit in der Armee beliebig verlängert werden. Yohanas Mann, ein Nachbarsjunge, den sie von ihrer Kindheit an kannte, wurde eines Morgens von Soldaten abgeholt und eingezogen. Wenn sie heute auf seinem Handy anruft, meldet sich nur die Mailbox. Ob ihr Mann noch lebt, weiß Yohana nicht.

„Ich hatte jeden Tag Angst, dass sie mich auch holen“, sagt Yohana. Deshalb entschied sie sich vor drei Jahren zur Flucht aus Eritrea. Sie war nicht die E rste in ihrer Familie: Yohanas Bruder hatte es vor Jahren nach Dänemark geschafft. Von ihm wusste Yohana, dass die Chancen auf Asyl für Eritreer in Europa nicht schlecht stehen. Er war es auch, der seiner Schwester 4.000 US-Dollar schickte, um die Schlepper bis nach Libyen zu bezahlen.

Yohana packte drei T-Shirts ein und drei Hosen, dazu einen Kanister, der drei Liter Wasser fasste. Ein Schmuggler fuhr sie mit dem Auto in den Sudan. „Dann kam die Wüste“, sagt Yohana, und ihre Gesichtszüge verhärten sich, als mache ihr schon der Gedanke an diesen Ort Angst.

Quelle     :        TAZ          >>>>>        weiterlesen

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