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Demokratie auf Abwegen

Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 9. Juni 2011

Parteienoligarchie – Herrschaft einer Minderheit

Michail Gorbatschow, Reinhard Mohn und Liz Mohn im Foyer der Bertelsmann Stiftung (1992)

als Alibi wird Mutti in Front geschoben ?

Schon Platon (427-347 v. Chr.) definierte „Oligarchie“ als eine gesetzlose Herrschaft der Reichen, die nur an ihrem Eigennutz interessiert sind. Oligarchie ist also die Herrschaft einiger Weniger.</p>

Seit den 1990er Jahren wird der Begriff Oligarch auch in Russland verwendet und bezeichnet damit Geschäftsleute, von denen die Allgemeinheit annimmt, dass diese in einer chaotischen Zeit (nach dem Ende der Sowjetunion) durch unsaubere Mittel zu großem Reichtum und politischem Einfluss gelangten (z. B. der ehemalige Gasmagnat Michail Chodorkowski, der dem russischen Staat zu mächtig geworden ist). Der Begriff wurde in Bezug auf Russland auch von deutschen und internationalen Medien aufgenommen.

Ist es nicht bei uns genauso? Kommen in Deutschland und anderswo nicht auch nur einige Wenige zu großem Reichtum, während die Bürger immer weniger in den Taschen haben? Packt sich keines der europäischen Länder an die eigene Nase?

Beispiele gibt es heutzutage allein in Deutschland genug:

  • Ein Mindestlohn wird seit Jahren von rund dreiviertel der Bevölkerung befürwortet und von den Regierungsparteien verweigert weil dadurch angeblich Millionen Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen würden. In anderen Ländern hat der Mindestlohn dazu geführt, die Binnenwirtschaft wieder anzukurbeln. In Wirklichkeit wollen die Lobbyisten die Arbeitnehmer nur noch weiter ausbeuten.
  • Atompolitik: Nachdem unsere Bundeskanzlerin Merkel ihre Runde bei den Atomkraftwerken gemacht hatte, versprach sie, die Laufzeiten zu verlängern. Schnell war das Gesetz durch den Bundestag. Plötzlich entdeckte unsere Bundesregierung ein Gesetz, wonach nicht einmal der Bundesrat dazu gehört werden musste. Mittlerweile wurde – wegen Fukushima – der Atomausstieg beschlossen. Nun ist die FDP darüber empört (hat sie doch auch von der Atomlobby große Spendengelder erhalten und will ihre Klientel befriedigen) und nicht damit einverstanden. Egal. Notfalls fegt man auch über die Koalitionspartei hinweg.
  • In Baden-Württemberg hat der vorhergehende Ministerpräsident Mappus noch schnell am Parlament vorbei vom französischen Stromriesen EDFein Aktienpaket über Stromanteile von rund 45 % gekauft. Diese Stromanteile wurden mit Hilfe seines Freundes und Bankenmanager der Morgan Stanley, Dirk Notheis, (nebenbei CDU-Vorstand des Landes Baden-Württemberg) für 4,7 Milliarden Euro, einem mit über 1 Milliarde viel hohen Preis zurückgekauft.
  • S-21: Jeder weiß, wie am 30.09.2010 im Schlossgarten in Stuttgart die Polizei gewütet hat und friedliche Demonstranten, unter ihnen auch Schüler, mit Wasserwerfer und Tränengas verletzte. Zuvor hat es im Ministerium noch eine Zusammenkunft zwischen Mappus und dem Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf,             gegeben, um das Vorgehen zu besprechen. Schließlich musste ein Teil Bäume für das Wassermanagement unbedingt weg. Die Gartenbaufirma, die diese Arbeit erledigte – wieder ein Freund von Mappus – musste in der Nacht gegen 1.00 Uhr anfangen, die Bäume zu fällen. Sicherlich hätten diese Gärtner lieber geschlafen, als sich von einem derartig massiven Polizeiaufgebot gegen angebliche Berufsdemonstranten schützen zu lassen.
  • Am 2. Juni 2011, also an Christi Himmelfahrt, war Stuttgart immer noch nicht frei von Pfefferspray und Knüppel. Die schwer bewaffnete Polizei ging wieder auf Jugendliche los, die ihr demokratisches Recht ausüben wollten und gegen PAX Europa, einer fremdenfeindlichen Organisation, demonstrieren wollten. Die Demonstranten haben die Lehren aus der Geschichte Deutschlands verstanden, die Polizei wohl nicht.

