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Der gezähmte Dompteur

Erstellt von Gast-Autor am Freitag 4. Juli 2014

Errol Morris’ Interviewfilm über Donald Rumsfeld

File:Rumsfeld1.jpg

Autor: Hans-Günther Dicks

Rationalgalerie

Datum: 03. Juli 2014

Erinnern Sie sich an „The Fog of War“ (2003), jenen Dokumentarfilm des profilierten, aber auch umstrittenen Regisseurs Errol Morris, in dem er den früheren US-Verteidigungsminister Robert McNamara zu seiner Rolle in der US-Kriegspolitik in Vietnam befragte und dabei klar und zielgenau mit seinen Fragen den im Filmtitel angesprochenen Nebel über dieser Politik zerfetzte? Oder an seinen brillanten „Mr. Death – The Rise and Fall of Fred A. Leuchter Jr.“ über den zynischen Erfinder von Hinrichtungsgeräten? Eben dieser Errol Morris hat sich nun erneut einen US-Verteidigungsminister vor seine Kamera geholt: Donald Rumsfeld, den für seine Interviewscheu und Verschwiegenheit bekannten zweimaligen „Secretary of Defense“ (1975-1977 unter Präsident Gerald Ford, 2001-2006 und George W. Bush). Mit McNamara verbindet Rumsfeld seine Rolle als „Architekt des Krieges“ (statt in Vietnam jetzt im Irak), mit dem Erfindergeist des Mr. Leuchter seine zweite Amtszeit unter Bush, denn die von seinem Kabinettskollegen Powell vor der UNO-Vollversammlung präsentierten „Beweise“ für Saddam Husseins Chemiewaffen waren reine, schon rasch entlarvte Erfindungen.

Stoff genug also, möchte man meinen, für eine weitere gnadenlose Demaskierung einer wichtigen Figur der Zeitgeschichte. Doch schon der rätselhafte, mit einem Zitat Rumsfelds spielende Titel von Morris’ Film klingt fast nach Kapitulation vor dem intellektuellen Schwergewicht seines Gegenüber, und gleich zu Filmbeginn begleitet aufdringliche Musik eine nichtssagende Kamerafahrt übers Meer, als hätte der Komponist Dany Elfman die Regie übernommen. Die tritt Morris danach an das Chaos von zigtausend „snowflakes“ ab, kleine, chronologisch ungeordnete Notizzettel von Rumsfelds Hand und von ihm auch kommentiert. Unerfindlich auch, warum gerade die von Morris erfundene spezielle Technik, die seinem Interviewpartner erlaubt, in die Kamera und somit direkt zum Zuschauer zu sprechen, sich hier quasi gegen ihren Erfinder wendet. Der von hinter der Kamera fragende Regisseur scheint der kühl berechnenden und mit einem Lächeln vorgetragenen Wortakrobatik Rumsfelds fasziniert zu lauschen, statt an kritischen Punkten nachzuhaken. Wer sich von dem hochrangigen Zeitzeugen eine Erklärung für den wie immer unerklärten Krieg erhofft hat, wird bald gelangweilt von einem müden Wort-Pingpong auf Sparflamme.

Morris zeigt das berühmte Foto von Rumsfelds Händedruck mit Iraks Präsident Saddam Hussein, den er vor Morris’ Kamera einen „brutalen Diktator“ nennt; auf die Nachfrage, wie er ihn damals anredete, wartet man vergebens. Die angebliche Chemiewaffenfabrik Saddams? Rumsfeld zieht alle Register der Syntax und Grammatik, um zu verschleiern, was er oder die Welt davon wusste, nicht wusste oder hätte wissen können. Er lässt sich nichts entlocken über die vorherige Kriegsplanung – er selbst gehörte schon 1998 zu den Unterzeichnern eines Offenen Briefes an Präsident Clinton, in dem eine militärische Intervention im Irak gefordert wurde – und schon gar nichts über die vielen Toten, die diese Propagandalüge gekostet hat. Den raren Momenten, in denen Morris dem Interviewten wirklich einmal zusetzt und Rumsfeld sich sichtbar windet, nimmt die Regie mit Einblendungen und verwirrenden Zeitsprüngen meistens ihre Wirkung.

Man kann nur mutmaßen, was den sonst so kühnen Interviewer Morris derart gezähmt hat. Er selbst räumt im Interview durchaus, es sei nicht darum gegangen, durch allzu hartnäckiges Nachfragen „das Interview schnell abzubrechen oder eine heftige Kollision zu provozieren, in der der Gesprächspartner aufsteht und wutschnaubend verschwindet“. Dieses Eingeständnis könnte auf Vorbedingungen und Beschränkungen seitens des im Umgang mit den Medien gewieften Politikers hindeuten, denen journalistische Formate sich oft beugen müssen. Allerdings wäre es dann ein Gebot der dokumentarischen Ethik, solche Restriktionen im Film klar kenntlich zu machen. So aber bleibt der schale Nachgeschmack, als hätte ein Löwe seinen Dompteur gezähmt. (Kinostart: 3. Juli)

[youtube xWqFYF6BDns]

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Grafikquelle    :   This image is a work of a U.S. Army soldier or employee, taken or made as part of that person’s official duties. As a work of the U.S. federal government, the image is in the public domain.

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