DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Denkmalsturz in Bristol:

Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 17. Juli 2020

Black History Matters

Edward Colston - empty pedestal.jpg

Von Susanna Jorek

Warum ausgerechnet in Bristol eine Statue von einem Sklavenhändler vom Sockel geholt wurde und die Stadt dennoch zu einem Vorbild werden könnte.

Die Statue von Edward Colston thronte 125 Jahre lang im Stadtzentrum von Bristol und überblickte den historischen Hafen. Sie wurde 1895 errichtet, 174 Jahre nach seinem Tod, zehn Jahre nach der Aufteilung Afri­kas unter den Kolonialmächten – dem Höhepunkt des britischen Empire und zugleich dem Beginn seines Untergangs. Die Statue sollte an einen Mann erinnern, der Bristol zu Wohlstand verholfen hatte, als Philanthrop galt und für den Reichtum stand, der aus den Kolonien ins Mutterland floss.

Sie erinnerte auch an eine Zeit, in der Schwarzes Leben wenig zählte. Colston bekam in Bristol nicht nur eine Statue, auch zwei Schulen wurden nach ihm benannt, eine Straße, eine Konzerthalle, ein Armenhaus und noch in den 1960er Jahren ein Bürokomplex. Wie viel Colston genau wohltätigen Zwecken spendete, ist weder nachvollziehbar noch wesentlich, denn es ging darum, sich einer bestimmten Sicht der Geschichte zu erinnern.Doch es gibt auch eine andere Erinnerung an Edward Colston.

Ab 1730 war Bristol der größte britische Hafen für den transatlantischen Sklavenhandel. Mehr als 2.000 Schiffe fuhren von hier nach Afrika und verluden dort mehr als 500.000 Menschen. Colston war Direktor der Royal African Company, die von 1672 bis 1698 das Monopol für den britischen Sklavenhandel besaß und 80.000 Männer, Frauen und Kinder nach Übersee verkaufte. Auf der Überfahrt zum ­amerikanischen Kontinent, der sogenannten middle passage, starben allein auf Colstons Schiffen 20.000 Menschen.

Bristol war durch den transatlantischen Sklavenhandel zu Wohlstand gelangt, ganze Viertel entstanden neu. Heute hadert die Stadt mit diesem Erbe, auch weil nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs viele Einwanderer aus der Karibik nach Bristol kamen. Sie waren direkte Nachfahren der Opfer der Sklaverei, mit ihnen und ihrer Erinnerung begannen die Erzählung der Stadtgeschichte und letztlich das Bild von Colston als Philan­throp zu wackeln.

Bürgerrechtsproteste schon in der 1960er Jahren

Bristol gilt bis heute als segregierte Stadt und doch auch als eine, die das ändern möchte. Für die Schwarze Community war Bristol lange eine Stadt der Ausgrenzung, der Ungleichheit und des Widerstands. Bis in die 1990er Jahre hinein zogen die meisten Schwarzen in den heruntergekommenen Stadtteil St. Pauls, lange der einzige, in dem überhaupt an sie vermietet wurde. Als das örtliche Nahverkehrsunternehmen in den 1960er Jahren die Anstellung nichtweißer Menschen untersagte, organisierten Schwarze Bürger um den Sozialarbeiter Paul Stephenson erfolgreich einen Busboykott.

Heute erinnert unter anderem eine Plakette im Busbahnhof von Bristol an das Ereignis. Als Reaktion auf den Boykott wurden in England die ersten Gleichstellungsgesetze (Race Relation Acts) von 1965 und 1968 beschlossen. Zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses riefen Schwarze Aktivisten 1968 den St. Pauls Carnival ins Leben. 1980 gab es hier die race riots, eine Reaktion darauf, dass Polizisten unverhältnismäßig oft Schwarze Menschen kontrollierten.

MLKMarch2018-9408 (39689724342).jpg

All dies wird heute als offizielle Geschichte der Stadt im stadtgeschichtlichen Museum MShed erzählt, das in einer der alten Speicherhallen direkt gegenüber der Stelle am Hafen liegt, an der die Statue von Edward Colston ins Wasser gestoßen wurde. Die Brücke, die die beiden Uferseiten verbindet, wurde 1999 nach Pero Jones benannt, einem Sklaven, der im 18. Jahrhundert im Haushalt eines reichen Kaufmanns diente und dessen Geschichte man zumindest fragmentarisch kennt.

Quelle     :         TAZ           >>>>        weiterlesen

————————————————————————–

Grafikquellen        :

Oben      —      The empty pedestal of the statue of Edward Colton in Bristol, the day after protesters felled the statue and rolled it into the harbour. The ground is covered with Black Lives Matter placards.

————————————

Unten       —      MLKMarch2018-9408

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>