Der Fall »Drachenlord«
Erstellt von Redaktion am Samstag 30. Oktober 2021
Ein jahrelanges Martyrium in Deutschland – und niemand hält es auf
Eine Kolumne von Sascha Lobo
Der YouTuber »Drachenlord« wird seit Jahren von einem Mob gequält, bedroht und belästigt. Nun hat er sich gewehrt und wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Ein katastrophales Versagen von Justiz, Medien und Gesellschaft.
Jeden Tag hetzen Internetmobs in Deutschland unschuldige Menschen in die Verzweiflung und noch weiter. Aber noch nie haben sich eine deutsche Staatsanwältin und eine deutsche Richterin faktisch an die Spitze eines hochorganisierten Internetmobs gesetzt. Und anschließend das Opfer gedemütigt, eingesperrt und gebrandmarkt. Genau das aber ist am 21. Oktober 2021 mitten in Deutschland passiert, und damit ist großes Unrecht geschehen. Es gab ein kurzes Palaver in der Öffentlichkeit, dann passierte irgendetwas anderes, das Wochenende brachte die Bundesliga und praktisch niemand interessierte sich mehr für den »Drachenlord«
Die »Hater« lügen. Es handelt sich nicht um ein Spiel
Der Hassmob hat einen Namen, diese Leute nennen sich »Haider«, ausgesprochen halb fränkisch, halb pseudoenglisch, denn Winkler nennt diese Leute in seiner Mundart »Hater«. Die Haider behaupten, Rainer Winkler zu quälen sei ein Spiel, das Drachengame. Das ist eine Lüge, mit der vor allem die Mitläufer im Hassmob, die Medien und damit das unbedarfte Publikum beruhigt werden sollen.
Das Gerücht wird immer wieder gestreut und auch von großen Medien wird verbreitet, Winkler wolle es selbst so. In Wahrheit hatte er nie eine Wahl, versuchte jahrelang, sich zu wehren, und irgendwann damit irgendwie zurechtzukommen. Es handelt sich nicht um ein Spiel, hier wird ein Mensch ohne jeden Ausweg gequält, mit dem vielfach im Netz erklärten Ziel, Rainer Winkler in den Selbstmord zu treiben. Mit der Gefängnisstrafe für Winkler hat der Hassmob nämlich nur ein Zwischenziel erreicht.
Die Haider, auch diejenigen, die nur mal schauen wollen oder so ein bisschen mitschwimmen, sind faschistoide Menschenfeinde. Sie verdienen Verachtung und harte Bestrafung, aber – Laien können das oft nicht recht glauben – Cybermobbing ist in Deutschland bisher kein Straftatbestand. Eine tiefere Analyse der wichtigsten Motivation der Haider ergibt Monströses, das sich in einem Zitat in einem der vielen Chat-Kanäle spiegelt: »Der Drachenlord verdient das alles, weil er dumm ist.« Das »Drachenlord«-Martyrium ist deshalb auch die Kehrseite des ohnehin schwierigen gesellschaftlichen Fetischs Intelligenz.
Die Liste der Qualen geht weiter und weiter, es ist, wenn man halbwegs bei Verstand und Empathie ist, schon beim Lesen kaum aushaltbar. Winkler wird zum ersten deutschen Opfer des sogenannten Swattings. Dabei wird unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ein Swat-Team der Polizei zum Sturm auf eine Wohnung angestiftet. Das ist kein Streich, in den USA hat das Swatting bereits mehrere Todesopfer gefordert. Bei jedem Amoklauf, bei jedem Attentat bringen die Haider Falschgerüchte in Umlauf, dass eigentlich Rainer Winkler der Täter sei. Nicht selten fallen sogar Newsseiten darauf herein, zuletzt als Haider behaupten, die Morde mit Pfeil und Bogen in Norwegen Mitte Oktober seien von einem Rainar Winklarson verübt worden und dazu ein Foto von Winkler beim Bogenschießen verbreiten.
Die Bundesrepublik hat dem Hassmob nichts entgegenzusetzen
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Ein Drache aus der Welt der Sagen — Megalosaurus-Modell im Londoner Crystal-Palace-Park (Benjamin Waterhouse Hawkins, 1854)