Die antike attische Demokratie wurde als erste Verwirklichung einer Demokratie in der Geschichte angesehen.  Nach heftigem Ringen des Adels und der Reichen mit dem einfachen Volk wurde diese errichtet und allen über 20 Jahre alten männlichen „Vollbürgern“ der Stadt Athen Mitbestimmung in der Regierung gewährt. Die Anzahl der Vollbürger durfte nicht mehr als etwa 30.000 bis 40.000 Männer betragen. Wurde die Anzahl zu groß, verlangte man von den dazugekommenen Bürgern, dass diese eine neue Stadt gründeten. Schon die alten Griechen hatten erkannt, dass Demokratie im Großen nicht funktionierte. Wie soll daher eine europäische Demokratie funktionieren? Europa ist zu groß, um demokratisch regiert zu werden. Zwangsläufig entwickelt sich hier mit der Zeit eine Diktatur.

Demokratie bedeutet, es herrscht eine politische Ordnung, die das gesamte Volk zum Träger staatlicher Verantwortung und Funktionen macht, indem sie die Gesamtheit der mündigen Staatsbürger zu Trägern der Staatsgewalt macht. Die Grundsäulen einer Demokratie sind die 1762 von John Locke und Charles Montesquieu etablierte Gewaltenteilung zwischen den Staatsorganen: Regierung (Exekutive), Parlament (Legislative) und den Gerichten (Judikative) und wird als elementarer Bestandteil eines modernen demokratisch funktionierenden Rechtsstaates betrachtet.

In Deutschland wurde eine repräsentative Demokratie praktiziert, in der die Gesetzgebung durch das Parlament vollzogen wurde. Das ist kein Widerspruch solange die gewählten Volksvertreter bemüht sind, nach dem Willen des Volkes Gesetze zu verabschieden, frei nach deren Gewissen, solange die Gesetze mit der Verfassung übereinstimmen! (Stimmen die Hartz-Gesetze mit unserer Verfassung überein?)

Entwickelt sich ein Staat allerdings zu einer Parteienherrschaft, die ausschließlich den Regierungsvorschlägen oder auch dem Fraktionszwang der Parteien (wie z. B. in Deutschland) folgen müssen, sind die gewählten Politiker nicht mehr frei und ihrem Gewissen unterlegen. Gesetze, die vor Willkür schützen sollen gegenüber der Bevölkerung werden verletzt.

Wirkliche Demokratie und somit Freiheit und Mitbestimmung wird durch Parteien, wie wir sie heute haben, eher verhindert. Sie machen ihre Gesetze nicht mehr nach dem Willen des Volkes oder beschränken durch Gesetze wilden Kapitalismus. Nur noch die Forderungen des Kapitals werden bei der Gesetzgebung beachtet.

Da sitzen dann in den Bundes- und Landesministerien Lobbyisten aus der Wirtschaft an entsprechend hohen Positionen, die dann noch Gesetze, die sehr oft wörtlich übernommen werden, selbst schreiben (z. B.Fraport und Daimler im Bundesverkehrsministerium, die Investmentbranche im Bundes-Finanzministerium, EON im Bundes-Wirtschaftsministerium usw.).

Früher wurden diese Lobbys nur nach der Niederschrift des voraussichtlichen Gesetzes angehört. Wen wundert es also, dass der angeblich endgültige Atomausstieg bis 2022 sehr schwammig und dehnbar ausfällt? Bestimmt haben die Politiker, die damit betraut wurden schon ihre Bezahlung dafür erhalten oder auf den Zeitpunkt nach ihrer politischen Karriere in Aussicht gestellt bekommen, wie etwa einen Vorstands- oder Chefposten in der Wirtschaft.

