Debatte Tschüss, Google
Erstellt von Redaktion am Freitag 3. Januar 2020
Google hatte sich tief in mein Privatleben gefressen.
Von Ulf Schleth
Google hatte sich tief in mein Privatleben gefressen. Jetzt habe ich mich getrennt – und nutze digitale Produkte, die mich nicht ausspionieren.
iebe Freund*innen. Nachdem ich vor zwei Jahren Facebook verlassen habe, habe ich mir zu diesem Jahreswechsel wieder ein besonderes Geschenk gemacht: Ich habe Google nach langer Beziehung verlassen.
Als wir uns kennenlernten, suchte ich noch mit Altavista im Internet. Google war schneller, und vor allem waren die Suchergebnisse relevanter. Hand in Hand durchstreiften wir fortan das Netz. Es hätte eine Verbindung fürs Leben werden können, aber aus dem Verliebtsein ist nie eine richtige Liebe geworden. Ich wusste, dass nichts im Leben umsonst ist, aber die Illusion war schön.
Bis Google Werbung als Geschäftsmodell einführte, mit Google Mail auch einen Webmailservice anbot und bekannt wurde, dass diese Mails maschinell gelesen werden, um Werbung zu optimieren. Nicht genug damit, dass Google schon durch meine Suchanfragen wusste, wie ich tickte – welche Rezepte ich suchte, welche politischen Fragen mich interessierten, an welche alten Schulfreunde ich dachte und wie eitel ich war, weil ich mich manchmal selbst suchte. Jetzt durchleuchtete es auch noch meine Mails an euch. Seitdem schreibe ich denen, die ein Google-Mail-Konto haben, nicht mehr so gern.
Google hat sich weitere Dinge einfallen lassen, die das Leben leichter machen. Man kann Termine im Google Kalender verwalten, nach Bildern suchen. Google Maps kennt fast jeden Winkel des Planeten, hat mit Satellitenbildern und Streetview Fotos davon und „verschenkt“ seine Navigations-App. Es digitalisiert Bibliotheken, setzt voll auf künstliche Intelligenz, hat mit Android Zugriff auf viele Millionen Handys. Google Assistant erlaubt es, mit seinen Geräten zu sprechen, und mit Google Translate lässt sich alles übersetzen. Man kann Dateien in der Cloud auf Google-Servern speichern und hat mit YouTube, das auch Google gehört, Zugriff auf unendlich viele Videos, vom Mathegrundkurs bis zu Kinofilmen. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Produktspektrum von Google und seiner Mutterholding Alphabet.
Whistleblower Edward Snowden hat gesagt: „Zu sagen, dass du dir keine Sorgen über deine Privatsphäre machst, weil du nichts zu verbergen hast, ist so, als wenn du sagen würdest, dass du dir keine Sorgen über freie Meinungsäußerung machst, weil du nichts zu sagen hast.“ Google weiß, wer ihr seid, wo ihr seid und was ihr gerade tut. Es hat coole neue Produkte wie den Interpreter – der Babelfisch aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ ist endlich Realität geworden –, ihr könnt jetzt alles in Echtzeit in eine andere Sprache übersetzen. Natürlich nur über Googles Server. Google hat gerade Fitbit gekauft und hat mit deren Fitnesstrackern Zugriff auf die Körperaktivitäten ihrer Nutzer. Gleichzeitig hat es sich den Zugriff auf Patientendaten des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS in Großbritannien gesichert.
Die Privatsphäre schwindet, und der neue Google-Chef Sundar Pichai freut sich über die „unglaubliche Chance, Einfluss auf die Welt auszuüben“. Ich hätte nie etwas mit Google anfangen sollen. Man muss sich nur wenige Fragen stellen: Was ist, wenn solche Unternehmen ihr Geschäftsmodell ändern? Was ist, wenn es autoritären Regierungen Daten zur Verfügung stellt? Oder auch demokratischen, die nicht in der Lage sind zu erkennen, dass anlasslose Überwachung Privatsphäre zerstört, aber keine Sicherheit herstellt. Was, wenn Sicherheitslücken auftreten oder Hacker Zugriff auf unsere Daten erhalten? Alles das passiert bereits. China straft mithilfe der App WeChat Menschen ab, die sich nicht konform verhalten. Google-Passwörter lagen vor Kurzem unverschlüsselt im Netz, im amerikanischen Wahlkampf hat Cambridge Analytica im großen Maßstab Wählerverhalten zugunsten von Donald Trump manipuliert.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Sundar Pichai, SVP, Chrome and Apps, Google…