DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Den Kremlchef verstehen:

Erstellt von Redaktion am Montag 13. Juni 2022

Wenn Putin beruhigt, dementiert oder verspricht
– dann lügt er

Wladimir Putin-6.jpg

Eine Kolumne von Christian Stöcker

Es scheint manchen deutschen Politikern nicht leichtzufallen, Russlands Präsident Wladimir Putin zu deuten: Wann meint er, was er sagt, wann das Gegenteil? Eine Handreichung.

Wladimir Putin ist ein geheimnisumwitterter Mann, er selbst arbeitet daran sehr aktiv mit. Da sind die Phasen, in denen der russische Präsident einfach vorübergehend verschwand . Da sind die allzu langen Tische, an denen Gesprächspartner oft Platz nehmen müssen, die Quarantänebestimmungen für Besucher und Personal. Da ist die Tatsache, dass oft niemand weiß, wo der Kriegsherr sich momentan wirklich aufhält.

Und da ist ein Detail, aber ein aufschlussreiches: »Paris Match« berichtete  diese Woche, dass Putins Leibwächter bei Auslandsreisen stets Kot und Urin des Präsidenten sicherstellen und nach Moskau transportieren müssten, sauber abgepackt und in einem speziellen Koffer transportiert.

Der Bericht wird den Spekulationen über Putins Gesundheitszustand  neue Nahrung geben. Und er passt gut zu einem Video  von 2019, das Putin beim Verlassen einer Toilette im Pariser Élysée-Palast zeigt  – begleitet von sage und schreibe fünf Männern, von denen einer eine dicke Aktentasche trägt. Ein sechster hält vor der Tür Wache.

Die drei Faustregeln

Rätselhaft scheinen oft auch Putins Äußerungen, ebenso wie die der in seinem Auftrag sprechenden Untergebenen. Gerade im politischen Berlin scheint man manchmal Probleme zu haben zu unterscheiden, wann Putin meint, was er sagt, wann er in Wahrheit das Gegenteil meint – und wann er lügt.

Dabei ist die Unterscheidung meist recht einfach. Man muss auf drei gängige Kategorien von Putins Äußerungen nur drei simple Faustregeln anwenden.

Kategorie eins: Dass Putin lügt, wenn er beruhigen will, sollte etwa Emmanuel Macron und Olaf Scholz eigentlich allerspätestens seit dem 24. Februar klar sein. Wenige Tage nach vermeintlichen Friedensgesprächen mit den beiden begann bekanntlich der Einmarsch in die Ukraine. Scholz saß Putin ganze neun Tage vor der Invasion an diesem berühmten langen Tisch gegenüber. Macron und Scholz wollten ihm seine angeblich friedlichen Absichten offenbar glauben, allen Warnungen der USA zum Trotz .

Ein weiteres Beispiel für die erste Kategorie sind die sogenannten humanitären Korridore. Putin und seine Leute versprechen der Zivilbevölkerung der Ukraine schon seit Anfang März immer wieder sichere Fluchtkorridore. Leute aus Syrien, die mit der Sorte Versprechen, die Putin gibt, Erfahrung haben, warnten schon damals davor , auf solche Versprechungen viel zu geben. Natürlich haben sie recht behalten: Die »Korridore« werden immer wieder beschossen. Fast noch zynischer sind die vorgeschlagenen »Korridore«, die direkt auf russisches Gebiet oder nach Belarus  führen sollen.

Den bisherigen Gipfelpunkt des kommunikativen Zynismus aus dem Kreml aber stellt die Auszeichnung der Brigade dar, die für die grausamen Morde an Zivilisten in Butscha verantwortlich gemacht wird. Putin lobte die Soldaten, die in Butscha mutmaßlich folterten, Menschen vom Fahrrad schossen oder erst fesselten und dann exekutierten, für ihr »geschicktes und entschlossenes Vorgehen«, für »Mut, Entschlossenheit und große Professionalität«.

Zuvor hatte er die Berichte über die Verbrechen in Butscha als »Fake« bezeichnet.

Der Rest der russischen Truppen dürfte das als explizite Ermutigung und als Freibrief für weitere massive Gräueltaten verstanden haben. Was sich bereits jetzt aufs Entsetzlichste zu bewahrheiten scheint.

Die Ukrainer haben natürlich längst begriffen, dass Putin ständig und strategisch lügt. Sie werden deshalb den Teufel tun und, wie vom Möchtegernzaren kürzlich gefordert, die Minen vor ihren Schwarzmeerhäfen entfernen. Putin hatte das als Bedingung für Getreideexporte nach Afrika genannt – und »versprochen«, dass das russische Militär das dann nicht für Angriffe nutzen würde.

Faustregel eins: Wenn Putin beruhigt, dementiert, verspricht oder abwiegelt, dann lügt er.

Kategorie 2: Meldungen der Sorte »Putin warnt« und »Putin droht« sind in den vergangenen Jahren, noch mehr in den Tagen seit dem Einmarsch in die Ukraine, zu einer Art eigenem journalistischen Genre geworden. Schon vor dem Krieg warnte Putin gern und oft: mal unspezifisch vor »Provokationen« des Auslands, mal konkret und personalisiert, wenn es um unbotmäßige Journalisten ging. Seit Kriegsbeginn ist Putin nun unermüdlich damit beschäftigt: Er »warnt« Schweden und Finnland vor dem Nato-Beitritt, Deutschland und Frankreich vor Waffenlieferungen , die Nato vor der Einrichtung einer Flugverbotszone und die ganze Welt davor, dass Russland ja immerhin über Atomwaffen verfüge. Und immer häufiger droht er mittlerweile offen.

Daraus ist nur eines verlässlich abzuleiten: All die Drohungen und Warnungen teilen der Welt mit, was Putin nicht will. Sich danach zu richten, ist angesichts der seit Jahrzehnten dokumentierten Bereitschaft des Kremls, zu lügen, zu manipulieren und zu morden, in der Regel eher nicht ratsam. Wichtig ist auch: Wenn Putin droht, heißt das beileibe nicht, dass er diese Drohungen auch wahr machen wird.

Trotzdem lautet Faustregel zwei: Wenn Putin sagt, was er nicht will, meint er das ernst.

Quelle          :        Spiegel-online          >>>>>         weiterlesen

*********************************************************

Grafikquellen          :

Oben     —     Wladimir Putin

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>