Lobbyisten sitzen auch auf Betreiben der Bundesrepublik Deutschland in den Büros der EU und wechseln in die Bundesministerien, wenn in der EU ein Gesetzentwurf durchgeboxt wurde. Wen wundert es da, dass die Bürger immer weiter zum Wohle des Kapitals geschröpft werden und die Menschenwürde mit Füßen getreten wird? Keine Gesetze sind in Aussicht gestellt, wonach diesem Treiben Einhalt geboten werden soll.

Da wird dann der Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ zu einer Floskel, die niemand mehr ernst nehmen kann. Außer der europäischen Wirtschaft werden Bürgerinnen und Bürger scheibchenweise entrechtet. Wer sich da noch über die Unruhen in den einzelnen Ländern wundert, hat noch nicht begriffen, dass ein paar EU-Kommissare, zu denen einige Lobbyisten aus der Wirtschaft gehören, das Sagen haben und nicht einmal mehr die einzelnen Regierungen selbst.

Hielt man früher eine Demokratie als Voraussetzung für eine florierende Marktwirtschaft, gerät diese für selbstverständlich gehaltene Theorie immer mehr ins Wanken. Während Parteidiktaturen wie in China und Vietnam wirtschaftliche Erfolge verbuchen können, gerät die deutsche Marktwirtschaft ins Abseits. Eine Bestätigung für unsere Regierenden, um die Demokratie in Europa abzubauen?

Am 02. Juni 2011 erhielt der Chef der europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, als Verteidiger eines „stabilen Euros“ den Karlspreis 2011 überreicht. Dieser  Internationale Karlspreis wurde 1950 erstmals vergeben und erhielt seinen Namen nach Karl dem Großen. Er ist der älteste und bekannteste Preis, mit dem Persönlichkeiten oder Institutionen ausgezeichnet werden, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient gemacht haben. Welche Maßstäbe gelten denn da?

Trichet meinte in seiner Rede, dass der Euro nicht nur ein Zahlungsmittel wäre, sondern ebenso ein friedenstiftendes Symbol. Ist er das wirklich? Man schaue doch mal in Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien, Tschechien usw. in denen sich die Bevölkerungen gegen die soziale Schieflage in Europa auflehnen. Selbst in England, das eine eigene Währung hat, lehnt sich die Bevölkerung ebenfalls gegen die Vorgaben der EU auf.

Trichet verlangte, dass die hoch verschuldeten Euro-Länder noch schärfer herangenommen werden sollen. Er sprach sich für eine zentralisierte Wirtschaft aus, die betroffene Länder beeinflussen dürfen. Tut die EU das nicht mittlerweile zur Genüge und ruinieret damit die Wirtschaft anderer europäischer Länder?

Gleichzeitig brachte Trichet ein für die gesamte Euro-Zone zuständiges Finanzministerium ins Spiel. Das bedeutet, dass die europäischen Länder keine Gewalt mehr über ihre Finanzen und ihre Wirtschaft haben sollen. Was hat das alles noch mit Demokratie zu tun?

Der CSU-Politiker Michelbach fordert eine „Agentur“, die vom IWF und der EU getragen wird und die tief in die griechischen Angelegenheiten hineinregieren soll. „Die Regierung in Athen sollte alle staatlichen Unternehmen und Beteiligungen auf diese Agentur übertragen, die die Verkäufe der Privatisierungen abwickeln soll.

Erinnert uns das nicht unweigerlich an die „Treuhand“, die die Abwicklung und Ausplünderung der DDR organisierte?

Fazit: In Deutschland herrscht schon lange eine Parteienoligarchie. Wir haben es nur nicht sofort gemerkt, weil schrittweise die Transparenz dem Bürger gegenüber abgebaut wurde. Gleichzeitig hat unsere Regierung dafür gesorgt, dass in der EU dieser Missbrauch von Macht übernommen wird. Lobbyisten gehören nicht in die Ministerien und jeder Abgeordnete sollte wieder nach seinem Gewissen und ohne Fraktionszwang abstimmen dürfen. Nur dann kann die Demokratie wieder auf festen Beinen stehen.

Martha Brauch

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